Aphorismen, Gedanken und Sinnsprüche. Hans-Georg Lanzendorfer
Respekt und die Achtung vor den Menschen. Die Fähigkeit zu denken wird im Alkohol ertränkt, das Bewusstsein mit Drogen getrübt, die Gefühle und die Psyche betäubt sowie die Selbstachtung und Selbstverantwortung vernichtet.
Die menschliche Psyche ist ein sehr verletzliches Wesen. Sie reagiert auf Veränderungen, Ungewohntes, Verletzungen oder Wunden mit Schmerzen und körperlichen Reaktionen, auf freudige Ereignisse mit einem Hochgefühl, Lebensfreude und mit Glücksgefühlen. Es ist jedoch nur ein schmaler Grat zwischen dem himmelhoch Jauchzen und einer plötzlich eintretenden schwermütigen Kümmernis. So verursacht z.B. der plötzliche und unerwartete Tod eines geliebten Menschen immer tiefe psychische und bewusstseinsmässige Wunden, denn er ist in jeder Sekunde unser ständiger Begleiter.
Die schöpferische Natur lehrt den Menschen, die Wichtigkeit und den Zweck des Vergänglichen zu begreifen und zu verstehen. Sie belehrt ihn auch eines evolutiven Umgangs mit der persönlichen Endlichkeit und dem unausweichlichen Sterben. Der Mensch durchläuft jedoch auch schwierige Lebenssituationen, in denen die menschlichen Gefühle und psychischen Regungen gegen das Wissen, die Weisheit und das Verstandesdenken rebellieren. Dann wird für viele Lernende selbst die vorbildliche und schöpferische Natur zur reinen Theorie, solange nicht die Anwendung in der Praxis erlernt und wirklich verstanden wurde. Dieser Lernprozess zur wirklichen Lebensbeherrschung wird jedoch selbst von Wissenden und Unterrichteten noch Jahrhunderte in Anspruch nehmen.
Die menschliche Psyche ist oftmals eine Feindin der Veränderung, denn sie liebt die Bequemlichkeit und die Beständigkeit. Sie möchte sitzenbleiben am Biotop im Garten, sich ungestört an der Farbenpracht der Blumen, Gräser und am Quaken der Frösche nähren. Selbst dann noch, wenn es längst Zeit geworden ist aufzustehen und zu gehen. Doch sie fürchtet sich vor jedem Schritt aus der Geborgenheit in eine neue und unbekannte Zukunft. Sie meidet jeden Umweg, wenn sie nicht dazu gezwungen oder bedachtsam und behütet auf das Neue vorbereitet wird. Dennoch gleicht sie dem Schmetterling, der Sturm und Winden trotzt und unbeschadet seine Ziele findet.
Eine der grössten Mühen und Schwächen des Menschen ist das Loslassen-Können. Es kostet ihn gewaltige psychische, intellektuelle und bewusstseinsmässige Aufwendungen, um sich notwendigerweise von alten Angewohnheiten, Gepflogenheiten, Bequemlichkeiten, ungünstigen sozialen Konstellationen, von vertrauten Menschen oder aus belastenden Situationen zu lösen. Vor allem der Abschied durch eine notwendig gewordene oder erzwungene Trennung, Todesfälle oder der Abbruch von Verbindungen und Beziehungen zu anderen Menschen aller Art, erfordern ausserordentliche Kraft. Das erst recht, wenn Freundschaften oder Bekanntschaften bereits seit Jahrzehnten bestehen oder bestanden haben.
Abschied zu nehmen ist wohl auch für fremdirdische Menschen ein erhebliches Problem, wenn sie ihre Angehörigen, Lieben, Freundinnen und Freunde, Kinder oder Lebenspartnerschaften für unbestimmte Zeit verlassen müssen, um mit ihren Schiffen in den unbekannten und kalten Weltenraum hinauszufahren. Ähnlich jenen Seeleuten mittelalterlicher Reisen, deren Ziele oder Rückkehr alles andere als sicher waren.
Dennoch überwiegt der menschliche Forscherdrang, das Suchen und Entdecken fremder Welten und Sonnensysteme, die Furcht und Ängste vor den unbekannten Gefahren, der eigenen Verletzbarkeit, Sterblichkeit und Vergänglichkeit.
Die Menschenwesen des gesamten Weltenraumes streben nach der Unvergänglichkeit, endloser Glückseligkeit und Unsterblichkeit. Vor allem auf unserem Planeten Erde ist die Suche nach dem Elixier des ewigen Lebens auch im Dritten Jahrtausend ein aktuelles Thema der Theologie, Wissenschaft, Kunst, Philosophie und Literatur. Der Mensch sucht das Unverrückbare, die Standhaftigkeit und das Beständige. Doch er muss dabei auch lernen, sich mutig der alltäglichen Vergänglichkeit, Unbeständigkeit, Veränderlichkeit sowie dem eigenen Sterben und dem Todesleben zu stellen. Der Umgang mit diesem Thema ist ein wesentliches Lernziel im menschlichen Leben. Es ist im Alltag gegenwärtig, zeigt sich in den verschiedensten Farben und Formen und sollte sich als evolutives Lernziel und zum Vorteil des Menschen in seiner Gesinnung und im Bewusstsein klar und deutlich niederschlagen; nicht jedoch in der Form, dass sich der Mensch in völliger Gleichgültigkeit gegenüber allen Dingen verhält. Die Vergänglichkeit, künftige Auflösung und das unausweichliche Sterben ist kein Motiv für Nachlässigkeit, Zerstreutheit, Unterlassung oder Achtlosigkeit bei der Erledigung notwendiger Unternehmungen. Trotz der alltäglichen und bedrohlichen Gegenwart der eigenen und aller Wesen Sterblichkeit, sei der Mensch stets nach bestem Können und Vermögen bestrebt, alles im Leben so anzugehen, als sei das Verwehen und Veralten der Dinge nicht vorhanden. Dennoch sei er sich aber auch der wichtigen Tatsache bewusst, dass bereits der nächste Atemzug sein letzter sein könnte. Martin Luther (1483–1546) wird folgendes sinnvolle Zitat nachgesagt: «Wenn ich wüsste, dass morgen der Jüngste Tag wäre, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.» – Der früheste Beleg für den Satz findet sich gemäss Internet-Angaben in einem Rundbrief der hessischen Kirche vom Oktober 1944.
Obwohl die lutherische Quelle nicht wirklich bewiesen ist, entspringt diese Aussage einem wahrlichen und guten Denken. In diesem Satz liegt die grosse Kunst einer evolutiven und wertvollen Lebensführung und Gesinnung verborgen. So nämlich der lehrreiche und nutzbringende Umgang mit der Endlichkeit, dem eigenen Erlöschen, Sterben und Vergehen.
Es ist dem Menschen nahegelegt, sich selbst nicht als das Mass aller Dinge zu betrachten und sich dennoch seiner grossen evolutiven Aufgabe und seiner schöpferisch natürlichen Wichtigkeit bewusst zu werden. Jedes einzelne menschliche Leben und jede neue Bewusstseinsform ist in der universellen Nichtigkeit von grosser evolutiver Wichtigkeit.
Individuell betrachtet ist der einzelne materielle und fleischliche Mensch verschwindend klein in der Unendlichkeit und im Zyklus von Expansion und Kontraktion des Schöpfungsuniversums. So erschuf die schöpferische Natur bereits Jahrbillionen vor dem Erscheinen der Erdenmenschen neues Leben und neue Kreationen, genau so, wie sie auch Billionen Jahre nach seinem Verschwinden weiterhin neues Leben gebären wird. In Tat und Wahrheit geht jedoch kein einziges Jota der menschlichen Weisheit und des Wissens verloren, denn alles wird dereinst als Teilwissen zur Vervollkommnung der Schöpfung in diese einfliessen.
Die moderne Psychologie lehrt den Menschen, seine Gefühle, Eindrücke und Befindlichkeit zu betrachten. Sie lehrt ihn aber auch zur vermeintlichen Verarbeitung vergangener Erlebnisse, alte Wunden, Wehen und Narben immer wieder von neuem aufzureissen. Im Perfektum zu verharren sowie das wiederholte Trauern um längst vergangene und bewältigte Geschehen, lassen den Menschen in Stagnation und neuerliche gefühlsmässige Not verfallen. Zudem besteht durch das Aufkratzen alter psychischer und bewusstseinsmässiger Verletzungen die Gefahr, längst verarbeitete und obsiegte Belange und Erlebnisse nicht zur Ruhe und zur Pazifikation resp. Befriedigung kommen zu lassen.
Unbestritten haben die kausal adäquaten Erlebnisse der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Menschen eine wichtige Bedeutung in seiner gesamtheitlichen Entwicklung. Es gilt jedoch auch, in diesen Belangen das gesunde Mittelmass zu finden und die Vergangenheit nicht für alles und jedes in Verantwortung zu nehmen. Im weiteren verfügt der Mensch auch über wichtige unbewusste Verarbeitungs-Mechanismen, die durch ein stetiges Hervorholen und gewaltsames Wiederkäuen der Vergangenheit entmündigt und auch geschädigt werden. Die Vergangenheitsbewältigung in Form einer gesunden Reminiszenz resp. Rückerinnerung hat durchaus seine Berechtigung. Wer jedoch andauernd in der Vergangenheit verharrt, diese betrauert oder beklagt, verpasst das wirkliche und effektive Leben und das Lernen in der Gegenwart.
Selbstredend dürfen Schwierigkeiten und Probleme weder verdrängt noch missachtet werden. Sind sie jedoch kräfteraubend akut und niederdrückend, dann empfiehlt es sich, die Belastungen erstlich etwas beiseite zu schieben, um dem betroffenen Menschen und seiner psychischen und gefühlsmässigen Verfassung eine gewisse Erholung zu ermöglichen. Hierbei wird es auch nötig, dass sich der Mensch mit erfreulichen, aufbauenden Dingen und erquickenden Phantasien des neutral-positiven Denkens beschäftigt, und zwar auch dann, wenn ihm nicht danach zumute ist. Die menschliche Psyche reagiert gemäss ihrer gedanklichen Nahrung. Wird sie folglich mit schwermütigen resp. elegischen Gedanken genährt, dann werden sich unweigerlich Depressionen und Hoffnungslosigkeit bemerkbar machen. Werden ihr jedoch lebensbejahende, neutral-positive und zuversichtliche Gedanken zugeführt, dann werden sich in logischer Folge Freude, Zuversicht und Erfolge abzeichnen. Hat sich die Krisensituation wieder auf ein erträgliches