Ost-wärts. Thomas Helm
kennen.
Dieses Weibsstück schien nicht nur eine reife, weizenblonde und vollbusige Enddreißigerin zu sein. Sie tanzte zudem leidenschaftlich und machte ihm betörende Augen.
Genau so wie es Bruhns gern hatte und es auch brauchte.
Bald erreichte die allgemeine Stimmung das gewünschte Hoch. Von nun an konnten die meisten der Anwesenden auf einen Dolmetscher verzichten.
Da zog Bruhns spontan los. Sina fest an der Hand haltend marschierte er hinauf auf den unweit der Werft gelegenen Staudamm.
Es war fast Mitternacht und noch recht hell. Die Sonne hatte sich nur für kurze Zeit unter dem Horizont versteckt. Ein warmer Nachtwind wehte sanft über die Dammkrone.
Kaum oben auf der Straße angekommen legte Bruhns einen Arm um das Weib, woraufhin sie sich vertrauensvoll und sehr eng an ihn herandrängte.
Beim gemächlichen Schlendern vorbei an den Schleusenkammern in Richtung Wasserkraftwerk plapperte Sina ungefragt über ihr doch recht bescheidenes Leben. »Ich arbeite in der Dispatcherzentrale vom Kraftwerk«, sagte sie. »Im Komsomol war ich natürlich auch. Mit meiner Mutter und meiner kleinen Schwester lebe ich schon immer hier im Ural. Na ja, mein Vater hat sich vor einigen Jahren totgesoffen und deshalb – mag ich die russischen Männer nicht. Weil die Meisten an der Flasche hängen!«
Na toll dachte Bruhns gelangweilt. Auch mein Alter hat gesoffen, bis er tot umgefallen ist. Dessen ungeachtet ließ er Sina jedoch weiterplappern. Aber, als sie auf der Straße direkt über dem Kraftwerk standen, zeigte er sich plötzlich interessiert.
Er schaute einen Lkw hinterher, der auf der Dammstraße in Richtung Westen fuhr und eine Staubfahne aufwirbelte. Als der Motorenlärm verklungen war deutete er auf etwas, dass sich ein Stück entfernt von der Straße befand. »Wozu braucht man denn die runden Betonschächte? Ich meine die mit den Stahlplatten und den Verschraubungen obendrauf mein süßes Täubchen.«
Die fünf Betonzylinder auf der Dammkrone ragten jeder etwas über einen Meter in die Höhe. Und auch ihr Durchmesser schien in etwa so breit zu sein.
Sinas Augen erstrahlten, als sie Bruhns lachend und mit erhobenem Zeigefinger wie bei einer der organisierten Führungen in ihrem Kraftwerk die Erklärung gab. »Du meinst sicher die Abdeckungen über den Revisionsschächten, die nach unten zu den dicken Horizontalrohren führen? Ja. Durch die Rohre wird bei einer Überflutungsgefahr der Staumauer das Wasser vom Notablass geleitet. Die meisten der Röhren bleiben jedoch zumeist trocken da immer nur einige von ihnen geflutet werden. Und weil es dort so tief hinuntergeht, müssen die Schächte oben stets verschlossen sein! Aber gelegentlich stehen sie offen, weil man öfters die Vorhängeschlösser klaut. Doch bis jetzt ist da anscheinend noch keiner reingefallen!« Sina lachte laut auf, als ob sie einen Witz gemacht hätte. Denn auch sie hatte bereits einige Wässerchen intus.
Daraufhin betrachtete Bruhns das Fachgespräch für beendet. Er küsste das späte Mädchen unvermittelt und heftig, damit sie endlich zu plappern aufhörte. An ihrem vom Knoblauch geschwängerten Atem störte er sich nicht.
Sina erwiderte seine Küsse und rasch lagen sie ein Stück von der Straße entfernt am Abhang des Staudamms im hohen Gras.
Er stieß bei seinen stürmisch vorgetragenen Handgreiflichkeiten auf keinen Widerstand. Sina schien, wie er es erstaunt befand, ohnehin schon heiß zu sein.
Sie half ihm eigennützig beim Öffnen ihrer Bluse. Wodurch er problemlos an ihre prallen, weichen Brüste herankam. Nur als er damit begann ihren Schlüpfer unter dem Kleid herabzuziehen, zierte sie sich einen winzigen Augenblick. Doch das geschah vermutlich nur der Form halber. Denn sie streifte das rosige, wollene Teil gleich darauf selbst herunter, wobei sie ihn mit blitzenden Augen anschaute. Daraufhin bot sie ihm den heißen, feuchten Eingang zur Seligkeit zwischen ihren weit gespreizten, festen Schenkeln.
Er kniete sich dazwischen und zerrte hastig seine Hosen herab.
Wie selbstverständlich erfasste sie sein hartes Gemächt. Sie dirigierte es zu ihrer Pforte und bei jedem seiner Stöße antwortete sie mit einem Gegenstoß.
Es dauerte sehr lange, bis sie schließlich genug zu haben schien.
Einen lauten Fluch ausstoßend schrak Bruhns aus seinen schwülstigen Erinnerungen auf.
Wegen seiner Unachtsamkeit war er wohl mit einem der Vorderräder in ein Loch geknallt. Mit mehr Aufmerksamkeit starrte er jetzt voraus auf die Piste. Wenig später hatte er den Waldrand erreicht.
Die Plattenstraße endete an einem kleinen Buswendeplatz, von wo aus er entlang der dahin geduckten Holzhäuschen bis vor zur Hauptstraße fuhr. Dort bog er in Richtung Stadt ein, deren nächtliche Lichter in der Ferne klar zu erkennen waren. Nach etwa zwei Kilometer Fahrt führte die vereiste Straße in einem weiten Bogen um den Flugplatz von Prokowski herum.
Hier landeten und starteten in der schneefreien Jahreszeit fast jeden Tag zwei oder drei Propellermaschinen. Zumeist Doppeldecker. Alte AN-24.
Der gesamte Flugplatz bestand aus einer weitläufigen Wiese und dem rot-weiß angestrichenen »Tower«. Ungeachtet der bescheidenen Ausstattung beschäftigte man dort angestelltes Personal. Einen Meteorologen, einen Funker, eine Putzfrau und natürlich einen Direktor.
Bruhns erinnerte sich noch genau daran, wie er zum ersten Mal dort vorstellig wurde.
Es war im vorigen Sommer. Er dolmetschte für einen Kollegen vom KIH, der im Flughafengebäude irgendein Teil abholen musste. Das wurde mit Luftfracht von Perm hergeschickt.
Zu dieser sommerlichen Jahreszeit war der Weg zum »Tower« nur ein einziger, staubiger Sturzacker.
Bruhns konnte sich aber recht gut vorstellen, wie es hier bei Regenwetter aussah. Daher wollte er sich eine Frage an den Direktor des Flughafens auch nicht verkneifen. »Genosse Direktor! Wäre bei so wenig Flugbetrieb, der hier zu verzeichnen ist, nicht doch etwas Zeit vorhanden? Etwa, um den Weg von der Hauptstraße zum »Tower« gelegentlich ein bisschen auszubessern?«, fragte er scheinheilig den älteren Herrn.
Der, wie er verblüfft feststellte, eine ziemliche Ähnlichkeit mit dem legendären Reitergeneral Budjonny hatte. Der Direktor zerrte an den struppigen Bartenden. Nach kurzem Nachdenken antwortete er. Seine Empörung dabei schien sogar echt zu sein. »Genosse! Wir, als studierte Spezialisten für das Flugwesen, sind dafür keinesfalls zuständig!«, fertigte er den blasphemischen Deutschen ab und ließ ihn stehen.
Na ja, dachte Bruhns daraufhin. So sind sie eben, die Freunde. Darum geht’s bei denen in den kleinen Dingen auch nie so richtig voran! Nur eben was Großes, wie Staudämme oder Raumschiffe kriegen sie stets irgendwie hin! Eben alles, was größer ist als das »drei Komma zweifache« wie bei uns daheim!
Nach einem kurzen Blick über die riesige, weiße Fläche des Flugfeldes passierte Bruhns die ersten vereinzelt stehenden Häuser der Stadt. Dann bog er in Richtung Staudamm ab. Zu dieser Zeit herrschte kein Verkehr auf den von Peitschenlampen beleuchteten, vereisten und von Schneewällen gesäumten Straßen.
Nachdem er die Zufahrt zum Staudamm passiert hatte warf er einen flüchtigen Blick auf die rechter Hand gelegenen Werftanlagen. Auch im Dunklen konnte er oben vom Damm aus die vielen Schiffe erkennen, die fest vom Eis eingeschlossen vor Anker lagen.
Er starrte voraus den Damm entlang. Der erstreckte sich über eine Länge von fast vier Kilometer. Am gegenüberliegenden Ufer endete er in der Udmurtischen ASSR.
Diese Straße über den Damm war ihm gut bekannt. Sie benutzten sie auch mit den Urlauberbussen. Jede Woche, wenn sie vom Wohnlager zum Bahnhof in Ustinov fuhren. Denn dort stiegen die Urlauber in den Zug nach Moskau. Nach über zwanzig Stunden Eisenbahnfahrt stand nur noch eine einstündige Busfahrt zum Flughafen an. Und im Anschluss an dem langwierigen Prozedere der Abfertigung galt es nur noch, den zweistündigen Flug nach Berlin Schönefeld zu überstehen.
Bruhns bemerkte, dass er in Gedanken abschweifte. Er konzentrierte sich. Doch zu dieser Nachtzeit herrschte auf dem Damm kaum Verkehr. Kein Auto, kein Mensch waren zu erblicken.
Er schaute nach rechts. Dort breitete sich jetzt