INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu. Thomas GAST
Bataillonen des 95. Regimentes zu tun hatten. Das Kräfteverhältnis war etwa eins zu sechs, wahrscheinlich aber weit ungünstiger. Die Stimmen der Zug- und Gruppenführer versuchten, den Kampflärm zu übertönen. Unter den heranfetzenden MG Salven richteten sich die Legionäre zur Verteidigung ein. Vier Legionäre fielen im Kugelhagel bevor die Kompanie sich vom Schock erholt hatte und das Feuer systematisch erwidern konnte. Capitaine Caillaud, aufrecht inmitten seiner Legionäre, erhielt eine Kugel in den Bauch, was die Kompanie um ihn herum mit einem wütenden Aufschrei in ihren Reihen quittierte.
»Der Hauptmann ist tot. ... Hauptmann ist tot. Den Chef hat's erwischt!«
Ein Bauchschuss in einem Kampf mitten in Feindesland und weit weg von ärztlicher Versorgung war meist ein Todesurteil. Die Legionäre feuerten aus allen Rohren. Sie mochten ihren Hauptmann und die Nachricht von seinem vermeintlichen Tod erfüllte sie mit Hass aber auch mit neuem Kampfgeist. Eine Angriffswelle nach der anderen fiel über die Legionäre her. Der Vietminh schien entschlossen, den Friedhof dem Erdboden gleich zu machen. Einige Kilometer weiter nördlich sah der Chef der zweiten Kompanie auf seine Uhr. Die Sonne war längst aufgegangen und seit sie Phuoc Long am frühen Morgen verlassen hatten, gab es von der ersten Kompanie keine Nachricht. Als er, fast gegen seinen Willen, weitermarschieren wollte, erreichte ihn der verzweifelte Funkspruch. Die Worte waren abgehackt, kaum verständlich wegen des anhaltenden Gefechtslärms im Hintergrund.
... alle Einheiten. Benötigen sofortige Unterstützung. Hauptmann ist schwer verwundet oder tot. Macht schnell!
Der Chef der zweiten Kompanie traf seine Entscheidung ohne darüber nachzudenken, ja er verzichtete sogar darauf, seinen Befehl über Funk zu geben, sondern brüllte in den Regen, was das Zeug hielt.
»Kompanie herhören, neue Situation. Die Erste sitzt in der Patsche. Alles kehrt, Direktion Phuoc Long. Formation wie gehabt, marsch, marsch ... et que ça drop le Djebel. Feuereröffnung sobald feindliche Elemente als solche erkannt werden.«
Jeder wusste, was zu tun war. Als sie sich den Stellungen der ersten Kompanie näherten, gab es für die Legionäre kein Halten mehr.
»Angriff!«
Das Wort wurde von jedem Mann wiederholt, die Angriffsformation eingenommen und ein mit aller Härte geführtes Sturmschießen begann. Gnadenlos rückten die Legionäre vor, räucherten ein Nest der Vietminh nach dem anderen aus, erwarteten keine Gnade und gewährten diese auch nicht.
Das Feindfeuer kam ins Stocken und hier und da begannen die Viéts vor den entschlossenen Paras der Legion zu flüchten. Die dritte Kompanie reagierte ähnlich, zwang den völlig überraschten Viéts Kämpfe auf, denen diese bald den Rücken zukehrten, so schnell, brutal und effizient wurden sie von den Legionären angegriffen.
Aus Jäger wurden Gejagte.
Die Legionäre verfolgten die Viéts weit bis über die Grenzen des Dorfes hinaus, schossen auf alles, was sich ihnen entgegenstellte, rächten fünf Tote und fünfundzwanzig Verletzte. Capitaine Caillaud sowie einer seiner Legionäre, dem eine Kugel die Brust durchschlagen hatte, bekamen die letzte Ölung, doch kurioserweise wollte weder der Hauptmann noch sein Soldat das Zeitliche segnen. Beide überlebten.
Pour ce destin de chevalier, Honneur, Fidélité, Nous sommes fiers d'appartenir, au 2 ème BEP - Für unser Los der Tapferen Ehre, Treue. Sind wir stolz, dem 2. BEP anzugehören.
Januar, 1950 - China und Russland erkennen Ho Chi Minhs
Demokratische Republik Vietnam an.
Ba-Cum
… auf Leben und Tod. 01. April, 1950. Region Mekong Delta. Tra-Vinh. Auch am 01. April 1950, genau an dem Tag also, an dem Karlheinz Montag zum caporal befördert wurde, schrieben die Fallschirmjäger der Fremdenlegion Geschichte. Ba-Cum, mitten im Mekong Delta nur etwa vierzehn Kilometer östlich des Bassac Flusses und dreißig Kilometer südlich von Tra-Vinh, war an diesem Tag des Schauplatz heftig geführter Kämpfe. Die zweite Kompanie unter dem Befehl des Leutnant Cabiro, seit einigen Tagen in diesem Sektor an Operationen ohne Ende beteiligt, schickte sich an, ihre Zelte abzubrechen um das Basiscamp am Flughafen Than-Son-Nhut in Saigon wiederzufinden. Das Schicksal meinte es anders. Schüsse, niemand wusste das besser als die Legionäre, hörten sich auf größere Distanz an, wie das Knacken trockener Äste.
»Gewehrfeuer«, stellte Cabiro nüchtern fest.
»Nördlich von hier«, bestätigte sein Funker. Rauchend saß er mit nacktem Oberkörper im Schneidersitz neben dem Funkgerät. »Würde mal sagen zwei Kilometer.«
Nur drei Minuten später stand Leutnant Cabiro vor dem Oberst, dem seine Kompanie taktisch unterstand. Cabiro wusste sehr wohl, dass etwa eine Stunde vorher nur zwei Kompanien des Marschbataillons (Bataillon de Marche d'Extrême Orient) genau in die Richtung aufgebrochen waren, aus der nun die Schüsse kamen. Es gab gar keinen Zweifel: Diese beiden Kompanien lieferten sich ein Feuergefecht mit dem Vietminh.
Es wird verlegt
Kämpfe im Delta
Entweder hatten sie einen Feind aufgeklärt und angegriffen oder, was wahrscheinlicher war, sie sind in einen Hinterhalt geraten. In dem Fall war Eile angesagt.
»Kommt gar nicht in Frage«, donnerte die Stimme des Obersten. »Ihre Kompanie bleibt. Erstens liegen mir keine Berichte über einen Kampf vor und zweitens wäre dann niemand mehr hier, der den Stab vor einen Angriff schützen könnte. Vielleicht will der Vietminh ja genau das: Uns herauslocken. Ihre Kompanie wird hier gebraucht, sie dürfen wegtreten, Leutnant.«
Ohne seine Verärgerung offen an den Tag zu legen, grüßte Leutnant Cabiro vorschriftsmäßig und kehrte zu seinem Befehlsstand zurück, wo er bereits von seinem Funker und einem Leutnant der CRABES (Amphibienfahrzeuge) einer Eskadron des 1. REC empfangen wurde. Die beiden kannten sich, waren alte Freunde. Die Backen des Funkers glühten vor Aufregung.
»Leutnant. Die zwei Kompanien des Marschbataillons liegen in einem Hinterhalt. Sie brauchen sofort Unterstützung. Der Stimmen ihrer Chefs nach, geht es dort richtig heftig zu.«
Ostentativ hielt er den Hörer des Funkgerätes in die Höhe. Leutnant Cabiro begrüßte seinen Freund, den Leutnant der Eskadron mit einem kräftigen Handschlag.
»Ba-Cum«, stieß er hervor. »Wenn die Hälfte meiner Kompanie auf deine CRABES aufsitzt, wie schnell kannst du uns dorthin bringen?«
Der Leutnant des 1. REC musterte Cabiro genau. Er kannte den Ausdruck in dessen Gesicht. Mehr als Sorge und Entschlossenheit war darin nicht zu finden … höchstens noch eine Spur Dickköpfigkeit und Durst auf ein Bravourstück seiner Einheit. Leutnant Cabiro war ein Mann der Tat, keiner, der seine Männer sinnlos verheizte oder von ihnen Dinge erwartete, die er selbst nicht zu geben bereit war. Auch deswegen mochten ihn die Legionäre.
»Zehn Minuten. Weiß der Oberst von deinem Plan Bescheid?«
»Er wird es früh genug erfahren«, entgegnete Cabiro und gab Befehl seine Kompanie unverzüglich aufsitzen zu lassen. Wer auf den Fahrzeugen keinen Platz fand, rannte zu Fuß hinterher, so einfach war das. Es ging um Leben und Tod. Ba-Cum, in dessen Umfriedung der Kampf tobte, war eine erhöht liegende Ortschaft mit mehreren in sich geschlossenen Zellen, jede davon hervorragend zur Verteidigung geeignet. Um das Dorf vor Angreifern zu schützen, hatten die Bewohner es mit einer breiten Bambuspalisade umgeben und etwa zwei Meter hohe Stellungen aus Morast und Dreck aufgeschüttet. Die Palisade war ein bedrohlich aussehendes Bollwerk aus Bambusspitzen, die im Feuer gehärtet und mit Kot beschmiert eine ernst zu nehmende Gefahr für jeglichen Angreifer darstellten. Umgeben von Reisfeldern, die jedoch ziemlich trocken lagen zu dieser Jahreszeit,