SAVANT - Flucht aus Niger 3. Michael Nolden

SAVANT - Flucht aus Niger 3 - Michael Nolden


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unmilitärisch aufgereihten Gruppe Targi vorbei.

      »Ich gehe ihnen nach. Antoine, pass du ...« Auf Zehenspitzen haste ich den beiden ungleichen, selbst ernannten Anführern hinterher, einen Daumen auf dem Sicherungshebel des Gewehrs. Mein Freund, viele Meter weit zurückgeblieben, ruft meinen Namen. Vergeblich. Die Geisterfrau ist mal wieder Hals über Kopf unterwegs! Die vorauslaufenden Männer führen mich ein Stück seitlich der groben Fahrstrecke entlang. Keine fünfzig Meter von dem Trupp Targi entfernt erkenne ich etwas oberhalb unseres Weges, dass wir uns die ganze Zeit durch ein ausgetrocknetes Flussbett bewegt haben. Kaum habe ich das gedacht, werde ich zu Boden gerissen.

      »Da!« Ein Wispern ertönt von rechts.

      Wo das ehemalige Ufer ansteigt und in eine weite, schier endlose Ebene übergeht, senken sich zwei unförmige, gewaltige Schatten nieder.

      Geduckt wie ein Raubtier behält sie Samir bei jeder ihrer Bewegungen genauestens im Auge.

      Langsam drehen sich die Rotoren. Wir sind nah genug, damit der Luftstrom uns erreicht. Sand weht davon und prasselt überall herab. Wir hören mehr, als wir sehen, wie sich eine Luke öffnet. Eine Person springt reichlich ungelenk aus dem nächstgelegenen Hubschrauber.

      Ich höre ein Stöhnen, vor Schmerz, der Schattenriss eines dünnen Mannes knickt auf Hüfthöhe ein und hält sich ein Knie. Jemand flucht auf Englisch. Was – für Stümper, will ich sagen.

      Es ist dieser Moment, in dem Forbach einfach wie der armseligste Hilfssoldat aufspringt und in das folgende Fluchen hineinbrüllt.

      Samir schlägt dem Franzosen mit der flachen Hand auf den Rücken, kann aber Forbachs fliegenden Start nicht verhindern.

      Wild winkend rennt der Franzose auf den Fremden vor dem Hubschrauber zu und schreit wiederholt einen Namen. »Alan! Alan! Du gottverdammter fluchender Hurensohn! Alan! Hier sind wir!«

      Samir keift dem ungehorsam wegrennenden Forbach in Tamasheq hinterher. Voller Zorn geführt saust seine Faust in einen Sandhaufen nieder.

      Eddie erhebt sich, das Gewehr über der Schulter. »Sind das die Guten?« Blanker Unglauben spricht aus seinen Worten.

      Derweil fällt der Franzose diesem Alan in die Arme. Der Franzose jauchzt.

      [Eddie Trick]

      Sie haben sich kein Zimmer genommen! Mich hätt's nicht gewundert, hätten sie's getan! Das Wiedersehen der beiden war doch arg innig, und heutzutage geht schließlich alles. Selbst zwischen Engländern und Franzosen. Wäre da nicht ein anderer, der den Kanal voll hat.

      »Mehr passen nicht?« Samir späht enttäuscht in noch die kleinsten Winkel der beiden uralten Transporthubschrauber.

      »Sikorskys«, erklärt der Neuankömmling. Dieser Alan, grauhaarig, very british, hager und braungebrannt wie ein Lawrence von Arabien, hebt entschuldigend die Schultern. »Was Besseres hatte ich nicht zur Verfügung. Nicht auf die Schnelle. Wir mussten alles mit Ersatzkanistern vollstellen. Sonst hätten wir die Strecke nicht gepackt.«

      »Aus Algerien«, brabbelt Bertrand stolz dazwischen.

      Unwillkürlich, weil mir mein französischer Kumpel ein klitzekleines bisschen auf den Sack geht, packe ich mein Gewehr fester.

      »Seien Sie vorsichtig damit«, empfiehlt der Engländer. »Ein falscher Schuss und wir gehen hoch wie eine Rakete.«

      Samir hat seine Männer um die antiquierten Flugmaschinen herum versammelt. »Eine Wagenladung Kämpfer passt in die Hubschrauber. Eine Vorhut. Mehr nicht.« Ungefragt und ungebeten verteilt der Targi seine Leute auf die beiden Laderäume.

      Kurz darauf heben wir ab. Bertrand redet auf Alan ein. Ich glaube, der arme Kerl weiß nicht, wie ihm geschieht. Unter uns quält sich die Wagenkolonne weiter, durch das Flussbett, dann, in einer verschwommenen Bewegung, vor dem fahlen Licht des nahenden Sonnenaufgangs, an einer flachen Stelle, das ehemalige Flussufer hinauf.

      Dieser Alan hört sich Bertrands Bericht an. Dabei zieht er eine Flappe, als würde er fortwährend beleidigt. Oder die Queen. Letzteres geht gar nicht. Ein paar englische Zwischenfragen sind höflicher Natur. Dann darf er von seinen Abenteuern auf dem Weg von Algier hierher erzählen. Nachtflug, denke ich. Den offiziellen Routen ausweichen. Kein Problem, wenn das Bakschisch stimmt. Was soll also das künstliche Gejammer?

      »Die Hubschrauber werden uns bei einem Überfall sehr helfen können.« Samir meldet sich zu Wort, nachdem sich die älteren Herrschaften fertig ausgetauscht haben.

      »Überfall hat er gesagt?« Alans Frage klingt über alle Maßen erschüttert. Nein, das ist kein Lawrence von Arabien!

      »Mehr oder weniger«, erwidert Bertrand. »Eine Kurzfassung ist schwierig. Alan, alter Freund, vielleicht hättest du nicht ...«

      »Ach!« Alan winkt ab.

      »Akokan«, sagt Samir unbeirrt vom schmalztriefenden Miteinander der ältlichen Freunde. »In Akokan, vor Akokan werden wir landen. Von dort ist es nicht weit nach Arlit. Bis die Lastwagen da sind, kundschaften wir aus, ob sich der Junge in Arlit aufhält oder nicht. Wissen wir mehr, greifen wir an. Die Hubschrauber werden ablenken.«

      »Wir geben durch, es handele sich um eine Delegation. Über Funk. Wegen der Unstimmigkeiten, von denen man gehört habe.« Ol' Blue Eyes' eigenmächtiger Gebrauch der Hubschrauber scheint Alan nicht zu gefallen.

      »Aber ...«

      Eine abwehrende Handhaltung Samirs bringt den Engländer zum Schweigen.

      Das müssen sich der Franzose und der Targi im Lkw ausgedacht haben. Hört sich für mich nach einer Wüstenposse an. Ich schaue hinaus in den anbrechenden Tag. Unwirkliches halbweißes Gelb spaltet den blauen Himmel und ergießt sich in der Ferne, in die Richtung, in die wir fliegen, über den Wüstensand. Das wird ein heißer Tag. Ich prüfe den Sicherungshebel. Mehrere Tonnen Treibstoff reihen sich links und rechts des Frachtraums auf. Alan hat sich mächtig aufgespielt mit seiner professoralen Besprechung seines Rückreiseplans unter Berücksichtigung von zig hundert Litern gut brennbarer Flüssigkeiten. Herzallerliebst! Der Umweg übers Gebirge in die Wüste habe die Idee zu den Akten gelegt. Wolle man jetzt noch auf die Tour zurück, müsste erst mehr Treibstoff herbeigeschafft werden.

      »Bereit, Mr. UNO?« Samir hat meine vergeistigte Haltung ausgenutzt und sich klammheimlich neben mich gehockt. »Bereit für den Kampf?« Sanft, fast zart nimmt er mir das Gewehr aus den Händen. Der Sicherungshebel hat sich wie durch Zauberhand auf Feuerstoß gestellt. Eine Daumenbewegung Samirs stellt wieder F wie Frieden ein. »Besser so«, sagt er, ohne das gemeine Lächeln in seinem Gesicht zu verlieren.

      [Nathalie Pagnol]

      »Zwei Hubschrauber sind sowieso einer zuviel. Sehen aus wie Militär«, hat Samir gesagt. Bevor Arlit und Akokan in Sichtweite kamen, hat der Targi die Landung befohlen.

      Der Engländer hat sich kurz darauf sehr unangenehm bemerkbar gemacht. Seine Zurückhaltung war typisch englisch. Dafür war die Arroganz ebenso englisch durchsetzungsfreudig. So hat er auf Bertrand Forbach eingeredet und schließlich mit einer elisabethanischen Endgültigkeit verkündet, er werde seine Hubschrauber keinem kostümierten Halbwilden zur Verfügung stellen. Immerhin kam die Gegenrede auf Englisch. Aber ich fürchte, Samir hat genug davon verstanden. Seine Hand glitt zu einem beängstigend auffälligen Krummdolch.

      Doch ich muss fast ein wenig beeindruckt gestehen, dass dieser Alan den britischen Imperialisten bis zur Vollendung verinnerlicht hat, denn er ließ mit keinem Wimperzucken erkennen, ob er die Drohung des Halbwilden ernst nahm oder nicht.

      »Nein, Bertrand, nein!« Alan zeigt auf Samir. »Was will er machen, wenn ich nein sage? Kann er einen Hubschrauber fliegen? So einen Sikorsky?«

      Überraschend – für alle Anwesenden – richtet Forbach sein Gewehr auf den Engländer und zerstört so wahrscheinlich die Freundschaft, derer er sich eine Stunde zuvor gegenüber Eddie noch gebrüstet hat.

      Das Gesicht Alans spricht Bände. Er faltet die Hände vor dem Mund.

      »Wir brauchen


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