Englische Märchen in deutscher Sprache. Anna Kellner
der Königin.
Am folgenden Tage begleitete die Königin das
Mädchen zur Hühnerfrau. Als Anne diesmal den Dekkel
vom Topf abhob, fiel ihr hübscher Kopf ab, und
statt dessen saß der Kopf eines Schafes auf ihren
Schultern. Die Königin war nun zufrieden und gieng
nach Hause.
Ihre Tochter Kate aber nahm ein feines Linnentuch
und hüllte den Kopf ihrer Schwester darein, dann ergriff
sie ihre Hand, und sie giengen zusammen fort,
um ihr Glück zu suchen. Sie wanderten weiter und
immer weiter, bis sie zu einem Schlosse kamen. Kate
klopfte an und bat um ein Nachtlager für sich und
eine kranke Schwester. Sie traten ein und sahen, dass
sie sich in einem königlichen Schlosse befanden. Der
König hatte zwei Söhne, von denen der eine todtkrank
war, aber Keiner wusste, was ihm fehlte.
Seltsam war, dass, wer immer eine Nacht bei ihm
wachte, für immer verschwand. So bot denn der
König jedem, der bei ihm aufbleiben wollte, eine
Metze Silber an. Kate war ein sehr tapferes Mädchen,
sie erbot sich also, bei ihm zu wachen.
Bis Mitternacht gieng alles gut. Als die Uhr zwölf
schlug, da stand der kranke Prinz auf, kleidete sich an
und schlüpfte die Treppe hinunter. Kate folgte ihm,
aber er schien sie nicht zu bemerken. Er gieng in den
Stall, sattelte sein Pferd, rief seinen Jagdhund und
sprang in den Sattel; Kate saß hinter ihm auf. So ritten
die Beiden durch den grünen Wald, und Kate
pflückte im Vorbeireiten Nüsse von den Bäumen und
that sie in ihre Schürze. Sie ritten immer weiter, bis
sie zu einem grünen Hügel kamen. Da zog der Prinz
die Zügel an und sagte: »Thu' dich auf, thu' dich auf,
grüner Hügel, und laß den jungen Prinzen ein und
sein Pferd und seinen Hund.« Da fügte Kate hinzu:
»Und das Mädchen hinter ihm.«
Sofort that sich der grüne Hügel auf, und sie gin-
gen hinein. Der Prinz trat in eine hellbeleuchtete,
prächtige Halle ein, da umringten ihn viele Elfen und
führten ihn zum Tanze. Kate hatte sich unbemerkt
hinter der Thür versteckt. Da sah sie wie der Prinz
tanzte und immerfort tanzte und tanzte, bis er nicht
mehr weiter konnte und auf ein Ruhebett niedersank.
Dann fächelten ihn die Elfen, bis er sich wieder erheben
und weitertanzen konnte. Endlich krähte der
Hahn, da beeilte sich der Prinz, wieder aufzusitzen,
Kate sprang hinter ihm auf das Pferd, und sie ritten
heim.
Als die Morgensonne aufstieg, fand man Kate beim
Kaminfeuer sitzen, wo sie ihre Nüsse knackte. Sie
sagte, der Prinz hätte eine gute Nacht gehabt, sie
würde aber nur dann auch die folgende Nacht bei ihm
aufbleiben, wenn sie dafür eine Metze Gold erhielte.
Die zweite Nacht verging wie die erste. Um Mitternacht
erhob sich der Prinz und ritt zu dem grünen
Hügel zum Feenball, und Kate begleitete ihn und
pflückte Nüsse, als sie durch den Wald ritten. Diesmal
bewachte sie den Prinzen nicht, denn sie wußte,
er würde tanzen und immerfort tanzen. Sie sah ein Elfenkind
mit einem Stabe spielen und hörte, wie eine
der Elfen sagte: »Drei Schläge mit diesem Stabe würden
Kate's kranker Schwester ihre Schönheit wieder
geben.«
Da rollte Kate Nüsse zu dem Elfenkinde hinüber,
und das that sie so lange, bis das Kind zu den Nüssen
hintorkelte und den Stab fallen ließ. Kate hob ihn auf
und steckte ihn in ihre Schürze. Beim ersten Hahnenschrei
ritten sie wie früher nach Hause, und kaum
waren sie ins Schloß gekommen, so eilte sie zu Anne
und berührte sie drei Mal mit dem Stabe, da fiel der
häßliche Schafskopf ab, und ihre Schwester war wieder
die alte schöne Anne. Die dritte Nacht wollte Kate
nur unter der Bedingung beim kranken Prinzen wachen,
daß sie ihn zum Manne bekomme.
Alles verlief wie in den beiden ersten Nächten.
Diesmal spielte das Elfenkind mit einem Vogel, und
Kate hörte, wie eine der Elfen sagte: »Drei Bissen
dieses Vogels würden den kranken Prinzen wieder so
gesund machen, wie er einst war.« Da rollte Kate alle
Nüsse, die sie besaß, dem Elfenkinde hinüber, bis es
den Vogel fallen ließ. Auch diesen that Kate in ihre
Schürze.
Beim ersten Hahnenschrei ritten sie wieder heim,
aber dieses Mal knackte Kate keine Nüsse, sondern
rupfte den Vogel ab und kochte ihn. Ein köstlicher
Duft drang durch das Zimmer. »Ach!«, sagte der
Prinz, »ich möchte so gern' ein Stückchen von diesem
Vogel essen!«
Da gab ihm Kate einen Bissen, und er stützte sich
auf den Ellbogen. Dann rief er wieder: »Ach, wenn
ich doch noch einen Bissen von dem Vogel bekäme!«
Da gab ihm Kate wieder ein Stückchen, und er
setzte sich im Bette auf. Dann sagte er wieder: »Ach,
ich möchte so gern noch ein einziges Stückchen von
dem Vogel!«
Da gab ihm Kate den dritten Bissen, und er war gesund
und stark und stand auf und kleidete sich an und
setzte sich an das Kaminfeuer. Und als die Leute am
nächsten Morgen eintraten, fanden sie Kate und den
jungen Prinzen damit beschäftigt, Nüsse zu knacken.
Inzwischen hatte sein Bruder Anne gesehen und
sich in sie verliebt, wie Jeder, der ihr schönes, süßes
Gesicht sah. So heirathete der kranke Königssohn die
gesunde Schwester, und der gesunde Sohn heiratete
die kranke Schwester, und sie lebten alle glücklich bis
an ihr seliges Ende.
Jack, der Riesentödter.
Zur Zeit, als König Arthur regierte, da lebte in der
Grafschaft Cornwall,