Von den Göttern verlassen III. Sabina S. Schneider

Von den Göttern verlassen III - Sabina S. Schneider


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      Eine Vision durch Flammen? Sie hatten es mit jemand Mächtigem zu tun. Visionen durchs Feuer zu erzeugen, war ein schwieriges Unterfangen, hatte Halif gelesen, und nur wenige meisterten diese Kunst.

      „Was geschah danach?“

      „Danach? Danach habe ich ihn gefunden, seine Freunde vergiftet und ihm ein Gegenmittel geboten, wenn er ohne Zickereien mitkommen würde. Bei Larons Tochter hatte das Gift aus irgendeinem Grund nicht gewirkt. Darum habe ich beide mitgenommen und sie getrennt, um mich ein wenig mit unserer Serena alleine zu unterhalten. Dabei stellte sich heraus, dass unsere süße Schwangere die Tochter unseres geliebten Bruderherzes ist, ganz nach ihrer Großmutter kommt und auch ein Faible für Prinzen hat.“

      „Und dann?“, fragte Haril. Ihm lief die Zeit davon. Jede verschenkte Sekunde spielte dem unbekannten Feind in die Hände.

      „Dann habe ich ihr erzählt, wo sich Laron befand“, sagte er.

      „Du wusstest, wo er war?“, fragte Halif.

      „Ich weiß alles, was in diesem Königreich vor sich geht und wo sich jeder befindet.“

      Halif zog die Augenbrauen hoch und blickte zur Seite.

      „Richtig! Ich wusste, wo jeder war, außer dir. Du hast es immer wieder geschafft, wie ein Aal meiner Umklammerung zu entfleuchen. Wo warst du? Wie hast du es angestellt? Ich sehe, du bist unter die Magier gegangen. Nein, nein, bemühe dich nicht, ich weiß, du stellst die Fragen.“ Armirus seufzte tief und fuhr fort: „Er war in Sorifly.“ Als er das leichte Zucken und die Überraschung in Halif Gesicht sah, nickte Armirus: „Du hast also davon gehört.“

      „Gelesen“, erwiderte Halif automatisch.

      „Also davon gelesen.“

      Halif machte sich innerlich auf eine detaillierte Beschreibung des Schreckensgefängnisses gefasst. Doch sie blieb aus.

      „Er war über ein Jahrzehnt in der Hölle. Als wir ihn fanden, war er ein Wrack, eine leere Hülle. Und doch scheint ein Teil von ihm überlebt zu haben.“ In Armirus Stimme klang Bewunderung mit.

      „Ich habe mich dort in einem Jahr verloren“, sagte Armirus. Er lachte leise und verbesserte sich: „Nein, ich habe mich in einem Monat dort verloren. Wie hat er das bloß geschafft?“

      „Du warst ein Kind, als man dich dorthin brachte. Du hattest nichts, an das du dich hättest klammern können“, rutschte es Halif heraus, ehe er sich stoppen konnte.

      Aber auch hier blieb Armirus ruhig und starrte einfach auf die Decke und sagte kaum hörbar: „Auch nachdem er mir nicht geholfen hat, als man mich am helllichten Tag wegschleppte, habe ich doch tief im Inneren daran geglaubt, dass er kommen und mich retten würde.“

      Halif hatte schon immer die Hartnäckigkeit seines Bruders bewundert. Aber dass sie so weit reichen würde, hatte er nicht gedacht.

      „Danach?“, drängte Halif nach einer Weile.

      „Danach? Danach sind wir zurück nach Tarahalm und haben uns auf den Weg hierher gemacht.“

      Halif konnte fühlen, dass da noch viel mehr war. Über das Wichtigste hatten sie noch nicht gesprochen: Warum hatte sich Armirus der Gruppe angeschlossen? Als er die nächste Frage stellte, wiederholte Halif im Geist einen Wahrheitszauber.

      Noch ehe Armirus wusste, wie ihm geschah, erzählte er aus der Tiefe seiner Seele: „Sie ist perfekt. Sie passt besser in meine Position als Mikhael. Sie ist mächtig und furchtlos. Sie ist wie Laron. Ich werde sie und ihr Kind dazu benutzen, alle das Fürchten zu lehren. Nie wieder werde ich Angst haben müssen. Sie muss an meiner Seite bleiben, an die Spitze der Bande gehört Serena. Weil ich ihre Schwäche kenne und keine Skrupel habe sie zu benutzen, wird sie mir gehorchen. Durch sie werde ich Laron vernichten. Ihn aufbauen und ihm dann das nehmen, was ihn durch die Hölle gebracht hat: seine Tochter.“

      Armirus Augen waren glasig und auf die Decke gerichtet.

      Halif hörte in Armirus Stimme einen Doppelklang, als würde jemand anderes durch ihn sprechen. Der Gedanke war ehrlich, entsprang der Wahrheit. Aber die Wurzel kam woanders her.

      „Bingo!“, schallte es wieder in Halifs Gedanken und er bohrte nach, „seit wann hast du diesen Wunsch?“ Halif verstärkte das Netz, in dem sich alle Lügen verfingen und das nur die Wahrheit durchließ.

      „Seit ich sie gesehen habe: ihre Macht. Seit ich gesehen habe, wie sie in Sorifly Mauer um Mauer mit ihren Händen niedergerissen hat.“ In Armirus Stimme klang Angst mit.

      „Wovor hast du Angst?“, fragte Haril.

      „Jetzt, wo es Sorifly nicht mehr gibt, vor nichts mehr. Sie können mich nicht mehr einsperren. Kein normales Gefängnis kann mich halten.“

      „Du hast vor niemandem Angst?“, bohrte Halif nach und verstärkte seinen Druck.

      „Vor niemanden!“ Schweiß trat auf seine Stirn, als er atemlos rief: „Vor ihr, vor ihm!“

      „Vor wem genau? Vor was genau?“

      Tiefe Furchen zerklüfteten Armirus feuchte Stirn: „Ich habe Angst. Ich will nicht ... Ich will ihm nicht wieder vertrauen. Er wird mich wieder verraten. Ein weiteres Mal überlebe ich nicht.“

      „Wer ist sie, die du fürchtest?“ Halif ließ nicht locker.

      „Sie ist wie er, wie ihr Vater. Charismatisch. Sie zieht die Menschen an und fesselt sie an sich. Ich will sie an mich binden. Egal, wie! Sie darf mich nicht verlassen, nicht wie er es getan hat.“

      Halif verstand und empfand Mitleid. Sein Bruder hatte Angst vor Nähe, weil er den Verlust nicht ertragen könnte.

      „Was ist mit ihrem Kind?“

      „Es ist mächtig. Ich will es haben und zu meinem machen.“

      „Warum? Wozu willst du es benutzen?“

      „Ich will, dass es die Gesetzlosen anführt.“

      „Wozu willst du es benutzen?“, fragte Halif eindringlich und verstärke weiter den Druck auf den Geist seines Bruders.

      Armirus zitterte und mit einer tiefen, dunklen Stimme, die nicht seine war, schrie er, während er sich aufbäumte: „Es soll die Welt vernichten. Diese verdorbene, zum Tode verurteilte Welt. VERNICHTUNG!“

      Auch Halif lief nun der Schweiß über das Gesicht und er ließ den Geist seines Bruders frei. So viel Wahnsinn!

      Armirus kauerte sich zusammen und sagte immer wieder: „Feuer! Feuer ... Stimme aus den Flammen. Augen aus den Flammen.“

      Halif legte einen Beruhigungszauber über Armirus und einen Schleier des Vergessens. Er hatte in diesen Gemäuern viel gelernt.

      Sein Bruder kam wieder zu sich und blickte ihn mit großen Augen an.

      Halif fuhr fort: „Was geschah nach Tarahalm?“ Argwöhnisch beäugte Armirus seinen Halbbruder, antwortete jedoch wahrheitsgetreu.

      Halif hatte gelesen, dass nach der Anwendung von Wahrheitszaubern die Wirkung einige Zeit anhielt und das Objekt des Zaubers lange danach noch dazu tendierte, die Wahrheit zu sagen.

      „Wir haben uns über das Morphirium Kloster informiert und uns dann auf die Reise begeben. Es war wie verflucht. Als wollte uns etwas vom Kloster fernhalten. Wir wurden immer wieder überfallen, von Unwettern verfolgt und von Sturmböen tagelang in einer Höhle gefangen gehalten und sind schließlich auch Nordseveren begegnet.

      Da ist es dann passiert. Die Kleine hatte sich den Severen entgegengestellt und selbst als der letzte vom Erdboden verschlungen war, nicht aufgehört. Sie hatte sich in dem Machtrausch verloren und wir haben sie nur mit Mühe da wieder herausbekommen. Als sie einmal die Luft um uns herum erwärmte, bekam sie diesen glasigen Blick und aus Wärme wurde Hitze.

      In Kilometerentfernung schmolz der Schnee um uns herum, bevor sie sich wieder fangen konnte. Doch wenn sie keine Magie einsetzte, wurde es schlimmer.


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