Sky-Troopers 2 - Die Beutewelt. Michael Schenk
„Was ist hier los?“, rief einer der aufgeregten Matrosen.
„Bestimmt die verdammten Schniefer“, fluchte ein anderer. Die Männer und Frauen der Besatzung hasteten zu ihren Gefechtsstationen, ohne dass ein Alarm gegeben werden musste. Jones sah Kapitän Malter aus seiner Kabine treten. Trotz der Aufregung in atemberaubender Ruhe, gerade so, wie es sich für einen Offizier gehörte. Unwillkürlich verlangsamte auch Jones seinen Schritt.
„Die Unruhe des Offiziers beunruhigt die Mannschaft“, sinnierte er halblaut.
Auf der Brücke hatte Venloe sein Fernglas vor Augen. „Nichts zu sehen“, brummte er leise.
Malter betrat die Brücke, trat ruhig neben seinen Ersten Offizier. „Was ist los, Erster?“
Venloe blickte zu einem Matrosen hinüber, der sich über die Reling beugte und ins Wasser starrte. Jones sah, dass der Mann sich durch eines der Enternetze gezwängt hatte und von einer Matrosin festgehalten wurde. Der Mann besaß Mut und hing sehr weit über die Bordwand. Jones hörte den halblauten Ruf der Frau.
„Etwas unter dem Rumpf, Kapitän. Direkt unter uns.“
„Gefällt mir nicht. Scheinen aber keine Schniefer zu sein.“ Malter überlegte. „Es ist auch nichts Hartes, sonst kämen stärkere Geräusche durch. Schätze, wir haben es mit etwas Organischem zu tun. Wir brauchen Gewissheit, Venloe.“
„Die Taucher, Kapitän?“
„Die Taucher“, bestätigte Malter. „Schicken Sie zwei Mann runter. Sie sollen nach dem Rechten sehen und sich auf nichts einlassen.“
Minuten später traten zwei der Kampftaucher an die Reling. Jones hörte ein sanftes Plätschern, als sich die dunklen Gestalten ins Meer gleiten ließen. Trotz der Nacht konnte man ihre Silhouetten im Licht der beiden Monde unter Wasser gut erkennen. Schon nach zwei Minuten kehrten die beiden zurück. Wasser tropfte auf den Boden der Brücke, als der eine von ihnen dem Kapitän Meldung machte.
„Ist ein Langwal, Kapitän. Ziemlich großer Bursche. Liegt direkt unter dem Rumpf und klopft mit seinen Tentakeln unter das Vorderschiff.“
„Brunftverhalten“, knurrte Venloe. „Der hält uns für ein paarungswilliges Weibchen.“
Jones sah, dass sich Malters Mundwinkel zu einem schwachen Lächeln verzogen. „Da werden wir ihn enttäuschen müssen. Irgendwann wird er es ja von selbst merken und sich verziehen, aber so lange können wir nicht warten.“
„Die Propeller, Kapitän“, meinte Venloe nickend.
„Richtig. Die Gefahr, dass er eines der Propellerblätter beschädigt, ist zu groß. Nun gut, erschrecken wir den Burschen ein wenig. Rudergänger, Maschine starten und Propeller in Betrieb nehmen. Zweihundert Touren rückwärts auf rechten Bug.“
„Zweihundert Touren rückwärts auf rechten Bug“, bestätigte die Frau am Steuerruder. Sie drückte einen Knopf, der den Maschinisten im Maschinenraum ein Signal gab.
Jones hörte den Knall, mit dem die Maschine zündete. Für einen kurzen Moment wurde die Brücke erhellt, als eine Funkengarbe aus dem Schornstein fuhr.
„Da werden die Schniefer sich aber freuen“, knurrte Venloe leise.
„Über defekte Propeller noch mehr“, entgegnete Malter.
Brummend fuhren die Turbinen an. Sie hörten es unter dem Heck rauschen, als die Propeller das Wasser zu peitschen begannen. Ein Ruck ging durch den Kreuzer, als sich die Blaubanner-Schwert unter dem Druck von Antrieb und Steuerruder etwas auf die Seite legte und den neuen Kurs aufnahm.
„Zweihundert Touren und rechter Bug liegen an, Kapitän“, meldete die Rudergängerin.
Die See am Heck schäumte, als das Schiff sich entgegen dem Druck der Segel plötzlich rückwärts bewegte, aber Jones erkannte, dass es keine andere Möglichkeit gab. Hätte die Schwert vorwärts beschleunigt, wäre sie über den Wal hinweggefahren und würde sich möglicherweise die Propeller beschädigen.
Ein leichter Schlag ging durch das Schiff und der Matrose, der immer noch seitwärts über der Reling hing, zog sich blitzartig an Deck zurück. „Schiff ist frei, Kapitän. Der Bulle ist ziemlich sauer.“
„Na, wer wäre nicht frustriert, wenn sich die Liebste verweigert?“, flüsterte Maria im Dunkel der Brücke.
„Maschine aus, Ruder mittschiffs auf altem Kurs“, befahl Malter.
Die Rudergängerin bestätigte. Das Brummen der Turbine und Rauschen der Antriebspropeller verstummte.
„Nachtdunkel und Ruhe“, ordnete Kapitän Malter an. „Venloe, übernehmen Sie wieder.“ Etwas leiser fügte er hinzu: „Halten Sie die Augen offen, Erster. Das eben war ziemlich auffällig, falls Schniefer in der Nähe sind.“
Venloe erwiderte etwas, das Jones nicht verstand und Malter verließ die Brücke.
„Muss ich auch frustriert sein?“, flüsterte Jones fragend in Marias Ohr.
Maria kniff leicht an eine bestimmte Stelle. „Na los, du Bulle“, erwiderte sie leise.
„Nachtdunkel und Ruhe“, rügte Venloe leise und sah zu, wie die beiden die Treppe in den Rumpf des Kreuzers hinuntergingen. Dann erlaubte er sich ein leichtes Lächeln.
Kapitel 4
Direktorats-Flottenbasis Arcturus, im Orbit um die Sonne Arcturus,
36,7 Lichtjahre vom solaren System entfernt.
Während Joana in ihrer Liftkabine nach oben glitt, spürte sie, wie die Schwerkraft fast unmerklich nachließ. In den Anfängen der Raumfahrt waren Rotation und Fliehkraft zur Erzeugung künstlicher Schwerkraft genutzt worden. Seit über hundert Jahren benutzte man hierfür die Schrieber-Aggregate, die, im Zusammenhang mit den Schrieber-Platten, die gewünschte Schwere erzeugten. Dabei bildeten die Platten den Boden eines Decks. Allerdings konnte man nicht jede Ebene mit diesen Platten versehen, denn die Schrieber-Schwerefelder benötigten Abstand zueinander, um sich nicht gegenseitig aufzuheben. Auch ließ die Schwerkraft, mit zunehmender Entfernung zu den Platten, allmählich nach. Während in der Einkaufspassage der Arcturus-Basis eine Schwerkraft von knapp einem Gravo bestand, was dem Normalgewicht auf der Erde entsprach, verringerte sich dies in der obersten Ebene des gewaltigen Diskus auf 0,76 g. Dies galt für die obere „Schale“ der Basis und, in genau umgekehrtem Sinn, auch für die untere, denn das Schrieber-System wirkte gleichermaßen nach oben und unten. In einer riesigen Station wie der Flottenbasis machte sich das bemerkbar, während diese Eigenheit in Raumschiffen normalerweise keine Bedeutung besaß. Sie verfügten nicht über solche Abmessungen, und wenn man in ihnen Aggregat und Platten im untersten Deck montierte, genoss die Besatzung ein normales Empfinden der Schwere und von „oben“ und „unten“. Inzwischen war die Nutzung von Schriebers Erfindung derart in den Alltag der Raumfahrt eingebunden, dass sich kaum noch jemand Gedanken darüber machte. Dies galt auch für Joana, die das Gefühl der „Leichtigkeit“ registrierte, deren Gedanken aber bereits dem bevorstehenden Treffen mit ihrem Vater galten.
Sie befand sich schon seit etlichen Monaten auf der Basis, dennoch kannte sie nur einen Bruchteil von ihr. Vom großen Hangar, über die Einkaufspassage, bis hin zur kleinsten Abstellkammer, gab es über hundertzwanzigtausend verschiedene Räume. Von den über vierzigtausend Menschen, die sich derzeit hier aufhielten, gehörten nur fünftausend zur Stammbesatzung, und selbst diese mussten immer wieder die Hilfe ihrer Implants in Anspruch nehmen. Es gab hartnäckige Gerüchte über ganze Arbeitertrupps aus der Bauzeit der Station, die sich einst verlaufen hatten und deren Überreste noch nicht gefunden waren.
Obwohl Arcturus als die Hauptbasis der Direktoratsflotte galt, gehörten nur zweitausend Männer und Frauen zur militärischen Besatzung. Bei der Hälfte handelte es sich um Techniker und Wartungspersonal. Fast die doppelte Anzahl an Menschen