Sich selbst treu geschrieben. Robin Krause

Sich selbst treu geschrieben - Robin Krause


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nur dass jetzt in prunkvollen Sälen mit Kronleuchtern anstelle von brummenden Neonröhren und mit Lackschuhen, Manschettenknöpfen und Zigarre gefeiert wurde und dass sie bei dem, was sie jetzt taten richtig viel Geld verdienten, von dem sich allerdings größtenteils andere die Taschen füllten. Die Verträge der Beatles waren für sie selbst nicht sehr lukrativ, denn sie partizipierten zu Beginn ihrer Karriere nur zu einem geringen Bruchteil von zum Teil nicht mehr als 1% an den enormen Einkünften aus Plattenverkäufen und Merchandise-Artikeln. Man konnte sich keinen Gebrauchsgegenstand ausdenken, der nicht auch als Beatlesvariante hätte erworben werden können, und nicht wenige Kinderzimmer weltweit waren randvoll damit aufgefüllt, wenn nicht sogar vollständig damit ausgestattet. Den Überblick über ihre Finanzen hatten die Beatles nicht im Fokus ihrer Karriere, aber mit der Zeit hinterfragten sie zunehmend die Praktiken ihres Managements und erkämpften sich mit steigender Selbstsicherheit auch hier bessere Konditionen.

      In England hat die Beatlemania für John erst mit dem Verlassen des Landes 1971 geendet, als er zwei Jahre nach dem Ende der Beatles nach New York ging und vorerst nicht zurückkehrte. Dort, in den USA, verebbte die Euphorie nach ihrem letzten Konzert der Beatles 1966 in San Francisco. Sie wollten sich ab diesem Zeitpunkt mehr auf die Studioarbeit konzentrieren und nutzen dort die Zeit, die sie zuvor mit Konzerten verbracht hatten so kreativ, dass man aus heutiger Sicht das Ende ihrer unendlichen Auftrittsserien als eine der besten Entscheidungen ihrer Karriere bezeichnen muss, denn die nun zur Verfügung stehende Zeit hat allen Mitgliedern der Beatles die Möglichkeit gegeben, sich selbst weiter zu entwickeln. Nachdem dies, wie den kommenden Alben zunehmend deutlicher anzuhören ist, zuerst innerhalb der Gruppe stattfand, gingen die Selbstverwirklichungstriebe aller Beatles so weit, dass sie sich später eher bei der Entwicklung behinderten. Ein Ende ihrer Zusammenarbeit als Gruppe wurde absehbar. Die gemeinsame Geschichte und ihre weiterhin bestehende gemeinsame Firma Apple Corps, die sie 1968 gegründet hatten, um die Kunst zu fördern, trug allerdings dazu bei, dass sie sich nie vollständig aus den Augen verlieren sollten.

      3. Strophe – Paul 1

      Es ist sicher so, dass John und Paul sich gegenseitig sehr gut ergänzt haben und dass es ohne Paul die Beatles nicht gegeben hätte. Andererseits war John in seiner Persönlichkeit extrem strebsam, wodurch es vornehmlich seiner Kraft und seinem Enthusiasmus zuzuschreiben ist, dass eine kleine Skiffle-Band aus Liverpool zu Weltruhm aufgestiegen ist. Hätte John ein anderes Temperament gehabt, dann hätte es auch die Beatles nie gegeben, selbst wenn von ihm oder Paul noch so viele schöne Songs geschrieben worden wären. Das soll nicht heißen, dass keiner der Beatles jemals – ohne die anderen kennen gelernt zu haben – Erfolg gehabt haben könnte, aber es hätte sich vermutlich ganz anders entwickelt und wäre niemals so schön gewesen, wie es mit den Beatles war und ist. Selbst Generationen nach der Beatlemainia gibt es unzählige verzauberte Seelen, die in den magischen Bann der Musik dieser fantastischen Band gezogen wird. Es ist ein bisschen schade, dass es irgendwann anscheinend immer zu dem Konflikt kommt, ob John besser ist oder Paul. Viele Beatlefans gelangen zu einem bestimmten Zeitpunkt in ein gewisses Entwicklungsstadium, in dem sie sich plötzlich mit dieser Frage konfrontiert sehen. Die Antwort bleibt jedem selbst überlassen. Zu den Beatles gehören sie beide. Genauso wie Yoko zu John gehört. Ohne sie wären die Beatles vielleicht schon viel eher zerbrochen, weil John sich höchst wahrscheinlich nicht wieder zurück auf sein Leben fokussiert hätte und seine Inspiration stattdessen weiterhin im Niemandsland der Selbstzerstörung gesucht hätte. Es ist gut, dass John 1966 Yoko kennenlernte und sich in sie verliebte. Das mögen zu dieser Zeit viele anders gesehen haben, aber für John war sie die Energie spendende Quelle, die ihm die Kraft gab, sich aus dem Sumpf von Drogen, Aufputschmitteln und Medikamenten wieder an die Oberfläche des Lebens zu kämpfen. Cold Turkey, den Heroinentzug, den hat er sicherlich nur für Yoko durchgestanden und dann auch gleich noch einen Song geschrieben, der einem Urschrei mit bis dahin unbekanntem Sound gleich kommt. Seine Frau Cynthia hatte dabei leider das Nachsehen. Es muss schwer für sie gewesen sein, zudem noch mit einem Kind allein zu Hause, wobei finanziell wohl keine Probleme existiert haben dürften. Aber einen Popstar von der Kategorie Beatle als Mann zu haben und gleichzeitig öffentlich geleugnet zu werden, weil es für einen Beatle eben unschicklich ist, bekannt zu geben, dass er bereits verheiratet ist und ein Kind hat, ist verständlicherweise schwer zu ertragen. Das kommt der Verleugnung der eigenen Person nahe, die Cynthia für ihren John, den sie sicherlich liebte, in Kauf nahm. Aber an solchen Dingen zerbrechen Beziehungen. Für John begann zusammen mit Yoko eine neue Ära. Es war nun alles ganz anders, weil er sich zusammen mit seiner Frau zeigte und niemals wieder von Ihrer Seite weichen wollte. Es wäre sicherlich falsch, dabei von einer Wiedergutmachung zu sprechen, weil es für seine ehemalige Familie so nie empfunden werden konnte, aber vielleicht kann man von einer Lehre aus dem Vergangenen sprechen, dass John so etwas nicht wiederholt sehen wollte. Er wollte Yoko an seinem richtigen Leben teilhaben lassen. Seiner Frau Cynthia und seinem Sohn Julian ist das verwehrt geblieben, aber Yoko sollte es haben. Sie war reif für den Rummel um den Superstar John Lennon, den alle liebten und bewunderten. Seine ehemalige Frau und sein kleiner Sohn Julian mussten dahingegen immer in der zweiten Reihe Platz nehmen. Den Grundstein dafür hat allerdings nicht John, sondern das Management der Beatles gelegt. Niemand würde John noch gut finden, wenn bekannt wäre, dass er eine Ehefrau hätte. Das löste fast schon Panik aus: „Was? John ist VERHEIRATET? Wie konnte das passieren? Warum hat uns davon vorher niemand was erzählt? Das müssen wir vertuschen, sonst sind wir verloren. John, komm mal her, wir müssen mit dir über was reden…“ Cynthia und Julian hatten niemals eine Chance! John war damals noch zu unerfahren und hat entweder falsch reagiert oder sich bei dem damals noch zu sehr dominierenden Management einfach nicht getraut, dagegen anzugehen. Darüber hinaus war er der Anziehungskraft des Erfolges, den die Band gerade vor sich sah, unausgesetzt erlegen, weil er sich so zum Greifen nah anfühlte. Und das, was kommen sollte, war für John, Cynthia und Julian sicherlich der Anfang vom Ende der durch lange Abwesenheitszeiten geschmähten, öffentlich verheimlichten und sicherlich auch vielfach betrogenen Beziehung.

      Yoko bekam die Chance. Sie war der neue Star in Johns Leben. Das Problem war nur, das die Öffentlichkeit das gar nicht so sah: „Wer ist das denn? Was macht die bei unserem Beatle? DIE MUSS WEG. Das passt nicht ins Bild! Wir müssen etwas dagegen unternehmen.“ John ließ sich aber nicht klein kriegen und verteidigte Yoko unentwegt. Da fühlte sich die Last des Ruhmes schwer auf seinen Schultern an. Er hatte es immer so gewollt, von der gesamten Menschheit geliebt zu werden. Und genau das hatte er bekommen! Nun aber, da er Yoko an seinem Leben teilhaben lassen wollte, waren alle gegen seine Freundin. War das noch zu glauben? Er, der Beatle hatte eine Freundin, und alle erlaubten sich, über sie herzuziehen? John sagte sich: „Egal, ich zieh das trotzdem durch, weil ich glaube, dass der Ruhm, zumindest wie ich ihn erlebt habe, gar nicht das Wichtigste ist, was es auf der Welt gibt, und weil ich glaube, dass ich ihn trotzdem nutzen kann, weil ich immerhin ein Beatle bin!“

      Yoko brachte Johns starke Seiten deutlicher in die Öffentlichkeit. Eigentlich hatte er sie schon immer gehabt, aber er setzte sie bis dahin nur unbewusst und unpolitisch ein. Als er behauptete, die Beatles wären populärer als Jesus, zeigte sich bereits die, ihm inne wohnende, potentielle Energie, die nur frei werden wollte. Er versuchte Dinge in einen neuen Zusammenhang zu bringen und war dabei niemand anderes als der kleine John auf der Schulbank, der einfach nur seine Schulkameraden belustigen oder ihnen imponieren wollte. In der Zeit, als sich das Ende der Beatles abzeichnete, war eine Veränderung an John zu bemerken. Er wollte die Beatles eigentlich gar nicht mehr. Er fand es zwar immer noch gut und es war auch eine gewisse Befriedigung dabei, aber er wollte nicht mehr ewig mit Paul über Töne, Einsätze und Akkorde diskutieren müssen. Paul, der nur noch Superballaden einspielen wollte, hatte sich zunehmend in eine andere Richtung entwickelt als John. Sie drifteten hinsichtlich ihrer Interessen und ihrer musikalischen Übereinstimmung auseinander. Das soll nicht heißen, dass sie nicht mehr in der Lage gewesen wären, weiterhin zusammen Musik zu machen. Es ist kein Geheimnis, dass sie miteinander immer und zu jeder Zeit, auch als sie sich schon weit voneinander entfernt hatten, gemeinsam am besten waren. Das sogenannte Roof-Top-Konzert, das sie am 30. Januar 1969 spontan auf einem Dach der Londoner Applezentrale abhielten, zeigt das sehr deutlich. Es gibt auf dem Video, das von dem Konzert existiert, ein oder zwei Momente, die einem Beatlefan das Herz in die Hose rutschen lassen. Das sind die Momente, in denen sich unvermittelt, plötzlich und nur für den Bruchteil eines Wimpernschlags


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