Sich selbst treu geschrieben. Robin Krause
der musste mit alldem zurechtkommen, mit dem er sich gerade beschäftigte. Heute kann man mit Sicherheit sagen, dass seine bedingungslose Beziehung zu Yoko seinen kommerziellen Erfolg als Solokünstler am Anfang eher negativ beeinflusst hat. Andererseits gab es kaum einen Zeitpunkt, in dem er sich außerhalb der Reichweite derjenigen befand, die über ihn und sein derzeitiges Leben berichten wollten.
Hammer, Amboss und Steigbügel sind die drei kleinsten Knochen des menschlichen Skeletts. Sie sitzen im Innenohr und nehmen die Schwingungen des Trommelfells auf, welches wiederum von Schallwellen angeregt wird. Eine Schallwelle ist ein Geräusch und stellt eigentlich nichts anderes dar als eine kleine Bewegung der Luftmoleküle. Die drei genannten Gehörknöchelchen verstärken die Schwingung des Trommelfells und leiten sie auf das ovale Fenster der Hörschnecke weiter, die mit Flüssigkeit gefüllt ist. In dem Schneckenlabyrinth breiten sich die Schwingungen dann als Druckimpulse aus, wo sie kleine Haarzellen in Bewegung versetzen, die auf der Basilarmembran angesiedelt sind. Diese Bewegung der Haarzellen löst über einen, als mechanoelektrische Signaltransduktion bezeichneten Vorgang ein Aktionspotential aus mit dem eine Nervenzelle angeregt wird. Die Geometrie der Hörschnecke erlaubt im Zusammenhang mit der korrespondierenden Breite der in den Schneckengängen aufgespannten Basilarmembran das differenzierte Wahrnehmen von Tönen und Geräuschen in einem für den Menschen charakteristischen Frequenzbereich von ca. 20 bis 20 000 Hz. Nachdem ein Ton dazu geführt hat, dass ein Nervenimpuls ausgelöst wurde, übernimmt das Gehirn die Verantwortung dafür, was mit dieser Information weiterhin geschehen wird. Für die zentrale Datenverarbeitung des Hörens wird sie über die Hörbahn, die ihren Anfang in den Sinneszellen auf der Basilarmembran hat, bis zum auditiven Cortex im Temporallappen des Großhirns geführt. Auf dem Weg dorthin werden bereits Laufzeit- und Intensitätsunterschiede aus den Informationen von beiden Ohren ausgewertet, um z.B. die Lage der Schallquelle zu orten. Diese Form des Hörens läuft bei jedem Säugetier mehr oder weniger in der gleichen Art und Weise ab. Es gibt allerdings mehr als das, was anatomisch und physiologisch beschrieben werden kann. Die Hörbahn ist nichts anderes als ein Tunnel, der das Gehirn mit Geräuschen und Tönen versorgt, die danach jeden anderen Teil dieses mysteriösen Organs anregen können. Das Gehirn denkt, steuert beabsichtigte sowie vegetative Vorgänge und es veranlasst die Ausschüttung von endogenen psychoaktiven Stimulanzien, wodurch sich die verschiedensten Gefühlszustände einstellen können.
Beim Hören von Musik spielt das Ergebnis von Bild- und Sprachverarbeitungsprozessen eine wesentliche Rolle. Musik wird auf zerebraler Ebene wie eine universal verständliche Sprache verarbeitet und kann jedes vorstellbare Gefühl, Erinnerungen, ein Bild oder einen ganzen Film im Kopf des Zuhörenden entstehen lassen. Es reicht aus, die Augen zu schließen und zu lauschen, um ein Feuerwerk auszulösen, dass überall auf der Welt in fast identischer Weise verstanden wird. Dabei scheint es so zu sein, dass bestimmte Kombinationen von Schwingungen zu Tonfolgen, Harmonien und Rhythmen werden, die eine besondere Wirkung aufweisen, weil sie, abhängig von unbekannten Einflüssen, ein Massenphänomen darstellen. Neun von zehn Menschen beginnen plötzlich und unwillkürlich mit dem Fuß zu wippen, wenn die Aufnahme des Torontokonzerts gespielt wird, bei der John blue suede shoes singt. Er und die Beatles trafen den Nerv der Menschen auf eine Weise, wie es nur wenige andere Künstler mit der gleichen Treffsicherheit immer und immer wieder vermocht haben. Das Erstaunliche dabei ist, dass blue suede shoes noch nicht einmal von John komponiert wurde, sondern eine Coverversion ist, die die Beatles bereits zu Hamburger Zeiten im Programm hatten. Wenn man allerdings der Aufnahme aus Toronto genau zuhört, dann kann man eine Zeitreise in die Vergangenheit unternehmen, indem man sich vorstellt, 1960 bei einem Konzert der Beatles in Hamburg anwesend zu sein. John singt genauso enthusiastisch und eindringlich, wie er es schon bei ihren ersten Auftritten im Indra vor einem schonungslosen Publikum von Raubeinen getan hatte. Man hört der Toronto-Version genau das an, was die Beatles schon in den Kellern der Klubs von Hamburg zu einem Geheimtipp für eine neue Generation einer anspruchsvollen Trendsetter-Szene werden ließ.
Ähnliche Eindrücke ihrer damaligen Energie und Leidenschaft kann man erhalten, wenn man sich die von jauchzender Tollerei geprägten Passagen der späteren Beatles-Stücke hey bulldog oder everybody‘s got something to hide exept me and my monkey anhört. John und die Beatles halten in ihrer Musik die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verborgen und erlauben jedem, der dazu bereit ist, auf eine Reise zu gehen alles zu entdecken, was der eigene Geist darin zu erkennen glaubt. Das Gehirn ist der Nerv, der von ihrer Musik stimuliert wird und sie mobilisiert dort Botenstoffe, die das Belohnungszentrum sowie alle weiteren Bereiche, die mit Liebe, Lust und Energie in Verbindung gebracht werden, aktivieren. Es ist dann so, als würde ein uralter Instinkt geweckt, der schon bei unseren Vorfahren dazu geführt hätte, dass sich die Brustmuskulatur anspannt und ihr Bauch vor Freude prickelt. Dieser Stimulus ist so stark, dass John sogar zu scheppernden Mülltonnen singen könnte und immer noch ein ausreichend ausgeprägter Reiz übrig bliebe, um Kunst darin zu entdecken.
Wenn andere Künstler nur einen kleineren Teil der Menschheit zu ähnlichen Emotionen anzuregen vermögen, dann, weil ihre Werke an einen individuelleren Teil in der neuronalen Kette des komplexen Musikempfindungmechanismus gerichtet sind. Sie treffen einen anderen Nerv. Jeder, der die Meinung hat, dass nun genug über die Wirkung von Musik im Zusammenhang mit Glückshormonen geredet worden ist, hat recht. Es sei an dieser Stelle jedem selbst überlassen, das Buch kurz wegzulegen, die alte Platte mit dem blauen Cover und der Wolke darauf aus dem Schrank zu holen und mit geschlossenen Augen die erste Seite von Live Peace in Toronto zu genießen. Wer Yokos Musik mag, kann sich gerne auch die zweite Seite anhören. Viel Spaß bei der Reise, wohin unser bemerkenswerter Verstand sie auch führen mag.
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