"Blutige Rochade". Thomas Helm


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Frau Lydia zeterte zwar gewaltig, übte sich dann jedoch in Einsicht. Zumal zu diesem Zeitpunkt einige Probleme mit den beiden Töchtern aufgetreten waren.

      Baumann und Weiler, als bis dahin eingefleischten Junggesellen lagen derartige Beschwernisse fern.

      Alle Drei verschwanden nach dem Westen, gewöhnten sich an das neue Metier.. Nur zur Währungsunion, im Juli, kamen sie jeder für sich kurz nach Berlin. Um die neuen Finanzen zu regeln.

      Doch erst nach dem Tag der Deutschen Einheit nahmen die Drei erstmals wieder Kontakt zueinander auf. Allen war es gelungen im Westen eine Anstellung in einer privaten Sicherheitsfirma zu bekommen.

       Begierig aber mit unterschiedlichem Erfolg eigneten sie sich umfassende Kenntnisse und die branchenüblichen Besonderheiten an. Die unüblichen, zwielichtigen Gepflogenheiten machten sie sich ebenso zu Eigen.

       Zudem konnten sie nach kurzer Zeit schon Trends und Markttendenzen erkennen.

       Daraus resultierend vereinbarten sie, ihre Jobs zum Jahresende zu kündigen. Anfang Januar Einundneunzig wollten sie mit den Vorbereitungen für eine Firmengründung beginnen. Für die Übergangszeit würden sie sich als »arbeitslos« melden.

       Und genau so verfuhren sie.

      Wieder zurück in Berlin wurde ihr erstes Zusammentreffen in gehobener Stimmung von einem intensiven Erfahrungsaustausch geprägt. Übereinstimmend kamen sie letztlich zu einer wichtigen Erkenntnis:

      Ein Unternehmen in dieser Metier musste dem Kunden das bieten, was er verlangte. Darüber hinaus waren ein seriösen Auftritt und entsprechende Referenzen unabdingbar!

      Horst Weiler machte in Westdeutschland die gleiche Erfahrung, wie Baumann in München.

       Insbesondere Verträge mit Großdiskotheken und den sogenannten Eventveranstaltern ermöglichten zudem die Eröffnung zusätzlicher Geschäftsfelder!

       Denn gerade in diesem Segment war ein nach außen hin perfekt beschützter, stetig wachsender Markt für Suchtmittel zu verzeichnen.

      Wenn es ihnen gelänge dort einzusteigen, würden sie ungeahnte Profite erzielen können. Aufgrund ihrer Erkenntnisse entstand das strukturelle Gerüst einer zukünftigen gemeinsamen Firma.

      Vor der Gründung ihrer Sicherheitsfirma fassten die drei angehenden Gesellschafter einen Beschluss. Quasi als – Einstand – musste jeder von ihnen einen Aktivposten eintragen.

      Solcherart gab Zernick seinen Partnern ein Versprechen ab. Er wollte einen bereits marktwirtschaftlich erfahrenen Unternehmer aus Sibirien in ihre Firma einbinden. Über ihn würde der Bezug von Suchtmitteln aus dem Iran gesichert werden können. Zweifellos stapelte Zernick damit hoch. Existierte doch zu dieser Zeit mit dem Russen noch keine vertragliche Verbindlichkeit!

       Dafür musste er nochmals nach Perm fliegen.

      Horst Weiler dagegen brachte seine Beziehungen zur Münchner Rotlichtszene ein. Ebenso die Kontakte, die er zu den Chefs einiger Großdiskotheken in Süddeutschland besaß. Hierbei schien er sich, wie seine Partner resümierten, richtig involviert zu haben.

      Dieter Baumann konnte eine »verdeckte Verbindung« beisteuern. Die bestand seinerseits angeblich zu zwei früheren Genossen. Die wiederum einen Teil des DDR-Vermögens verwalteten würden. So behauptete er. Insbesondere beträfe es geheim gehaltene Westkonten. Sie gehörten zuvor der alten Parteiführung und dem Ministerium. Diese Mittel vermochte man für größere Investitionen jederzeit abrufen. Angeblich zu günstigen Konditionen.

       Vorausgesetzt, man kannte die betreffenden Leute.

      Doch ungeachtet dieser Einlagen benötigten sie zuerst einmal Geld. Die geforderten finanziellen Startinvestitionen für die Firmengründung mussten aufgebracht werden.

       Die steuerten die drei Gesellschafter aus privaten Mitteln zu gleichen Teilen bei. Ende Januar gründeten sie nach recht kurzer Vorlaufzeit ihre Firma.

       Die »FUSIONA–Wachschutz und Personenschutz GmbH«.

      Zu dieser Zeit konnten sie noch keine Büroflächen anmieten, die ihrem Budget entsprachen. Daher führten sie anfangs die Geschäfte von zuhause aus. Das bot sich an, weil sie alle über einen Telefonanschluss verfügten. Den bekamen sie einst wegen ihrer Zugehörigkeit zum Ministerium.

      Jeder der Gesellschafter belebte alte Kontakte und mühsam aufgebaute Beziehungen neu. Schon nach kurzer Zeit stellten sich erste Erfolge ein.

       So gelang es ihnen, verbindliche Verträge für Objektschutzleistungen mit drei Kunden abzuschließen.

       Zu denen zählte auch ein Objekt in der soeben wieder prosperierenden Berliner Friedrichstraße.

      Anfangs beschäftigte die »FUSIONA« zwei Mitarbeiter. Inzwischen waren es Zwölf. Die Tendenz zu mehr Personal zeigte sich rasch. Schon wenig später reihte sich eine neueröffnete Diskothek im Ostteil der Stadt in ihren Kundenbestand ein.

      Die von ihnen praktizierte – Heimarbeit– wirkte alsbald hemmend fürs Geschäft.

       Darum mieteten sie sich Anfang Februar in dem alten Konsumladen ein. Der roch zwar immer noch nach vergammeltem Gemüse, doch die Miete erschien ihnen vertretbar. Und es gab dort einen Telefonanschluss.

       Der gab letztendlich den Ausschlag für die Wahl ihres ersten Firmenstandortes.

      Rasch wurde eines zur Gewissheit. Eine vorzeigbare, repräsentative Firmenadresse galt für ihren Geschäftserfolg als unentbehrlich!

       Denn in dem Laden in Friedrichshain konnten sie kaum neue Kunden empfangen! Zumindest nicht aus den von ihnen angestrebten Kreisen.

      Daher fassten sie den Entschluss, sich zielgerichtet nach einer Topadresse umzusehen. Bei ihren Fahrten durch den Osten und Westen Berlins hielten sie die Augen offen. Zudem begutachteten sie die großen Bauherren-Tafeln vor attraktiven Neubauten. Einige Objekte kamen in die engere Wahl. Doch noch waren sie nicht schlüssig.

      Der Stadt, die nach dem Mauerfall ein riesiger Moloch geworden war, wohnten gewisse Gefahren inne.

      Ausgerechnet Horst Weiler musste es erfahren.

       Obwohl er wusste, dass man insbesondere in den Abendstunden in bestimmten Stadtbezirken manche Orte meiden sollte. Dessen ungeachtet hielt er in Kreuzberg den alten BMW an. Nur, um dringlichst ein Örtchen aufzusuchen, wo er Erleichterung finden konnte.

       An der Straßenecke wehrte er barsch zwei knapp bekleidete Nutten ab. Ihre ordinären Pöbeleien, die sie ihm nachriefen, ignorierte er. Sein Blick war auf eine bunte Kneipenreklame gerichtet, die in der schummerigen Seitenstraße an einer schäbigen Fassade hing.

       Dort musste es eine Toilette geben!

      Urplötzlich umkreisten ihn drei Gestalten. Schwarzhaarige, arabisch aussehende Jugendliche. Kippe im Mundwinkel und mit einer Sprache wie in einer schlechten Filmkomödie. »Gib’ Kohle! Oder wir schlitzen uff!«

       Bei der Erwähnung dieses blutigen Vorgangs fiel bei Weiler ein Relais.

       Wozu trug er seit Jahren stets ein Springmesser bei sich? Warum quälte er sich allmorgendlich mit Gymnastik und Reckstange? Verfügte er noch über Reste seiner früheren Ausbildung im Nahkampf?

       Ohne eine Alternative zu erwägen, handelte er sofort.

       Sein Messer blitze auf, schlitzte die Nase seines Gegenübers bis zur Stirn. Die beiden anderen sprangen vor der Klinge und seinen Tritten zurück. Panisch folgten sie dem flüchtenden Dritten ins Dunkle.

       Im allerletzten Augenblick erreichte Weiler in der Kneipe das Pissoir.

      Auch unbeeindruckt davon einigte man sich letztendlich auf die Friedrichstraße. Wo man gerade umfassend und repräsentativ sanierte und neue Bauten hochzog.

      »Wir sollten uns jetzt einmieten! «, orakelte Baumann in einer gemeinsamen Runde. »Später stehen wir in der Reihe an und haben den Gonzo!«

      Zernick und Weigel stimmten ihm zu. Denn alle drei Gesellschafter hegten eine unausgesprochene innere Aversion gegen eine Adresse im »Westen«. Wie etwa am Ku’ Damm oder


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