Maimorde. Angelika Godau
lieber Freund, bessere Fesseln konnte sich deine Frau kaum ausdenken. Sie war übrigens heute Nachmittag bei mir und wenn du glaubst, sie …“
„Hallo, ihr Beiden, was habt ihr so Spannendes miteinander zu reden? Ich hoffe, ich störe euch nicht?“
Melanie unterbrach das Gespräch so laut, dass es an allen Nebentischen zu hören war.
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Doktor Andreas Brandt schloss die Tür seiner Praxis hinter Yvonne Creyer und ging befreit aufatmend zurück in sein Zimmer. Er musste sich eingestehen, dass es ihm in letzter Zeit immer schwerer gefallen war, den Ansprüchen der jungen Frau zu genügen. Auch die Pillen, zu denen er immer häufiger griff, hatten ihm nicht zu dem nötigen Stehvermögen verholfen. Yvonne war einfach zu fordernd gewesen, aber nicht nur aus diesem Grund hatte er sich entschieden, der Beziehung ein Ende zu setzen. Es ging nicht an, dass er seine Gesundheit dafür ruinierte, außerdem hatte er schon lange den Verdacht, dass das kleine Luder ihn ausnutzte. Ihre Arbeitsmoral war nur rudimentär vorhanden und die Kolleginnen hatten sich bereits bei ihm darüber beklagt. Das ging einfach nicht, darunter litt sein Ruf und darum hatte er sie heute nach Praxisschluss zu sich bestellt. Es war ihm nicht leichtgefallen, denn sie war jung und wirklich sexy. Daher hatte er es noch einmal heftig mit ihr getrieben, bevor er auf den Punkt gekommen war. Er hatte ihr mit trauriger Miene mitgeteilt, dass seine Frau misstrauisch geworden sei. Dass er daher beschlossen habe, ihr Verhältnis zu beenden und sie leider auch nicht länger bei ihm arbeiten konnte. Zuerst hatte sie mit Tränen reagiert, die dann schnell Vorwürfen gewichen waren, die einer Erpressung gleichkamen. Kündigungsfrist, Arbeitsgericht, sexuelle Belästigung, Unzucht mit Abhängigen und weitere Anklagen. Er kannte das schon, am Ende reagierten sie alle gleich.
Er hatte ihren Redeschwall mit einer Handbewegung unterbrochen, einen Umschlag aus seinem Schreibtisch genommen und ihr hingehalten. Zehntausend Euro in bar hatten dann auch sie schnell davon überzeugt, die vorgefertigte Erklärung zu unterschreiben. Sie würde die Praxis nicht wieder betreten und die außerordentliche Kündigung wegen des Diebstahls von verschreibungspflichtigen Medikamenten akzeptieren.
Zufrieden legte er das Schriftstück in seinen, hinter einer Kopie von Salvatore Dali, eingebauten Safe. Roger hatte zwar missbilligend den Kopf geschüttelt, als er es ausgearbeitet hatte, aber es war absolut wasserdicht.
Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er verdammt spät dran war. Die Party zu Rogers Geburtstag war bereits in vollem Gange und Julia vermutlich schon stinksauer auf ihn.
Er überlegte einen Augenblick, ob er sie anrufen sollte, aber ein Geräusch unterbrach sein Vorhaben.
Was will sie denn noch, dachte er verärgert und ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder. Da saß er auch noch, als ihn wenige Minuten später der Schuss mitten in die Stirn traf und er in dem Sessel starb, auf dem er kurz zuvor den letzten Sex seines Lebens gehabt hatte.
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Ich machte noch einen Schlenker und holte mir ein frisches Bier, bevor ich entschlossen auf das Dreiergrüppchen zusteuerte, das sich irgendwie erschrocken zu mir drehte.
„Hallo“, grüßte ich, „mega Party, echt. Kennen Sie wirklich alle Leute, die hier heute Abend so rumlaufen?“
Roger Kreutzer sah aus, als habe er einen Schlag in den Magen bekommen und sein Lächeln wirkte verkrampft.
„Ach, wissen Sie … nein, ehrlich gesagt, ich kenne kaum die Hälfte, aber so ist das eben. Jede Party ist auch eine Werbeveranstaltung, das werden Sie sicherlich auch irgendwann merken, wenn Ihr Kundenstamm jemals so groß werden sollte, wie meiner. Sie sind doch Detektiv, oder habe ich das falsch verstanden? Ich meine, Melanie hätte das vorhin erwähnt.“
„Das haben Sie richtig verstanden“, nickte ich lächelnd, auch wenn ich den Kerl zum Kotzen fand. Überhebliches Arschloch, der in jedem männlichen Wesen einen potenziellen Konkurrenten zu sehen schien.
„Was macht man denn in Ihrem Beruf so?“, fuhr er fort. Untreuen Ehemännern hinterherlaufen?“
„Manchmal auch untreuen Ehefrauen“, entgegnete ich langsam, als ein Tritt von Julia mein Schienbein traf. Ich verstummte verblüfft, da sah ich den Blick, den die beiden Frauen wechselten. Oha, was ging denn hier ab? Ich unterbrach mein Geplänkel mit dem Hausherrn und wandte mich an Melanie.
„Ich wollte Ihnen eigentlich nur gratulieren, möchte Sie aber nicht stören. Also, herzlichen Glückwunsch und …“
„Sie stören doch nicht“, unterbrach Melanie mich. Vielen Dank, das ist sehr freundlich von Ihnen. Kennen Sie meine Freundin Julia? Julia Brandt?“
Ich schaute Julia an, die mit strahlendem Lächeln nickte.
„Ja, wir sind alte Freunde und ich freue mich sehr, ihn heute Abend endlich mal wieder zu treffen. Komm, Deti, lass uns ein bisschen über alte Zeiten plaudern. Ihr entschuldigt uns doch?“
Damit griff sie meinen Arm und zog mich mit sich fort zu einem leeren Tisch.
„Was ist denn in dich gefahren?“, begehrte ich zu wissen, als wir ihn erreicht hatten. „Alte Freunde ist vielleicht doch etwas übertrieben, oder?“
„Findest du?“ Sie lächelte verführerisch. „Ich habe unser letztes Zusammentreffen durchaus freundschaftlich in Erinnerung, du etwa nicht?“
„Äh, lass mich kurz überlegen …
nein, eher nicht. Du hast mich aus dem Fenster gejagt, weil dein Mann nach Hause kam. Ich hätte mir fast den Hals gebrochen und danach bist du nie wieder ans Telefon gegangen. Ist es das, was du unter freundschaftlich verstehst?“
„Na ja, ist vielleicht ein bisschen dumm gelaufen, lag aber nicht an dir. Jetzt hör zu, Menke, du bist doch Detektiv und damit genau das, was ich gerade brauche. Ich will dich nicht mit Details langweilen, aber ich bin mir sicher, dass mein Mann mich mit seiner Sprechstundenhilfe betrügt. Jetzt, in diesem Augenblick, sonst wäre er nämlich hier. Ich will, dass du zu seiner Praxis fährst und ihn sozusagen mit runtergelassener Hose erwischst. Davon brauche ich ein Foto, möglichst von beiden.“
„Das geht nicht, ich kann hier nicht weg, ich bin mit meiner Freundin hier.“
„Darüber würde ich mir nicht so viele Gedanken machen, die ist beschäftigt und bis sie merkt, dass du ihr fehlst, bist du längst wieder zurück.“
Ich folgte ihrem Blick und sah Tabea inmitten einer ganzen Schar von Leuten stehen. Sie lachte gerade und schien sich prächtig zu amüsieren.
„Okay, ich mach´s, aber wenn dein Mann da wirklich mit seiner … also, der wird mir kaum ohne Hose die Tür öffnen. Wie komme ich rein?“
„Damit?“ Julia grinste und hielt mir einen einzelnen Schlüssel hin. „Den habe ich mir in weiser Voraussicht schon vor langer Zeit machen lassen, man weiß ja nie, wozu frau Dinge mal gebrauchen kann. Andreas ahnt davon natürlich nichts. Wenn du also ganz leise bist, bemerken dich die Akteure vermutlich gar nicht. Umso größer ist später die Überraschung.“ Sie lachte und schüttelte die langen Haare über ihre Schulter nach hinten.
Frauen, dachte ich, man kann als Mann einfach nicht vorsichtig genug sein, streckte die Hand aus und nahm ihr den Schlüssel ab.
„Okay, dann mal bis gleich. Sollte ich nicht zurückkommen, bin ich erwischt und auf den gynäkologischen Stuhl gefesselt worden.“
Sie antwortete nicht, tippte sich nur beredt mit einem Finger an die Stirn.
Ob Tabea oder sonst irgendjemand bemerkte, dass ich die Party verließ, weiß ich nicht, zurück hielt mich jedenfalls niemand. Alli war ausnahmsweise bereit, mich ohne Widerstand zu begleiten, vermutlich war ihm vom vielen Saumagen übel.
***
Knapp zehn Minuten später parkte ich gegenüber der Klinik von Doktor Brandt, deren Fenster tatsächlich hell erleuchtet waren. Ansonsten war der Gebäudekomplex dunkel.
Ich schaute einmal die Straße rauf und runter, aber niemand war zu sehen. Perfekt!