SAVANT - Flucht aus Niger -. Michael Nolden
der Klapperkiste, mit der ich ins Land gekommen bin. Dunkelheit umgibt uns. Wir tauchen in die tiefhängenden Wolken ein. Es fühlt sich einen Moment lang nach Schwerelosigkeit an. Für einen winzigen Augenblick verschwindet der trennende Horizont zwischen Himmel und Erde. Frieden – von vorn schnappe ich einige Worte Samirs auf. Ich höre »Bruder« und »Krebs«. Das letzte Wort wird nur zögerlich ausgesprochen. Ich glaube, Samir hätte auch »Tod« sagen können. Mehr weiß er von der Krankheit nicht. Eben war es noch ein fröhliches Gesicht. Jetzt stehen da Abschied und Hilflosigkeit geschrieben. Obwohl ich den Targi vor kaum einer Stunde zum ersten Mal getroffen habe, wünsche ich ihm beides nicht. Er spürt, wie ich ihn beobachte. Die Lebensfreude weckt die Lachfalten um seine Augen auf. Das ist bloß eine niedrige Fassade. Kenne ich. Habe ich vor Jahren in meinem Spiegel gesehen. Mehr nicht. Dahinter staut sich die Trauer.
[Nathalie Pagnol]
Pascale ist jetzt zwölf Jahre alt, und ich nehme an, dass es bald Probleme geben wird. Die Vorboten der Pubertät sind bereits zu sehen. In ein paar Monaten werden seine Hormone ihn auf einen Kurs schicken, mit dem er überhaupt nichts anzufangen weiß. Zet wacht gut über Pascale, was allerdings geschehen wird, wenn der Junge noch nervöser wird als sonst, vermag ich kaum vorherzusagen.
Pascale ist mit seinen feinen Ohren ein wandelndes Ortungsgerät. Er registriert leiseste Veränderungen in laufenden Geräuschen. Jede Abweichung, die einem künftigen Schaden vorausgehen könnte, wird von ihm entdeckt oder wiedererkannt. Wenn er hier im Gebäude stehen bleibt und lauscht, weiß ich, dass etwas nicht stimmt.
Mechanik liebt er. Er kann sie einordnen. Klassische Musik liebt er. Draußen setzen wir ihm in extremen Situationen Kopfhörer auf. Mozart, Beethoven und Bach beruhigen ihn. Musik ist sein schützender Kokon.
Bevor wir das alles wussten, war Pascale ein zutiefst verstörtes Kind. Fremde Stimmen, selbst meine, lösten Schreikrämpfe bei ihm aus, die minutenlang andauern konnten. Zet brachte die endgültige Wende. Ausgerechnet ein Anubisavian hatte nicht nur die Geduld, er besaß zudem das nötige Fingerspitzengefühl, um mit Pascale zu arbeiten. Ein Affe ist für Pascale die emotionale Brücke zu den Menschen.
Fertig angezogen, mit Plänen im Kopf, bereit für den Tag, optimistisch sogar, hüpfe ich beinahe den Gang entlang und werfe während meines übermütigen Tänzelns einen Blick in die Zimmer von Claude und César. Alles ist wunderbar. Antoine, einer unserer Mitarbeiter, ein Hausa und guter Freund, wird bald kommen. Er wird mir helfen, alles für unsere Abreise vorzubereiten. Alles wird gut. Beim Eintreten in den Büroabschnitt versuche ich mich zu erinnern, wo meine Tasse geblieben ist. In einem albernen Versuch die Helfer meiner Jungen nachzuäffen, wittere ich dem Kaffeeduft hinterher. Tatsächlich rieche ich etwas – ich spüre einen Luftzug.
Der Schlag erfolgt von links gegen meine Schläfe.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.