Germanien. Karl Reiche
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Inhaltsverzeichnis
Beginn der Völkerwanderung
Die Reise nach Colonia Ulpia Trajana
Kurzdarstellung der germanischen Mythologie
Das Weltbild der Germanen
Fenriswolf und Midgardschlange
Vorwort
Die Idee, ein Buch über die Eroberung der britischen Insel durch die Angelsachsen zu schreiben, kam mir bei der Lektüre der vielen Erzählungen und Romane über den legendären König Arthus und seinen Kampf gegen die angelsächsischen Eindringlinge. In den meisten dieser Romane wird immer wieder das Bild gezeichnet, dass ich auch aus dem Geschichtsunterricht kannte und dass auch in der überlieferten Klage der Britonen an den römischen Statthalter Flavius Aetius zum Ausdruck kommt:
„Die Barbaren drängen uns ins Meer, das Meer drängt uns zu den Barbaren zurück; eine der beiden Todesarten, das Ertrinken oder das Erschlagen Werden wird uns ereilen.“
Dieser Überlieferung zufolge sollen die Britonen um das Jahr 450 herum die Angelsachsen zu Hilfe gerufen haben, weil sie diese bei ihrem Kampf gegen die in ihr Land eingefallenen Pikten und Scoten zur Unterstützung brauchten.
Warum sie ausgerechnet die Sachsen und Angeln um Hilfe baten, ob es bereits aus der Römerzeit gegenseitige Kontakte gab, ob man sich gegenseitig kannte, wird in diesen Darstellungen nicht erwähnt.
Die Angelsachsen besiegten die Pikten und Scoten, wandten ihre Waffen dann aber gegen ihre Auftraggeber und eroberten deren Land, bis auf das heutige Cornwell und Wales. Wobei sie sehr brutal vorgingen und die Britonen aus ihren Siedlungsgebieten vertrieben und nach Wales und Cornwell abdrängten. Ein Teil der Britonen wanderte daraufhin in die heutige Bretagne ab.
Ich wollte ein Buch schreiben, das die Vorgänge einmal aus der Sicht der Angelsachsen schildern sollte.
Als ich aber anfing zu recherchieren und tiefer zu graben, stieß ich auf Erstaunliches:
Britische Archäologen hatten bei Ausgrabungen alter sächsischer Siedlungen festgestellt, dass die ersten Sachsen schon erheblich früher, fast 100 Jahre früher, als bisher angenommen, nach England gekommen sein mussten.
Bei DNA-Untersuchung von Skeletten, die man in sächsischen Gräbern fand, stellte man erstaunt fest, dass es sich bei den Toten um Britonen handelte.
Bei Genuntersuchungen der britischen Bevölkerung hatte man festgestellt, dass etwa die Hälfte der Engländer angelsächsische Gene haben. Dagegen hatten stichprobenartige Vergleiche der Gene der englischen Bevölkerung mit denen der Bevölkerung Niedersachsens in Deutschland, wo die Sachsen ja hergekommen sein sollen, ergeben, dass nur ein geringer Prozentsatz der Gene der Engländer mit denen der Niedersachsen übereinstimmte.
An der herkömmlichen Sichtweise der Ereignisse von damals konnte also irgendetwas nicht stimmen.
Wenn die ersten Sachsen nicht erst um 450, sondern bereits Mitte des 4. Jahrhunderts nach Britannien gekommen waren, dann folglich zu einer Zeit, als die Römer noch in Britannien herrschten.
Sie können demnach nur als römische Soldaten oder als Föderaten nach Britannien gekommen sein.
Nun war es in der Spätantike durchaus gängige römische Praxis, in ihr Gebiet eingedrungene germanische Völker oder Gruppen, als Föderaten, also Verbündete, anzusiedeln. Dabei handelte es sich aber fast immer um ganze Völker oder große Gruppen, die geschlossen angesiedelt wurden. Von solchen Ansiedlungen der Sachsen in Britannien ist aber aus römischen Quellen nichts bekannt.
Dagegen sind solche Ansiedlungen sächsischer Gruppen aus dem Norden Galliens durch römische Quellen seit dem Ende des 3. Jahrhunderts überliefert.
Hatten sich also die Römer für Britannien etwas anderes einfallen lassen? Etwa die Ansiedlung einzelner sächsischer Krieger oder Sippen, die, umgeben von Britonen, in britonischen Siedlungen lebten und als Föderaten oder Grenztruppen Dienst taten.
Sozusagen Land gegen Kriegsdienste eingetauscht?
Wenn in sächsischen Gräbern auch britonische Skelette lagen, dann kann das nur bedeuten, dass die Britonen in manchen Gebieten die Bräuche der Sachsen angenommen hatten.
Wenn der Vergleich der Gene eine so geringe Übereinstimmung mit den Menschen in Niedersachsen ergeben hat, dann sollte man dies aber nicht überbewerten, denn auch in Niedersachsen hat es in den vergangenen eintausendfünfhundert Jahren Bevölkerungsbewegungen und Verschiebungen gegeben. Zudem könnten ganze Teilstämme der Sachsen übergesiedelt sein (z. B. die Angeln), sodass ihre Genspuren im heutigen Niedersachsen verschwunden sind.
Doch könnte das zumindest darauf hindeuten, dass die Zahl der Invasoren, im Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung, relativ gering gewesen war.
Das lässt sich noch damit erklären, dass es vorwiegend junge, abenteuerlustige Männer gewesen waren, die sich in Britannien dann oft einheimische Frauen nahmen.
Wie konnten sie aber dann ganz England erobern?
Daraus kann man nur schließen, dass die Sachsen anfangs friedlich mit den Britonen zusammengelebt haben müssen und sich bereits sehr früh große Teile der britonischen Bevölkerung mit den Neuankömmlingen verbündeten, ihre Sitten und Gebräuche annahmen, und