Germanien. Karl Reiche

Germanien - Karl Reiche


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Ungarn nieder, und zerfielen in kleine Gruppen, die Raubzüge in fast ganz Europa unternahmen.

      376 wichen die Westgoten vor den Hunnen aus und baten den oströmischen Kaiser Valens um Schutz und Siedlungsgebiet im Römischen Reich. Der gestattete ihnen, sich südlich der Donau anzusiedeln.

      378 erhoben sich die Westgoten und besiegten in der Schlacht bei Adrianopel das oströmische Heer. Kaiser Valens fiel in dieser Schlacht.

      382 schloss sein Nachfolger, Kaiser Theodosios I, Frieden mit ihnen und siedelte sie als Föderaten in Mösien und Thrakien an.

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      383 wieder herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände im Weströmischen Reich. In Britannien riefen die Truppen Flavius Magnus Maximus zum Kaiser gegen den weströmischen Kaiser Gratian aus, dem Bruder von Valentinian.

      Maximus setzte mit seinen Truppen nach Gallien über, Imagewo Gratians Soldaten zu ihm überliefen. Gratian wurde ermordet.

      387 zog Maximus große Truppenverbände aus Gallien ab und verjagte seinen weströmischen Mitkaiser Valentinian II, der zu seinem Schwager Theodosios I nach Konstantinopel floh.

      Theodosios kam seinem Schwager zu Hilfe und schlug Maximus in zwei Schlachten. (Wieder Römer gegen Römer) Maximus wurde ermordet.

      387/388

      Diese Situation nutzten die Franken für Gebietserweiterungen und ausgiebige Überfälle in Gallien.

      388 führten die Römer eine Strafaktion gegen die Franken.

      Der Ansturm der Hunnen und ihre Plünderungszüge durch Mitteleuropa einerseits und die innere Schwäche der Römer durch ständige Kämpfe untereinander, andererseits, veranlassten viele germanische Völker zu dem Entschluss, ins römische Westreich einzudringen.

      In diesem Frühjahr brach ein großer Heerhaufen der Hunnen vom Unterlauf der Donau zu einem ausgedehnten Raubzug nach Westen auf. Sie folgten der Donau flussaufwärts. Für eine Konfrontation mit der römischen Armee waren sie nicht stark genug, deshalb hielten sie sich immer am nördlichen Ufer auf, umgingen größere befestigte Städte und Garnisonen, überfielen aber alle kleinen Orte und Siedlungen auf ihrem Weg nach Westen.

      Trotz ihrer Schnelligkeit eilte die Warnung vor ihrem Kommen ihnen voraus und am Oberlauf der Donau und am Neckar stießen sie zuerst bei den Alemannen und, als sie nach Norden abbogen, auch am Main bei den Burgundern auf heftigen Widerstand.

      Deshalb schwenkten sie weiter nach Norden ab, ritten zwischen dem Vogelsberg und der Rhön hindurch und wandten sich dann nach Nordwesten.

      Am südöstlichen Ende des Teutoburger Waldes erreichten sie das Siedlungsgebiet der Cherusker, die sich mit anderen Stämmen zum starken Stammesverband der Sachsen zusammengeschlossen hatten.

      Hier teilten sie sich in kleinere Gruppen von 100 bis 200 Mann auf. In diesem Gebiet mussten sie mit keinen großen befestigten Siedlungen mehr rechnen, die sich durch die Zahl ihrer Krieger erfolgreich wehren konnten. Bis hierher waren auch die Warnungen vor ihrem Kommen noch nicht gedrungen. So konnten sie das Überraschungsmoment nutzen, kleine Ansiedlungen überfallen und schnell wieder fort sein, bevor die sächsischen Gaue ihre Abwehr organisieren konnten.

      Ihr Ziel war die Erbeutung von jungen blonden Sklaven, vorzugsweise Mädchen, für die die Sklavenhändler aus Konstantinopel sehr gute Preise zahlten.

      Wenige Tage später hasteten zwei Kinder, ein Junge von etwa 13 Jahren und ein Mädchen von 11 Jahren, allein durch den Wald. Sie waren auf der Flucht. Astolf war groß für sein Alter und fühlte sich mit seinen dreizehn Jahren schon fast wie ein erwachsener Mann. Viele Leute hielten ihn für mindestens zwei Jahre älter als er war. Er hatte hellbraunes Haar, blaue Augen und war von schlanker kräftiger Gestalt. Gudrun war zierlich, hatte die gleichen blauen Augen, aber hellblondes Haar.

      An diesem Morgen waren sie aufgebrochen, um auf einer Waldlichtung in der Nähe ihres Dorfes die ersten Blaubeeren dieses Frühsommers zu sammeln. Ihr Dorf lag auf einer sehr großen Lichtung im Wald am äußersten Oberlauf des Flusses Ems. Ein kleiner Bach mündete hier in die Ems. Das Dorf war klein. Nur ein gutes Dutzend Häuser standen locker verteilt auf der Lichtung, die die Dorfgemeinschaft durch Rodung immer mehr erweiterte, um mehr Ackerland zu erhalten. Irgendeine Schutzvorrichtung gegen Angriffe von Feinden, wie eine Palisade, gab es nicht.

      Die Bewohner fühlten sich im Schutz der das Dorf umgebenden Wälder sicher.

      Gudrun trug einen großen Korb. Astolf trug ebenfalls einen Korb und hatte noch zusätzlich seinen Bogen mit 6 Pfeilen mitgenommen, den ihm sein Vater im letzten Winter gebaut hatte, weil er mit ihm üben wollte. Ohne seine Gürteltasche, in der sich einige Dinge befanden, die er für notwendig hielt und dem Messer, das ihm sein Onkel Radolf, der Bruder seiner Mutter, im letzten Jahr geschenkt hatte, ging er ohnehin nie aus dem Haus.

      Ihre Mutter hatte ihnen zwei kleine Brote mitgegeben und wollte später mit ihrer kleinen Schwester Inge zu der Lichtung nachkommen, wenn sie einige Dinge im Haus erledigt hatte.

      Der Vater war schon im Morgengrauen aufgebrochen, um auf nahe gelegenen Waldlichtungen nach den Kühen, Schafen und Ziegen zu sehen.

      Ihr Vater war der angesehenste Mann ihres Dorfes. In Kriegszeiten führte er die waffenfähigen freien Männer des Dorfes in den Kampf, in Friedenszeiten leitete er das Thing und war für die Ausrichtung der Feiern wie die Sonnenwendfeiern, verantwortlich.

      An diesem Tag war er schon im Morgengrauen mit den Ochsen und dem Pflug und ihrem Nachbarn zum Pflügen auf eine andere Lichtung im Wald aufgebrochen.

Pflügen

      Der Tag hatte als klarer und schöner Frühsommertag begonnen.

      Die Wiesen rund um die Häuser des Dorfes standen in voller Blüte und es duftete nach Heu und Sommer.

      Bereits jetzt am Morgen war es schon sehr warm. Es würde ein heißer Tag werden und deshalb waren sie froh, als sie den kühlen Rand des Waldes erreichten.

      Kaum aber waren die beiden Kinder im Wald eingetaucht, als hinter ihnen das Unheil über ihr Dorf hereinbrach:

      Etwa 100 Reiter auf kleinen Pferden fielen über das Dorf her und schossen mit Pfeilen auf jeden Dorfbewohner, der sich sehen ließ. Anschließend stiegen sie von den Pferden und rannten in die Häuser.

      Starr vor Entsetzen sahen die Kinder aus dem Halbdunkel des Waldes mit an, wie ihre Nachbarn und Freunde starben. Einige Männer versuchten einen Widerstand zu organisieren und zu kämpfen, aber sie waren für einen Kampf weder gerüstet, noch hatten sie gegen die Übermacht der Angreifer eine Chance.

      Die Angreifer begannen, junge Frauen und Kinder aus den Häusern zu zerren und dann das Dorf systematisch zu durchsuchen.

      Ihr Vater hatte den Kindern immer wieder eingeschärft: “Wenn Feinde das Dorf angreifen, dann lauft in den Wald und versteckt euch! Astolf, du passt auf deine Schwester auf.“

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      Also nahm Astolf seine kleinere Schwester bei der Hand und rannte mit ihr tiefer in den Wald hinein.

      Sie waren noch nicht weit gekommen, als sie hinter sich lautes Keuchen, rennende Schritte und durch den Waldboden gedämmten Hufschlag hörten. Astolf deutete, ohne ein Wort zu sagen, auf eine vor ihnen stehende Eiche mit tief herabhängenden Zweigen, hob Gudrun auf einen der unteren Äste und kletterte hinterher. Sie versteckten sich auf einem der unteren Äste im dichten Laub des Baumes.

      Sie waren gerade eben im Baum verschwunden, als Frida, eine junge Frau aus ihrem Dorf, auf ihren Baum zu gerannt


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