Don Carlos, Infant von Spanien. Friedrich Schiller
diesem feierlichen Ton?
CARLOS.
So viel,
Daß Carlos nicht gesonnen ist, zu müssen,
Wo er zu wollen hat; daß Carlos nicht
Gesonnen ist, der Unglückseligste
In diesem Reich zu bleiben, wenn es ihn
Nichts als den Umsturz der Gesetze kostet,
Der Glücklichste zu sein.
KÖNIGIN.
Versteh ich Sie?
Sie hoffen noch? Sie wagen es, zu hoffen,
Wo alles, alles schon verloren ist?
CARLOS.
Ich gebe nichts verloren als die Toten.
KÖNIGIN.
Auf mich, auf Ihre Mutter hoffen Sie? –
Sie sieht ihn lange und durchdringend an – dann mit Würde und Ernst.
Warum nicht? O, der neu erwählte König
Kann mehr als das – kann die Verordnungen
Des Abgeschiednen durch das Feur vertilgen,
Kann seine Bilder stürzen, kann sogar –
Wer hindert ihn? – die Mumie des Toten
Aus ihrer Ruhe zu Eskurial
Hervor ans Licht der Sonne reißen, seinen
Entweihten Staub in die vier Winde streun
Und dann zuletzt, um würdig zu vollenden –
CARLOS.
Um Gottes willen, reden Sie nicht aus.
KÖNIGIN.
Zuletzt noch mit der Mutter sich vermählen.
CARLOS.
Verfluchter Sohn!
Er steht einen Augenblick starr und sprachlos.
Ja, es ist aus. Jetzt ist
Es aus. – Ich fühle klar und helle, was
Mir ewig, ewig dunkel bleiben sollte.
Sie sind für mich dahin – dahin – dahin –
Auf immerdar! – Jetzt ist der Wurf gefallen.
Sie sind für mich verloren – O, in diesem
Gefühl liegt Hölle – Hölle liegt im andern,
Sie zu besitzen. – Weh! ich faß es nicht,
Und meine Nerven fangen an zu reißen.
KÖNIGIN.
Beklagenswerter, teurer Karl! Ich fühle –
Ganz fühl ich sie, die namenlose Pein,
Die jetzt in Ihrem Busen tobt. Unendlich,
Wie Ihre Liebe, ist Ihr Schmerz. Unendlich,
Wie er, ist auch der Ruhm, ihn zu besiegen.
Erringen Sie ihn, junger Held. Der Preis
Ist dieses hohen, starken Kämpfers wert,
Des Jünglings wert, durch dessen Herz die Tugend
So vieler königlichen Ahnen rollt.
Ermannen Sie sich, edler Prinz. – Der Enkel
Des großen Karls fängt frisch zu ringen an,
Wo andrer Menschen Kinder mutlos enden.
CARLOS.
Zu spät! O Gott! es ist zu spät!
KÖNIGIN.
Ein Mann
Zu sein? O Karl! wie groß wird unsre Tugend,
Wenn unser Herz bei ihrer Übung bricht!
Hoch stellte Sie die Vorsicht – höher, Prinz,
Als Millionen Ihrer andern Brüder.
Parteilich gab sie ihrem Liebling, was
Sie andern nahm, und Millionen fragen:
Verdiente der im Mutterleibe schon
Mehr als wir andern Sterblichen zu gelten?
Auf, retten Sie des Himmels Billigkeit!
Verdienen Sie, der Welt voranzugehn,
Und opfern Sie, was keiner opferte!
CARLOS.
Das kann ich auch. – Sie zu erkämpfen, hab
Ich Riesenkraft, Sie zu verlieren, keine.
KÖNIGIN.
Gestehen Sie es, Carlos – Trotz ist es
Und Bitterkeit und Stolz, was Ihre Wünsche
So heftig nach der Mutter zieht. Die Liebe,
Das Herz, das Sie verschwenderisch mir opfern,
Gehört den Reichen an, die Sie dereinst
Regieren sollen. Sehen Sie, Sie prassen
Von Ihres Mündels anvertrautem Gut.
Die Liebe ist Ihr großes Amt. Bis jetzt
Verirrte sie zur Mutter. – Bringen Sie,
O, bringen Sie sie Ihren künftgen Reichen
Und fühlen Sie, statt Dolchen des Gewissens,
Die Wollust, Gott zu sein. Elisabeth
War Ihre erste Liebe. Ihre zweite
Sei Spanien! Wie gerne, guter Karl,
Will ich der besseren Geliebten weichen!
CARLOS wirft sich, von Empfindung überwältigt, zu ihren Füßen.
Wie groß sind Sie, o Himmlische! – Ja, alles,
Was Sie verlangen, will ich tun. – Es sei!
Er steht auf.
Hier steh ich in der Allmacht Hand und schwöre,
Und schwöre Ihnen, schwöre ewiges –
O Himmel! Nein! Nur ewiges Verstummen,
Doch ewiges Vergessen nicht.
KÖNIGIN.
Wie könnt ich
Von Carlos fordern, was ich selbst zu leisten
Nicht willens bin?
MARQUIS eilt aus der Allee.
Der König!
KÖNIGIN.
Gott!
MARQUIS.
Hinweg,
Hinweg aus dieser Gegend, Prinz!
KÖNIGIN.
Sein Argwohn
Ist fürchterlich, erblickt er Sie –
CARLOS.
Ich bleibe!
KÖNIGIN.
Und wer wird dann das Opfer sein?
CARLOS zieht den Marquis am Arme.
Fort, fort!
Komm, Roderich!
Er geht und kommt noch einmal zurück.