Kontinuum der Träume. Liesbeth Listig
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Liesbeth Listig
Kontinuum der Träume
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Wenn wir die „Ebenbilder“ höherer Wesen sein sollen, trifft uns keinerlei Schuld, dass wir sind wie wir sind. Hat da etwa jemand einen Fehler gemacht? Nicht nur Kinder machen Fehler, wie wir in dieser Geschichte gleich lesen werden. Aber die Hoffnung ist noch nicht gestorben.
Nehmt meine Geschichten nur nicht zu ernst. Nachdenklich machen sollen sie aber schon. Vor allen Dingen jedoch sollen sie unterhalten. Viel Spaß beim Lesen, wünscht euch
Liesbeth Listig
Weltenmacher
Der kleine Thore saß an einem Gerät, welches wir in unserem derzeitigen Dasein wohl als PC bezeichnen würden, und spielte unbeaufsichtigt. Vater hatte vor einiger Zeit für seinen Chef, den obersten Daseinsverwalter, daran gearbeitet und verschiedene Szenarien erdacht, diese jedoch aufgrund gravierender Mängel alle wieder verworfen. Mehrere Universen lagen aber noch im Rundordner. Natürlich konnte Thore, trotz strengsten Verbotes, nicht widerstehen und reaktivierte eines der Kontinuen, die schon verworfen waren.
Es war eine Blase mit unendlicher Größe und unendlicher Kleinheit im räumlichen, wie auch im zeitlichen Spektrum. Zwischen dem Größten und dem Kleinsten hatte er Existenzen geschaffen, die verschiedensten Moralkodexen folgten. Besonders faszinierend fand Thore das „Fressen und Gefressen werden“, da dieses dem eigenen Kodex zuwider lief und vom obersten Daseinsverwalter auch strengstens verboten worden war. Es wurde als obszön und widerlich angesehen und lag unter einem allgemeinen Bann. Besonders geeignet für Kinder, die gern etwas Verbotenes ausprobieren. So ließ er der Evolution seinen Lauf und beschleunigte sie von Zeit zu Zeit etwas, da er nicht warten wollte und das Ganze doch so schön eklig war. Thore hatte gerade Riesenechsen ins Spiel gebracht, die andere Riesenechsen tot bissen und blutig ausweideten, als seine Mutter ihn zum Essen rief.
Um seine Missetat zu kaschieren, ließ er einen großen Kleinplaneten ins Szenario stürzen und löschte damit den größten Teil des grausigen Spielzeugs. Nach dem Essen und einem Mittagsschläfchen, dem „Schlaf des Gerechten“, setzte sich Thore wieder an das Spielgerät und heckte weiteren, bösen Schabernack aus. Er wollte etwas erschaffen, was für die meisten seiner Art ein unvorstellbares Sakrileg darstellte. Thore wollte Wesen erschaffen, die aussahen wie er selbst. Er beschleunigte erneut die Evolution und lenkte diese in eine Bahn, die unweigerlich Wesen dabei herauskommen lassen würde, die über Selbsterkenntnis verfügten, aber immer noch dem allgemeinen Grundsatz des „Fressen und Gefressen werden“ folgen mussten. Das Unheil nahm seinen Lauf. Die Wesen erforschten alles, was in ihrem zeitlichen und räumlichen Rahmen möglich war. Das Größte und das Kleinste, was sie mit ihren bescheidenen Mitteln erkennen konnten, nutzen sie vorwiegend dazu sich gegenseitig zu vernichten und dabei angeblich sogar in seinem Namen zu handeln.
Thore war außer sich. Es war bei höchster Strafe verboten, Wesen, die wie er selbst über sich nachdenken konnten, zu vernichten. Aber er musste sie doch loswerden, bevor Vater ihn bei seinem Tun noch erwischte. Er versucht alles: Erdbeben, Feuer, Wasserfluten. Nichts half gegen diese abartige Brut. Nun schnitten sie sich gar in seinem Namen die Kehlen durch, worüber er bei den ersten primitiven Abkömmlingen noch gelacht hatte.
Vater stand mit bösem Blick hinter ihm und Thore ahnte, er würde niemals wieder das Gerät bedienen dürfen. Wenn Vater dieses seinem Chef melden würde, wäre die ganze Familie geliefert. Sein Vater wusste, dass die nächste Geräteüberprüfung erst in sehr vielen Dekaden stattfinden würde und schob das ganze Kontinuum in einen geheimen Ordner. „Wenn die Wesen von selbst ausgestorben sind, löschen wir das Ganze“, meinte er noch. „So lange kann das ja nicht dauern.“
So vergingen viele Zeitalter ohne, dass die Daseinsverwaltung von dem unglaublichen Tun erfuhr. Es ging so lange gut, bis Thores Mutter einer Freundin unter dem Siegel der Verschwiegenheit von einem geheimen Ordner erzählte, den die Verwaltung nicht prüfen dürfe. Diese Freundin erzählte ihrer anderen Freundin, natürlich auch unter dem Siegel der Verschwiegenheit, davon und das Lauffeuer war entbrannt. Solche „Hausbriefkästen“ funktionierten bei den höheren Wesen natürlich genauso gut, wie bei den Fehlentwicklungen, die Thore in die Welt gesetzt hatte und die natürlich nicht wie geplant ausgestorben waren.
„Erzähle etwas unter dem Siegel der Verschwiegenheit und du kannst sicher sein, dass in kürzester Zeit alle Welt davon weiß“, stöhnte der oberste Daseinsverwalter auf. Thores Vater, der zum Rapport gerufen worden war, saß da wie vom Donner gerührt und war sprachlos. Nach unzähligen Äonen fachlicher Diskussionen, war er tatsächlich sprachlos. Auf diese Offenbarung wusste er nichts zu sagen. „Wäre deine Frau doch auch so still gewesen wie du im Hier und Jetzt, dann wäre uns vieles erspart geblieben“, meinte sein Vorgesetzter missmutig. „Als mir die Sache zugetragen wurde, musste ich dem nachgehen und habe deine Maschine sichergestellt.“