Kontinuum der Träume. Liesbeth Listig

Kontinuum der Träume - Liesbeth Listig


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      Nach vielem Hin und Her kamen die smarten Herren, wie zu erwarten, zu dem Schluss, dass die beiden in allen Punkten schuldig seien. Nun ging es daran, die Missetaten angemessen zu würdigen.

      Thores Vater wurde für eine relativ kurze Zeit degradiert und suspendiert. Er durfte in dieser Zeit nicht arbeiten. Ein ausgesprochen mildes Urteil, welches einem Urlaub ähnelte. Dazu sollte man wissen, dass Thores Vater einer der besten Kontinuumnisten war und dringend gebraucht wurde.

      Thore erging es anders. Seine Verbrechen wurden anders bewertet. Er wurde verurteilt, unter den von ihm entwickelten Menschenwesen zu bleiben, bis diese sich selbst ausgerottet hätten. Thore dürfe durchaus im Einzelnen ins Geschehen eingreifen, aber selbst die Ebenbilder nicht töten. Zuerst jedoch solle er jene, welche das gute Kontinuum verunreinigt hätten, in ihr eigenes Kontinuum zurückführen, damit das infizierte, unbrauchbar gewordene, aufgelöst werden könne.

      Nachdem in dem anderen, abartigen Kontinuum die, welche über sich nachdenken konnten und Ebenbilder waren, ausgestorben wären, hätte er die Pflicht das Kontinuum zu zerstören. Erst dann wäre seine Schuld gesühnt und er dürfe zurückkehren.

      Thores Eltern wussten, was es bedeutete, über viele Zeitalter hinweg, destruktiv wirken zu müssen und verabschiedeten ihren Sohn mit Bedauern. Der verbitterte Thore wandte sich böse an seine Mutter: „Was für einer Göttin rennst du hinterher, die dich veranlasst hat mir dieses anzutun?“ Dann trat er an den Arbeitstisch des obersten Daseinsverwalters und ließ sich von dem infizierten Kontinuum einsaugen. Alle wussten, sie würden Thore lange Zeit nicht wieder sehen und dann wäre er auch nicht mehr derselbe.

      Selbsterkennen

      Wie bist du denn nur da reingekommen, dachte Manfred an Rigo gewandt und Manfred betrachtete den Raumgleiter eingehend. Das hab ich völlig vergessen, meinte Rigo und er merkte, dass er nur noch bruchstückhafte Erinnerungen an die Raumschlacht hatte. Was für ein Jammer, meinte Manfred, aber vielleicht ergründen wir die Funktionen ja noch. Sehr beschädigt sieht es ja nicht aus.

      Auch Bernhard inspizierte das merkwürdige Gerät. Die haifischartige Haut brachte ihn auf recht pragmatische Gedanken. Ob man es essen kann? Bernhards Gedanken waren nur so dahin gedacht, stießen jedoch sofort auf entsetzte Ablehnung der anderen. Ist ja schon gut, beschwichtigte Bernhard als er Agnes erhobene Peitsche sah. Ihren grimmigen Blick kannte er irgendwo her. Ich meinte ja nur, für das Abendessen haben wir ja noch etwas von der Tafel mitgenommen, aber was ist mit Morgen und den weiteren Tagen oder Wochen? Darauf wusste niemand eine Antwort.

      Aber, wenn sie schon an Hunger und Durst sterben sollten, wollten sie wenigstens noch ein ausgiebiges Henkersmahl zu sich nehmen. So aßen sie schweigend die Reste ihrer mitgebrachten Speisen und begaben sich dann auf dem Nichts, welches wenigstens von weicher „Bettkonsistenz“ war, zur Ruhe.

      Die Hexe in rotem und schwarzem Latex war nicht zufrieden. Sie wälzte sich hin und her und wusste innerlich, dass dieses Unwohlsein nicht am vielen Essen liegen konnte. Aber auch Manfred, ein pubertierender Knabe, der unbefleckt in seiner Lederhose auf Erfüllung lauerte, konnte keinen Schlaf finden.

      So spürten beide eine brennende Gier in sich auflodern, als sich ihre Blicke trafen. Ohne Worte zu verschwenden, machte Agnes mit der Hand eindeutige Zeichen, dass sie es hinter dem Raumgefährt, welches hier im Nichts die einzige Deckung bot, treiben wollten. Und wenn es die letzte seiner Handlungen sein würde, natürlich wollte Manfred. Und wie er wollte. Es könnte die einzige Gelegenheit für ihn sein, ein „Ungebraucht zurück“ auf seinem Grabstein zu vermeiden, wenn er jemals einen Grabstein bekommen sollte. Als sich Agnes und Manfred eng an das Raumgefährt pressten, waren Manfreds Gedanken über den Tod zwar verschwunden, hatten jedoch negative Spuren bezüglich seiner Potenz hinterlassen. Solche Gedanken wirken arg hinderlich in hingebungsvollen Situationen.

      Agnes hatte ihre liebe Not, nicht nur die skurrile Lederhose zu öffnen, sondern auch das dahinter versteckte Teil zur vollen Blüte aufzubauen. Aber die Latexhexe schaffte es und Manfred, eng an den Raumgleiter gedrückt, tat sein Möglichstes. Der orgastische Jubel der beiden weckte die anderen, doch Manfred war plötzlich verschwunden.

      Nur die im Traum oder Alptraum von Manfred erdachte Bekleidung lag noch auf und um Agnes verteilt. Die Anderen hatten zwischenzeitlich den Ort des Geschehens erreicht. Rigo zog seine Waffe und fragte Agnes, diese bedrohend, was sie mit dem Jüngling getan habe. Das eine war offensichtlich, aber Agnes stritt jegliche Beteiligung an Manfreds Verschwinden ab. Ich habe zwar das Gefühl, dass mir etwas Ähnliches in einem früheren Leben bereits schon einmal passiert ist und dass du dabei eine maßgebliche Rolle gespielt hast, aber Näheres weiß ich nicht darüber. Agnes entfernte die Überbleibsel ihres Liebhabers von ihrem Körper und ein paar Tränen kullerten aus ihren überschminkten Augenlidern.

      Der Schock der Nichtexistenz, der eben noch der Schock eines überfeuchten Schoßes war, traf Manfred wie ein Blitz. War das immer so bei solchen Handlungen? Langsam kam er wieder zu sich und sein neuronales Netz, was vorher zur Untätigkeit verdammt war, fing wieder an zu arbeiten. Ein lautes, hysterisches Lachen schickte Manfred durch die Neuronen. Er war der letzte der Truppe, der Agnes gevögelt hatte. Wenn er das in der Zusammenkunft der Spiegler preisgeben musste, das wäre mal was Neues in der verstaubten, altehrwürdigen Runde.

      Ein Seelenspiegler, ja, ein Seelenspiegler war er und er hatte wieder alle seine Sinne beisammen. Er suchte telepathisch nach den Gehirnen seiner Freunde und fand sie schließlich außerhalb seines Netzes in einem fremdartigen Kontinuum wieder. Gern hätte er die Bande noch etwas, ohne über ihr Wissen um ihre reale Existenz, im Unklaren gelassen, aber die Tränen der Latexhexe rührten ihn, zumal er dieses Mal der Verursacher war. Langsam erhob sich der defektgeglaubte Raumgleiter und nacheinander verschwanden die erstaunten Gruppenmitglieder, die wie erstarrt dem Geschehen zusahen.

      Als nun alle Geister wieder an Bord waren und, als alle wieder zu ihren Vorerfahrungen gefunden hatten, waren sie froh dieses Abenteuer bisher lebend überstanden zu haben. Nur Agnes schämte sich furchtbar und verschwand im Privatbereich, den Manfred für jeden Geist angelegt hatte. Natürlich hätte Manfred einfach in diesen Bereich eindringen können, aber er klopfte und bat um Einlass, als er Agnes Trost zusprechen wollte.

      Einige Zeit blieben seine Bemühungen unbeantwortet. Dann riss eine verheulte Agnes die Tür auf, um gleich wieder im Nebenraum zu verschwinden. Du musst mir glauben, dass ich auch nicht wusste, wer ich bin, dachte Manfred reumütig. Zart berührte er ihre Seele und ließ ihren Glauben an sich selbst wieder wachsen, bis Agnes wieder ihre freche Lebenslust zeigte. Ohne dich hätte ich niemals diese Erfahrung machen können, erklärte Manfred dann begeistert.

      Für ein pubertierendes Ungeheuer hast du deine Sache aber auch nicht schlecht gemacht. Bis auf den Punkt des Verschwindens. Aber zumindest hast du nicht die Heinrich VIII Nummer abgezogen und bist tot auf mir liegen geblieben. Solche Streiche verabscheue ich, meinte Manfred schmunzelnd. Ich auch, meinte Agnes ernst und damit waren die Wogen geglättet, die Fronten geklärt und alles wieder im Lot.

      Wir müssen die Grenze unseres Kontinuums durchstoßen haben und es muss ein anderes Kontinuum direkt neben unserem gewesen sein. Anders ist unsere derzeitige Lage nicht zu erklären, meinte Manfred zu den Freunden. Wir wären aber sicher nicht durch unsere Grenze gezogen worden, wenn dieses Kontinuum nicht größer und massereicher als unseres wäre. Wir können aber froh sein, dass es gleich angrenzte, sonst brauchten wir uns keine Gedanken um unsere Existenz mehr machen. Jedenfalls ist dieses Kontinuum völlig anders aufgebaut als unseres und, wenn wir vorerst nicht zurückkommen können, müssen wir uns irgendwie hier einrichten, dachte Manfred weiter. Kontaminiert haben wir es bereits, so wie eine Mikrobe von der Erde es bei der ersten Marslandung tun wird. Es ist also nicht mehr viel zu versauen, meinte Bernhard dazu.

      Was ist denn das für eine Art Kontinuum, Manfred?, fragte Agnes, die aus ihren Gefilden unmerklich wieder zur Gruppe gestoßen war. Eine sehr gute Frage, meinte Manfred. Ich gehe davon aus, dass hier nichts war, bevor wir eintrafen. Also war es noch nicht, wie auch immer, belebt. Als wir eintrudelten, haben wir geträumt und unsere Träume wurden Realität, konstatierte Rigo, der die ganze Zeit nachdenklich zugehört


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