Der Wüstensklave. J. D. Möckli
immer euer Wunsch sein mag.«
Jamon starrt den jungen Sklaven geschockt an. Er ist wie erstarrt, aber dann springt er vom Tisch und eilt zu dem Jüngling, der immer noch auf dem Boden kauert und die Stirn gegen den Boden drückt. Langsam, um ihn nicht zu erschrecken, geht Jamon vor ihm in die Hocke und ergreift dessen Schultern. Mit sanftem Druck bringt er ihn dazu, sich aufzurichten. »Du musst dich vor mir nicht auf den Boden werfen, verstanden?« Bewusst spricht er mit sanfter Stimme und sieht dabei in das erschreckend junge Gesicht.
»Verstanden, hochwohlgeborener, gesalbter Pharao Nesut-anch-Ra. Verzeiht mir meinen Fehler.« Flehend und voller Angst vor Strafe sieht der Junge Jamon an, ehe er den Blick wieder demütig senkt.
»Kleiner, du hast keinen Fehler gemacht. Du kannst doch nicht wissen, dass ich das nicht möchte«, lächelt Jamon sanft und lässt die Schultern des Jungen los. »Wie heißt du und wie alt bist du?« Als er wieder mit ängstlichem Blick angesehen wird, zieht sich sein Herz zusammen. Er erinnert sich daran, wie er sich in der ersten Zeit bei Kai und Großvater gefühlt hat. »Du musst keine Angst haben«, fügt er lächelnd hinzu und verzichtet darauf, den Jungen noch einmal anzufassen.
»Ich bin vierzehn und heiße Kimi, hochwohlgeborener, gesalbter Pharao Nesut-anch-Ra«, flüstert der Sklave schließlich und senkt wieder den Blick.
Jamon unterdrückt ein Seufzen. »Kimi … Es reicht, wenn du mich Pharao oder Hoheit nennst.« Zu verlangen, dass er ihn bei seinem Namen nennt, würde den Jungen jetzt überfordern, ist sich Jamon sicher.
»Wie Ihr wünscht, hochwohl… Hoheit.« Erschrocken beißt sich Kimi auf die Lippen und kauert sich instinktiv zusammen.
»Du wirst dich schon dran gewöhnen, Kimi. Nun steh auf.« Langsam richtet sich Jamon wieder auf und blickt aus dem Fenster. »Die Sonne geht gerade erst auf, warum bist du denn schon so früh hier?«
Kimi wagt es aufzustehen und fährt sich durch die blonden Haare. »Ich wollte schauen, was für Kleidung Ihr braucht, damit ich sie schon für Euch rauslegen kann. Der Haus- und Hofmeister meinte, dass ihr nur mit einem Korb angekommen seid.« Angestrengt vermeidet er es, in die Richtung des Pharaos zu blicken.
»Stimmt«, murmelt Jamon und sieht zu dem Korb. »Wir mussten alles zurücklassen.« Er legt die Hand auf das Flechtwerk. »Ich habe nur das, was ich am Körper trage, Kimi.« Mit einem traurigen Lächeln sieht er zu dem Jungen. »Ich brauche nicht viel, nur Kleidung zum Wechseln.«
»Verstanden … Hoheit.« Eilig dreht Kimi sich um und rennt aus dem Zimmer, um Kleidung für den Pharao zu holen.
Mit einem amüsierten Schmunzeln blickt Jamon dem Jungen hinterher, wird dann aber schlagartig ernst. Erst jetzt wird ihm bewusst, an wie viel er sich wieder gewöhnen muss, was für ihn einst selbstverständlich war. Seufzend setzt er sich aufs Bett.
Keine halbe Stunde später klopft es erneut an der Tür und Kimi tritt mit einem ganzen Stapel Kleider ein. »Hoheit, hier ist eine Auswahl für Euch. Es ist für Euren Stand bei Weitem nicht edel genug, doch habe ich nichts Besseres finden können.« Ungeschickt legt er den Stapel auf das Sideboard und stellt sich dann mit gesenktem Kopf daneben. »Wenn Ihr Euch die Auswahl bitte ansehen würdet?« Leichte Nervosität schwingt in seiner Stimme mit.
Es ist Jamon zuwider, Kimi so demütig zu sehen, dennoch sagt er nichts, um den Jungen nicht noch mehr zu verunsichern. Stattdessen tritt er mit ausdrucksloser Miene zu dem Kleiderstapel und sieht sich die Kleidungsstücke an – edle Stücke aus Seide und Samt, Kaschmir und Merinowolle. »Die Sachen sind völlig ausreichend. Ich danke dir, Kimi, dass du sie mir besorgt hast«, sagt er sanft, während er sich eine graue Hose, frische Unterwäsche und einen dunkelgrünen Kaschmirpullover nimmt. Ohne den Jungen noch einmal anzusehen, geht er in das große Bad, das zu seinem Zimmer gehört.
Widerwille steigt in ihm auf, als er sich in dem mit Rosenmarmor verkleideten Raum umsieht. Die riesige Wanne stößt ihn ab, daher stellt er sich unter die Dusche. Warmes Wasser prasselt wie ein warmer Sommerregen auf ihn herab. Mit geschlossenen Augen steht er da, spürt, wie das Wasser über sein Gesicht läuft, und vermisst den Kälteschock, den er immer bekommen hat, wenn er zu Hause zu schnell unter die Dusche gestiegen ist.
Als er die Augen wieder öffnet, sieht er sich einer zuvor nicht bemerkten Auswahl an Duschmitteln gegenüber. Düfte von Apfel bis Zimt stehen ihm zur Auswahl. Er braucht lange, bis er endlich einen Geruch gefunden hat, der seine Nase nicht zu sehr reizt.
Schließlich verlässt er frisch geduscht und angezogen das Badezimmer, nur um überrascht festzustellen, dass Kimi immer noch neben dem Sideboard steht. »Was machst du denn noch hier?«
Wie geschlagen zuckt Kimi zusammen. »Ich muss Euch doch dienen. Ihr habt mir keine neuen Anweisungen gegeben, also warte ich hier. Habe ich Euch verärgert?«
Gedanklich schlägt sich Jamon gegen die Stirn. Wie hatte er das nur vergessen können? »Nein, du hast mich nicht verärgert und du hast auch nichts falsch gemacht«, versucht er, den jungen Sklaven zu beruhigen. »Ich habe den Fehler gemacht, zu vergessen, dass du warten musst, bis ich dir Anweisungen gebe.«
Als Kimi nun den Kopf hebt, sieht er ihn mit einem schiefen Grinsen an. »Du kannst gehen und deinen anderen Pflichten nachgehen. Bestimmt hast du noch andere Aufgaben.«
Sofort schüttelt Kimi heftig den Kopf. »Nein, ich bin einzig und allein für Euer Wohl zuständig, Hoheit. Der Haus- und Hofmeister hat gesagt, dass der Befehl vom göttlichen, himmlischen Kaiser Hadrian persönlich kommt.«
Jamon wird beinahe schlecht, als er das hört. Am liebsten würde er Kimi sagen, dass er verschwinden soll, dass er keinen Sklaven braucht, nur würde er dann den Falschen strafen, denn bestraft würde der Junge werden, wenn er seine Dienste nicht in Anspruch nähme.
»Gut, dann kümmere dich um mein Frühstück. Ich möchte aber nur etwas Einfaches haben: Brötchen und Honig und Schwarztee, wenn es den in der Küche gibt.«
Kimis Blick ist verwirrt, als er den Wunsch nach so einem einfachen Frühstück hört, das eines Pharaos unwürdig ist. Jedoch wagt er es nicht nachzufragen, sondern eilt nur aus dem Zimmer, um das Frühstück nach den Wünschen des Pharaos herrichten zu lassen.
Als Jamon wieder allein ist, setzt er sich beim Kamin in den Sessel und blickt in Gedanken versunken vor sich hin. Es wird ihm immer klarer, dass die Rückkehr in sein altes Leben für ihn schwieriger sein wird, als er es sich vorgestellt hat. Schon diese für ihn einst alltägliche Situation hat ihn an den Rand seiner mentalen Kräfte gebracht. »Wie soll ich das nur schaffen?«, murmelt er und umfasst dabei den kleinen Phönix.
Nur am Rande registriert er, wie Kimi nach einem leisen Klopfen mit einem Servierwagen reinkommt und das Frühstück auf dem kleinen Tisch neben seinem Sessel anrichtet und sich dann abwartend, mit auf dem Rücken verschränkten Händen, an die Wand stellt.
Langsam wendet sich Jamon dem Frühstück zu und beginnt zu essen. Obwohl es köstlich schmeckt, muss er sich zwingen, wenigstens zwei Brötchen zu essen und den Tee zu trinken.
Ein Klopfen lässt ihn zur Tür blicken. »Herein?«, ruft er fragend, nur um gleich darauf aufzustehen, als Kaiser Hadrian persönlich den Raum betritt. »Kaiser Hadrian, was führt Euch zu dieser frühen Stunde zu mir?« Respektvoll neigt er grüßend den Kopf, um dem Älteren dann stolz dastehend in die Augen zu blicken.
»Pharao Nesut-anch-Ra. Wie ich sehe, habt Ihr schon gefrühstückt«, stellt Hadrian mit einem Blick auf das einfache Mahl fest.
»Ja, wenn ich gewusst hätte, dass Ihr Euch hierher bemüht, hätte ich natürlich auf Euch gewartet. Darf ich Euch etwas zu trinken bringen lassen?«
Hadrian tritt näher und setzt sich auf den zweiten Sessel. »Ich habe Euch bewusst nicht vorgewarnt. Ja, ich hätte gern Kaffee.«
Jamon runzelt leicht die Stirn, ehe er Kimi den Auftrag gibt, frischen Tee und Kaffee zu bringen. Erst als sie allein sind, setzt er sich wieder hin und sieht Hadrian ernst an. »Was ist so wichtig, dass Ihr so überraschend herkommt?«
»Seht Ihr Euch imstande, Eurem Onkel den Thron wieder