Der Wüstensklave. J. D. Möckli

Der Wüstensklave - J. D. Möckli


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wieder allein, lehnt er sich gegen die geschlossene Tür und atmet tief durch, ehe er zum Tresen geht und die fünfzig Münzen auf der Schiefertafel notiert.

      Kapitel 4: Der Kaiser

      Seit zwei Stunden warten sie nun schon darauf, dass sie endlich mit dem Kaiser sprechen können. Ungeduldig mit den Fingern auf seinen Oberarm tippend, blickt Jamon aus dem Fenster. Sie sind von Hauptmann di Modena in diesen luxuriösen Raum geführt worden, den er nur zu gut aus seiner Zeit als Pharao kennt, als er hier mit Kaiser Hadrian Verhandlungen unter vier Augen geführt hat. Nun steht er hier und blickt angestrengt aus dem Fenster, um den Prunk und die Größe seiner Umgebung nicht zu sehen, die ihn zu erdrücken droht. Nur am Rande registriert er den strahlenden Sonnenschein, der die Pflanzen glitzern lässt, die schon jetzt von Sklaven einzeln mit Wasser bespritzt werden.

      Leise hallen die Schritte Seimons und Hazems zwischen den Wänden wider, wenn sie von den edlen Teppichen auf den Marmorboden treten. Allein dieser eine Raum ist so groß wie die gesamte Wohnung und der Laden der Mutsos. Dennoch fühlt Jamon sich klaustrophobisch und öffnet das Fenster. Tief atmet er die angenehm frische Luft ein.

      »Verdammt, wie lange will er uns denn noch warten lassen?«, murrt Hazem zum wohl hundertsten Mal und bleibt vor der leise tickenden Uhr stehen. »Hoffentlich haben sie dem Baby auch etwas zu essen gegeben, wie ich es ihnen befohlen habe.« Wieder nimmt er seine Runde auf und läuft über den handgeknüpften Perserteppich zum Kamin, in dem vermutlich noch nie ein Feuer gebrannt hat. Dort dreht er sich um und geht zur anderen Seite des Raumes.

      »Mein Prinz, setzt euch hin. Ihr macht mich ganz nervös.« Seimon sieht seinen Schützling vorwurfsvoll an, auch wenn er es selbst kaum auf den weich gepolsterten Sesseln aushält und immer wieder aufspringt, nur um sich, nach einer Runde durch den Raum, in den nächsten Sessel zu setzen.

      Endlich wird die Tür geöffnet und ein schlicht, aber edel gekleideter Diener betritt den Raum. Er stellt sich neben die geöffnete Tür. »Der göttliche, himmlische Kaiser Hadrian Julianus Cäsar. Ehret ihn«, spricht er laut und deutlich und verneigt sich dann so tief, dass es kurz so aussieht, als würde er sich die Nase an den eigenen Knien stoßen.

      Sofort wenden sich die drei Männer zur Tür um. Hazem und Seimon sind sichtlich ungeduldig, während Jamon mit gemischten Gefühlen dasteht und nicht weiß, was er von der einst vertrauten Routine halten soll.

      Dann ist es soweit: Der Kaiser erscheint im Türrahmen. Obwohl er schon um die sechzig Jahre alt ist, ist sein Blick feurig und straft die grauen Haare Lügen. Ein schmales goldenes Band liegt um die gefurchte Stirn und der edle mitternachtsblaue Anzug wird von dem purpurnen Umhang umspielt, als Hadrian den Raum betritt.

      Tief verneigen sich Hazem und Seimon vor dem Kaiser, jedoch nicht ganz so tief, wie der Diener, der nun den Raum verlässt und die Tür hinter sich schließt.

      Jamon widersteht dem Drang, sich auch zu verneigen. Er und der Kaiser sind einander noch immer gleichgestellt. Er neigt nur hoheitsvoll den Kopf, als der ältere Herrscher, die anderen ignorierend, vor ihn tritt. »Kaiser Hadrian. Viel zu viel Zeit ist vergangen, seit wir miteinander gesprochen haben.«

      Lange mustert Hadrian den jungen Mann vor sich. »Pharao Nesut-anch-Ra. Wie ich sehe, seid Ihr von den Toten auferstanden.« Seine Stimme ist ruhig und tief, verrät nichts von seinen Gedanken, aber in seinem Blick liegt eine gewisse freudige Überraschung.

      Erst jetzt sieht Jamon in die grauen Augen seines Gegenübers. »Man könnte es in der Tat so nennen. Wie ist es Euch in den letzten Jahren ergangen? Leider bin ich nicht wirklich auf dem Laufenden.« Ein Bedauern ist in seiner Stimme zu hören, das er nicht wirklich fühlt.

      »Das Reich ist erblüht. Innenpolitisch ist alles so, wie es zu sein hat. Euer Onkel jedoch ist ein andauerndes Ärgernis geworden. Setzen wir uns hin. Ich will erfahren, wo Ihr die letzten sechs Jahre gesteckt habt.« Mit einer Geste deutet Hadrian auf die mit rotem Samt bezogenen Sessel, in die sich nur Minuten zuvor Seimon immer wieder gesetzt hatte.

      »Sehr gern, Kaiser.« Leicht neigt Jamon wieder sein Haupt, als er an dem Älteren vorbei geht und dann vor dem einen Sessel stehen bleibend darauf wartet, dass sich ihr Gastgeber setzt.

      Erst als sich Hadrian zurücklehnt, setzt auch Jamon sich hin, gefolgt von Hazem und schließlich Seimon.

      Für einen Moment herrscht eine schon beinahe ohrenbetäubende Stille zwischen ihnen, bis sich der Kaiser bewegt und einen Knopf drückt, um das Personal zu rufen. »Bringt Kaffee und Gebäck!«, befiehlt er mit kalter Stimme, als ein Diener sich vor ihnen verneigt.

      »Natürlich, mein Kaiser«, erwidert der junge Mann und winkt seine bereitstehenden Kollegen herein, die schon vorbereiteten Tablets zu bringen.

      »Lasst uns allein!«, schnarrt Hadrian, als alles serviert ist.

      Sofort huschen die Diener mit gesenkten Blicken wieder rückwärts aus dem Raum.

      Kaum sind sie allein, greift Hadrian nach seinem Kaffee. »Also. Wo wart Ihr die letzten sechs Jahre und warum seid Ihr heimlich wie Verbrecher in mein Land und meinen Palast gekommen?« Antworten verlangend, sieht er Jamon mit stechendem Blick an.

      Dieser trinkt einen Schluck von seinem Kaffee und muss sich beherrschen, nicht das Gesicht zu verziehen, dabei hat er das leicht bittere Getränk einst jeden Morgen mit viel Genuss getrunken. Die Tasse wieder auf den kleinen Untersetzer stellend, wendet er sich dem Kaiser zu. »Nach meinem letzten Besuch bei Euch ist mein Flugzeug über der Wüste abgeschossen worden. Ich habe überlebt, jedoch erlitt ich eine Amnesie und geriet in die Sklaverei. Ich wurde ins japanische Großreich verschleppt und habe erst vor einigen Monaten meine Erinnerungen wiedererlangt. Erst durch Hohepriester Seimon und Prinz Hazem habe ich meine Freiheit zurückerhalten. Jetzt sitze ich hier und bitte Euch um Hilfe, meinem Onkel den unrechtmäßig besetzten Thron wieder zu entreißen.« Mit absolut ruhiger Stimmer erzählt Jamon so knapp wie nur möglich, was damals passiert ist. Er will unter allen Umständen vermeiden, zu viel zu verraten. Nicht einmal sein Blick verrät, wie es in seinem Innern aussieht, dass er am liebsten schreien und toben würde, wenn er nur daran denkt, was ihm angetan worden ist.

      Hadrian mustert den jungen Pharao und versucht zu ergründen, ob das Gehörte der Wahrheit entspricht. »Eine unglaubliche Geschichte. Habt Ihr einen Beweis für das, was Euch widerfahren ist?« Er hat die Fingerspitzen aneinandergelegt und wirkt augenscheinlich entspannt, so zurückgelehnt, wie er da sitzt. Erstaunt hebt er die Augenbrauen an, als Jamon nur wortlos aufsteht, das Lederband von seinem Oberarm entfernt und es auf den Tisch legt. Er bemerkt das leichte Zittern der Finger, als sie sich um den Saum des Pullovers schließen, bemerkt das kurze Zögern, ehe Jamon den Pullover auszieht und sich dann zu ihm umdreht. Scharf zieht er den Atem ein, als er die kaum verheilte, in die Haut gebrannte Taube sieht, die über dem Ankh ihre Flügel spreizt.

      Jamon spürt die Blicke des Kaisers auf seiner Haut, die ihn zu verbrennen scheinen, dennoch steht er mit hoch erhobenem Kopf da. »Reicht Euch das als Beweis, Kaiser Hadrian?« Langsam dreht er sich um und zieht sich den Pullover wieder an. Ohne eine Gefühlsregung zu zeigen, greift er nach dem Lederband mit dem eingebrannten Stempel der Mutsuos. Sanft fährt sein Daumen über das Zeichen, als er sich das weiche Leder wieder um den Oberarm legt. »Ich muss das Sklavenband noch eine Weile tragen, bis ich es endgültig ablegen kann.« Der Gedanke daran, dieses einst so verhasste Leder nicht mehr zu spüren, erschreckt ihn nun seltsamerweise.

      Mit fließenden Bewegungen setzt sich Jamon wieder hin und greift nach seiner Tasse. Er trinkt einen Schluck und nimmt sich eins der Gebäckstücke, behält es allerdings in der Hand, ohne abzubeißen.

      Hadrian will etwas sagen, muss sich aber erst mehrmals räuspern, ehe ihm seine Stimme wieder gehorcht. Schon seit Jahren hat ihn nichts mehr so schockiert, wie der Anblick des Brandmals auf hochherrschaftlicher Haut – der Haut eines Gleichgestellten. »Wisst Ihr, was damals genau passiert ist?«, bringt er schließlich hervor.

      Nun räuspert sich Seimon. »Hoheit, wenn Ihr erlaubt?« Fragend sieht er Hadrian mit leicht gesenktem Blick an, bis dieser ihm mit einem knappen Nicken das Wort erteilt. »Vielen Dank«, sagt er


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