Der Wüstensklave. J. D. Möckli

Der Wüstensklave - J. D. Möckli


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seine Aufmerksamkeit lieber wieder seinem hochwohlgeborenen Patienten zu. Er stellt erleichtert fest, dass das Sedativum gewirkt hat und der junge Mann nun nicht nur schläft, sondern sich auch der rasende Puls wieder beruhigt hat. »Er dürfte jetzt bis kurz vor der Landung schlafen. Er sollte aber so schnell wie möglich eine Therapie machen, um solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden.« Mit einem leisen Ächzen richtet sich Poniz auf, schließt seine Arzttasche, holt eine Decke unter dem Sitz hervor, die er sorgfältig über den Pharao legt, und begibt sich wieder auf seinen Platz.

      Prinzessin Helena räuspert sich und wendet ihre volle Aufmerksamkeit nun Seimon zu. »Hohepriester Marukosu, Ihr habt mich darum gebeten, Euch und Eure Begleiter aus dem japanischen Großreich zu schmuggeln. Ich möchte nun eine Erklärung haben.« Fest sieht sie den alten Mann an, der den Blick lächelnd erwidert.

      »Prinzessin, die politische Lage im ägyptischen Großreich hat uns leider zu diesem Schritt gezwungen. Wie mein junger Schützling schon sagte, ist das hier der totgeglaubte Pharao Nesut-anch-Ra. Der amtierende Pharao darf noch nicht erfahren, dass er lebt. Da der Tennoh jedoch ein Verbündeter des amtierenden Pharaos ist, hätte er bei einer regulären Abreise sofort erfahren, dass sein Neffe noch lebt.« Ihren weiterhin fragenden Blick ignorierend, wendet er sich dem Fenster zu und blickt in die Nacht hinaus, die langsam heller wird. Er ist müde und so schließt er nach einem kurzen Blick zu Hazem, Jamon und Anna die Augen und schläft nur Minuten später tief und fest.

      Amüsiert schüttelt Hazem den Kopf über seinen alten Mentor. »Ihr könnt auch überall schlafen«, murmelt er und breitet fürsorglich eine Decke über dem alten Mann aus. Dann verlangt er vom Personal eine Flasche Milch für das Baby. Mit eiskaltem Blick sieht er die Diener an, als sich diese die Frechheit erlauben, zu zögern. Kreidebleich stolpern sie daraufhin in Richtung Bordküche davon.

      Als man ihm ein improvisiertes Nuckelfläschchen mit handwarmer Milch bringt, reicht er es Anna und erlaubt es sich endlich, sich ein wenig zu entspannen. Erst jetzt wird ihm bewusst, dass die letzten Tage und Wochen auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen sind. In Gedanken versunken blickt er an seinem Cousin vorbei aus dem Fenster. Die Nacht ist schon sichtbar heller geworden. Leise seufzt er auf. Ihm ist bewusst, dass er eigentlich auch schlafen sollte, um bei ihrer Ankunft fit zu sein, aber etwas sagt ihm, dass er kein Auge zumachen wird.

      Als die kleine Toshi fertig getrunken und ihr Bäuerchen gemacht hat, steht Anna auf und geht mit ihr auf die Toilette, um sie zu wickeln. Ihr Meister hat für die Kleine noch vor ihrer Abreise Windeln besorgen lassen, die sich einfacher anlegen lassen und die empfindliche Haut nicht mehr so stark reizen.

      Als sie sich wieder auf ihren Platz setzt, wickelt sie Toshi so in ein Tragetuch, dass sie beide Hände frei hat. Todmüde lehnt sie sich zurück und bemerkt schon nicht mehr, wie sie und ihre Tochter fürsorglich zugedeckt werden.

      »Eine kranke Sklavin kann ich nicht gebrauchen«, murrt Hazem, als er die Blicke der anderen bemerkt und setzt sich mit unergründlicher Miene wieder hin. Er kann Helena nicht ausstehen. Obwohl sie so alt wie Prinzessin Ciana ist, benimmt sie sich seiner Meinung nach viel zu oft wie ein verzogenes Kind.

      Hazem lehnt sich zurück und starrt auf den Bildschirm seines Handys, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Die Bediensteten versorgen die Prinzessin und Poniz mit Decken und Nackenkissen, dann wird das Licht gedimmt. Bald ist Hazem neben den Bediensteten die einzige wache Person an Bord. Schließlich fallen ihm aber doch die Augen zu und er fällt in einen unruhigen Schlaf. Dass er von einem Diener zugedeckt wird, nimmt er nicht mehr wahr.

      In rasender Geschwindigkeit fliegt das kleine Flugzeug in Richtung des römischen Großreiches. Der Himmel, der zuerst wieder heller geworden ist, wird nun von Regenwolken verdunkelt, die sich über dem Meer zu Gebirgen auftürmen.

      Kapitel 2: Letzter Aufschrei

      »Du hast ihn verlassen! Einfach im Stich gelassen! Du hast ihn verraten! Und unsere Familie!« Vorwurfsvoll sieht Yari sein Gegenüber an. Er ist wütend und würde am liebsten auf Jamon einschlagen, aber obwohl er ihn sehen kann, kann er ihn nicht berühren. Dieser ist noch dazu völlig ruhig, was Yari noch mehr auf die Palme bringt. »Mir ist die Welt egal! Ich will zurück zu Kai! Ich will bei ihm sein! Bei unserer Familie! Aber du, du denkst nur an dich!« Er will jedes seiner Worte mit einem Stoß gegen Jamons Brust unterstreichen, doch seine Hand fährt durch ihn hindurch. »Nun sieh mich endlich an!«

      Endlich bewegt sich sein Gegenüber und hebt den Kopf. Dumpfe Augen, in denen jeder Glanz fehlt, sehen ihn an und lassen ihn einen Schritt zurückweichen. »Ich wollte auch nicht gehen. Es zerreißt nicht nur dir das Herz, sondern auch mir. Aber ich hatte keine Wahl. Es droht ein Krieg und Kai müsste dann als Kanonenfutter mitkämpfen. Das kann ich nicht zulassen! Ich muss ihn und Großvater beschützen, indem ich die ganze Welt beschütze!«

      »Die Welt ist mir egal!«, schreit Yari auf und holt mit der geballten Faust aus …

      Keuchend schreckt Jamon hoch und sieht sich verwirrt um. Er hört das Dröhnen der Turbinen, spürt das leichte Vibrieren unter seinen Händen und Füßen. Schwer atmend fährt er sich mit beiden Händen übers Gesicht und durch die Haare. »Ein Traum. Es war nur ein Traum«, murmelt er vor sich hin und lehnt sich wieder zurück. Erst jetzt registriert er die Decke, die auf seinem Schoss liegt und das Gefühl der kühlen Luft auf seinem Körper, die man nur so deutlich wahrnimmt, wenn man zuvor zugedeckt gewesen ist. Fröstelnd zieht er die Decke hoch und schlingt sie um sich. Seine Finger tasten nach dem kleinen Bernsteinphönix, den er seit Kais Rückkehr aus Wladiwostok trägt. Er spürt den von der Haut warmen Stein unter seinen Fingern und schluckt. Erst jetzt fällt ihm der Korb wieder ein, der neben seinem Platz auf dem Boden steht. Leise, um die anderen nicht zu wecken, hebt er ihn hoch und sieht hinein. »Großvater«, murmelt er erstickt, als er eins der belegten Brote herausnimmt. »Du konntest nicht wissen, wie schnell wir eine Strecke, die für euch zwei Reisetage bedeutet, zurücklegen können.« Mit zitternden Fingern packt er das Brot aus und beginnt zu essen. Wenigstens etwas, was ihn neben dem Anhänger noch eine Verbindung zu seinem Zuhause spüren lässt.

      Während er mit geschlossenen Augen isst, kullern ihm Tränen aus den Augenwinkeln. Er will nach Hause, zu seinem Sharik, zu Großvater, zu Blacky und Rocky. Er will … Das Brot ist aufgegessen und mit ihm auch die Illusion der Verbindung. Erst jetzt bemerkt er die Tränen und wischt sie sich mit dem Ärmel seines Pullovers von den Wangen. Dann sieht er das kleine Päckchen, das neben einem weiteren Brot im Korb liegt, und nimmt es heraus. Es ist flach und rechteckig. Aufgeregt wickelt er den dunkelgrünen Stoff ab und schluchzt auf, als er die Nussschokolade erkennt. Sich die Hand auf den Mund pressend sieht er auf die Tafel und versucht krampfhaft, nicht zu laut zu werden, um die anderen nicht zu wecken. »Großvater … Sharik …«

      Auf einmal fühlt er Arme um sich, spürt einen warmen Körper, an den er gezogen wird. »Anna?« Fragend sieht er sie an.

      Sie schüttelt lächelnd den Kopf. »Lasst es raus. Weinen hilft, die Seele zu heilen«, flüstert sie.

      Da schlingt er auch schon die Arme um sie und lässt den Schmerz raus. Bebend presst er sein Gesicht an ihre Schulter und weint, lässt zum ersten Mal, seit er in das Auto gestiegen ist, die Gefühle zu, die ihn innerlich zerreißen.

      Hazem sitzt bewegungslos und mit geschlossenen Augen neben seinem Cousin. Er ist bereits aufgewacht, als Jamon hochschreckte, wollte den Pharao aber lieber mit seinem Schmerz allein lassen. Erst als das Schluchzen verebbt, wagt er es, die Augen zu öffnen. Er sieht, dass Anna vor dem Pharao auf dem Boden kniet und ihn in den Armen hält. Er bemerkt die billige Schokolade in dessen Händen und fragt sich, was sie zu bedeuten hat. Er sieht sich um und stellt fest, dass die anderen noch tief und fest schlafen. Erleichtert atmet er auf, weil die Prinzessin und der Mediziner diesen Moment der Schwäche nicht mitbekommen haben.

      Er erhebt sich und reicht Jamon eine Flasche Wasser, die die Bediensteten bereitgestellt haben. »Hier, trinkt«, sagt er leise. Auffordernd sieht er ihn an, bis die Flasche ergriffen wird. »Wollt Ihr darüber reden?«

      Jamon trinkt einen Schluck und schüttelt dann den Kopf. »Es gibt nichts, worüber ich reden könnte. Ihr würdet es nicht verstehen«,


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