SAII-RON. Casy Paix
Gewissen meldete sich mit einer Stärke zurück, die mich schier erschaudern ließ. Die Leute vom Turm der Drachen waren nur wegen Saii-ron und mir gekommen. Saii-ron der nicht in dem kleinen Lederbeutel an meiner Hüfte steckte. Meine Augen suchten Tchais und er schüttelte langsam, aber bestimmt den Kopf.
„Es ist momentan besser so Layra. Saii-ron ist zu Wertvoll um ihn mit auf die Reise zum Turm der Drachen zu nehmen. Wir wissen nicht, wer sonst noch von Saii-ron weiß und es auf ihn abgesehen hat. Dort wo er jetzt ist, ist er am sichersten.“
Ich atmete tief durch. Saii-ron würde in seinem Versteck bleiben. Seit vier Jahren hüteten Tchai und ich dieses Geheimnis. Selbst Krischan hatte keine Ahnung das in dem kleinen Lederbeutel ein einfacher Stein, als Tarnung steckte.
„Wann brechen wir auf?“, fragte ich um meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.
„Die Frage lautet eher, wann brichst du auf.“
„Willst du damit sagen, du kommst nicht mit? Erst Krischan und jetzt du?“, fragte ich leicht panisch.
„Leider ja. Ich muss bei meinem Vater vorstellig werden und ihn warten zu lassen lässt seine Laune noch schlechter werden“, entgegnete Tchai und schwang die Beine aus dem Bett.
Meine eigene Laune sank augenblicklich im selben Maße.
Ich wusste, dass der Meister der Drachenwandler schon länger nach seinem Sohn verlangte, aber warum musste es jetzt sein?
In den ganzen acht Jahren hatte sich Tchai immer wieder davor gedrückt. Der anfängliche Zorn und die Mordlust seinem Vater gegenüber waren in Verachtung und schließlich in Verleugnung umgeschlagen. Ausgerechnet jetzt schien Tchai kein Grund mehr einzufallen das Ganze aufzuschieben. Oder hatte es etwas mit
Saii-rons Auftauchen zu tun?
„Du bringst ihn aber nicht um!“
Tchai lachte dunkel auf und verzog seine Lippen zu einem mir all zu vertrauten sarkastischen Lächeln.
„Vielleicht Pass einfach auf dich auf und halte dich an Shinn. Außerdem können wir uns immer noch durch unseren Gedanken in Verbindung setzen. Du bist nicht alleine Layra“.
Ich entgegnete sein Lächeln naturgetreu und drehte mich zur Zimmertür um. Vielleicht konnte ich noch ein schnelles Frühstück zu mir nehmen, bevor es losging.
Ich öffnete die Tür und die erste Person, die mir begegnete war Jasahra.
Na toll! So fängt der Morgen schon gut an!
„Sieh an, die Hohepriesterin ist auch schon aufgestanden!“, entgegnete sie und baute sich direkt vor mir auf.
„Lass mich durch“, bat ich höflich, doch sie rührte sich nicht von der Stelle.
Warum war sie mir so feindlich gesinnt? Die Reise mit ihr zusammen versprach auf eine andere Weise anstrengend zu werden.
„Ach jetzt auf einmal so eilig. Wir warten schon seit einer Ewigkeit das du erscheinst! Glaube bloß nicht das du auf unserer Reise eine extra Behandlung erfährst. Wenn du mit uns reist, ist dein Titel das Einzige, das auf das Amt der Hohenpriesterin hinweist“.
Jasahra grinste mich frech an. Dann entgleisten ihre Gesichtszüge und ihr Lächeln gefror.
„Ihr teilt euch ein Zimmer?“
Tchai schmiegte sich von hinten an mich und ich konnte das Spiel seiner Muskeln deutlich fühlen. Er war noch immer nackt.
„Oh so neugierig meine Liebe? Nun um deine Frage zu beantworten, ja wir teilen uns ein Zimmer. Wir teilen uns sogar ein Bett. Um es genau zu sagen, wir schlafen schon seit einigen Jahren miteinander“, schnurrte Tchai.
Mir stieg brennende Röte ins Gesicht und ich versuchte einen Schritt an Jasahra vorbeizugehen. Fast zeitgleich umschloss mich Tchai mit seinem Arm um die Hüfte und presste mich fester an sich. Ich wusste, das er dieses Spiel liebte. Ich konnte einen Blick an der sprachlosen Jasahra vorbei in den Raum werfen.
Krischan saß am Tisch und frühstückte in aller Ruhe.
Dawn musterte mich stirnrunzelnd, schwieg aber vorerst.
Und Shinn? Mein Blick schweifte kurz zu ihm und es reichte mir um sagen zu können, das er schlecht gelaunt war. Er lehnte mit verschränkten Armen neben der Eingangstür und beobachtete uns mit versteinerter Miene.
„Dir ist klar das es ein Verstoß gegen den Pakt und dem Abkommen mit dem Meister der …“
„Schweig Jasahra!“
Dawns Stimme erlaubte keinen Widerspruch.
„Ich denke Krischan und Tchaikor sind sich ihrer Pflichten bewusst und unsere junge Hohepriesterin wird sie noch lernen“.
„Es ist nicht das wonach es aussieht“, entschuldigte ich mich prompt und klammerte mich unbewusst an Tchais Arm fest.
Er lachte leise und hauchte mir einen Kuss auf die Wange, bevor er an mir vorbeiglitt. Meine Augen richteten sich automatisch auf seine wohlgeformte Kehrseite und ich stöhnte innerlich auf.
Ja ich wusste, das wir nicht solch eine Beziehung führen durften, aber trotzdem hätten wir wenigstens ein einziges Mal wirklich richtig miteinander das Bett teilen können. Wer hätte es merken sollen?
Immerhin hatte mir auch keiner gesagt, das man als Hohenpriesterin unbefleckt sein musste.
Tchai nahm sich ein Stück Brot vom Tisch und biss herzhaft hinein.
Jasahra hatte sich anscheinend wieder gefangen, denn sie setzte sich neben Dawn an den Tisch und verschlang Tchai mit ihren Blicken. Mir fielen ihre Worte von gerade ein. Wen hatte Jasahra mit dem Meister gemeint? Sollte ich gleich nachfragen oder lieber noch warten?
Nach Dawns befehlenden Worten war es unwahrscheinlich, das sie mir etwas erzählen würden. Die Leute vom Turm der Drachen brachten mehr Rätsel als Antworten mit. Ich nahm mir vor auf meiner Reise mit den Dreien etwas mehr über meine zukünftigen Aufgaben als Hohenpriesterin und vor allem über die Leute um mich herum herauszufinden.
Ich nahm ebenfalls am Tisch Platz und beeilte mich wenigstens noch eine Kleinigkeit zu frühstücken. Viel Hunger hatte ich eh nicht.
„Willst du dir nicht endlich etwas anziehen?“
Shinns trockene Stimme ließ mich kurz aufschauen. Tchai ging breit grinsend ein paar Schritte auf ihn zu. Mit jedem schwindenden Meter versteifte sich Shinn mehr.
„Tue nicht so, als ob es dir nicht gefällt“, säuselte Tchai leise.
Shinn kniff die Lippen aufeinander und seine Hände ballten sich zu Fäusten.
„Wusste ich es doch!“
Tchais Hand glitt über Shinns Brust nach unten, tiefer und tiefer. Meine Augen hingen wie gebannt auf den Zweien.
Ich hatte schon gehört, das Drachenwandler für alle Beziehungen offen waren, doch es wirklich zu sehen war etwas ganz anderes. Tchai war in seinem Element. Das verwunderlichste daran war jedoch, das Shinn seine Berührungen duldete. Was mich wieder zu der Überlegung brachte, in welchem Verhältnis die Beiden zueinander standen.
Ein plötzlicher lauter Knall ließ mich zusammen zucken. Ertappt sah ich zu Krischan der einen Krug Apfelmost mit anscheinend absichtlich zu viel Schwung auf den Tisch gestellt hatte.
„Layra Liebes iss richtig. Du musst bei Kräften sein, denn die Reise zum Turm der Drachen dauert lange und wer weiß wie oft ihr anständiges Essen bekommt.“
Ich nickte Krischan zur Antwort zu und beeilte mich meinen Teller zu füllen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich Shinn genervt von Tchai weg drehte und sich zu uns an den Tisch setzte, wo er sich ein Stück Brot nahm.
Krischan und Dawn schien Tchais Spiel kalt zu lassen. Nur Jasahra konnte noch immer nicht ihre Augen von dem nackten Mann im Raum lassen. Zu verdenken war es ihr nicht.
„Layra ich hoffe, du hast alles gepackt, denn wir werden in Kürze