SAII-RON. Casy Paix
den Wald. Flüchtete vor ihm.
Doch jetzt wusste ich nicht einmal, vor welcher Bedrohung ich davon lief. Ich sprang über Baumwurzeln und rannte über spitze Steine.
Kleinere Äste peitschten gegen meine nackte Haut und mein Haar verfing sich mehrmals in den Verzweigungen der Sträucher am Uferrand. Vor mir sah ich es kurz weiß aufblitzten, dann schoss auch schon Tchai an mir vorbei.
„Bleib nicht stehen. Ich kümmere mich darum.“
Wer sich auch immer dort hinter mir befand, hatte jetzt einen wütenden Drachenwandler vor sich. Seinem Befehl befolgend rannte ich weiter und erreichte nach einer gefühlten Ewigkeit endlich den Baum, unter dem meine Sachen lagen. Eilig zog ich meine Kleider über und ergriff mein Schwert, das noch immer wartend am Baumstamm lehnte.
„Tchaikor?“
„Sie sind nicht mehr da! Wir müssen zurück zu Krischan. Layra bleib wo du bist, ich komme zurück, dann können wir … Verdammt! Bei allen Gehängten, was ist denn das für …“
„Tchaikor?“
Er antwortete wieder nicht auf meinen Ruf. Unentschlossen blickte ich über den See und suchte das Ufer ab. Sollte ich auf Tchai hören und hier warten oder lieber zurück zur Hütte gehen?
Krischan ahnte noch nichts von der Bedrohung, die sich in der Dämmerung an uns heranschlich. Hoffentlich war er noch nicht vom Kräuter sammeln von den Bergen zurück. Ich hielt mein Schwert fester und ging zügig los. Unzählige Gedanken geisterten durch meinen Kopf. Das Wahrscheinlichste war, das es sich um eine Räuberbande handelte.
Ich konnte an einer Hand abzählen, wie oft wir hier Fremde zu Gesicht bekamen. Seitdem mein Dorf ausgelöscht wurde, galt die Gegend vor den Bergen als verflucht. Niemand bereiste die Route über die Berge oder ließ sich hier freiwillig nieder.
Wenn es eine Räuberbande war, dann hatten sie sich den falschen Ort ausgesucht, denn bei Krischan gab es nichts zu holen.
Ich erreichte den schmalen Waldpfad, der zu unserer Hütte führte. Mir fielen sofort die verräterischen Spuren auf dem trockenen Boden auf. Wer auch immer sich der Hütte genähert hatte, legte keinen Wert darauf unentdeckt zu bleiben. Vorsichtig überquerte ich den Pfad, um auf der anderen Seite wieder leise ins Dickicht zu gleiten. Einen Schritt vor den anderen setzend schlich ich auf die Rückseite unsere Hütte zu. Mein Schwert hatte ich halb erhoben, denn ich wollte auf einen eventuellen Angriff vorbereitet sein.
Ich erreichte die Holzwand, presste mich dagegen und sah vorsichtig durch das kleine Fenster ins Innere. So wie es schien, war Krischan zum Glück noch nicht zurückgekehrt. Auch sonst konnte ich nichts Ungewöhnliches feststellen. Alles stand noch an seinem Platz und nichts deutete darauf hin, das etwas zerstört wurde. Vielleicht war es doch keine Räuberbande und ich hatte mich geirrt.
Ein eiskalter Schauer jagte meinen Rücken hinunter, als mir ein anderer Gedanke kam.
Die fremden Reiter von damals.
Ihr Herr.
Dazai.
Begleitete mich deshalb den ganzen Tag über dieses unbestimmte Gefühl? Hatte die Vergangenheit erneut ihre Finger nach mir und Saii-ron ausgestreckt?
Tchai verdammt, wo bist du nur?
Ich sah zu dem immer dunkler werdenden Himmel hinauf, konnte ihn aber auch dort nirgends ausmachen. Langsam bewegte ich mich an der Hüttenwand entlang und spähte vorsichtig um die Ecke.
Innerhalb von ein paar Sekunden erfasste ich die Fremden. Sie waren zu dritt. Zwei Männer und eine Frau!
Sie unterhielten sich so leise, das ich nicht ein einziges Wort davon verstehen konnte.
Ich lehnte mich wieder zurück an die schützende Wand. Wer waren diese Fremden nur? Ihre Kleidung glich nicht denen von fahrenden Händlern oder Bauersleuten. Außerdem blitzte der kalte Stahl von versteckten Waffen auf. Wenn diese drei die Bedrohung von vorhin im Wald waren, wo blieb dann verdammt nochmal Tchai? Er hatte mich in der Schwertkunst und Verteidigung ausgebildet, doch üben war das Eine, ein richtiger Kampf das Andere.
Ich biss mir auf die Lippe und fluchte innerlich. Ich musste handeln, denn wenn ich noch länger wartete, dann war es bald tiefste Nacht.
Ich schob meine Angst immerhin ein kleines bisschen zur Seite, stand entschlossen auf und lief um die Ecke zur Vorderseite der Hütte. Die drei Fremden standen mit dem Rücken zu mir und hatten mich anscheinend noch nicht bemerkt.
Ich trat aus dem Schatten heraus und blieb nur ein paar Meter von ihnen entfernt stehen.
„Kann ich euch helfen?”
Meine Stimme klang fest und ich ließ nichts von meiner Angst erkennen. Die Fremden drehten sich in einer Geschwindigkeit zu mir um, sodass ich absolut sicher war das sie nichts von meiner Annäherung bemerkt hatten. Tchai konnte in der Lektion Anschleichen Stolz auf mich sein.
Auf den Gesichtern der Fremden waren die unterschiedlichsten Reaktionen zu lesen.
Überraschung, Erkennen und Verärgerung?
„Wir wollen zu Krischan!“, erklärte der Mann, der mir am nächsten stand mit dunkler Stimme.
Sein Gesicht überzog ein dichter, schwarzer Bart und auch seine Kleidung war von tiefstem Schwarz.
Was wollten sie denn von Krischan? Seit ich bei ihm war, waren noch nie solche Leute hier gewesen. Bauern, Händler und Freunde ja. Aber bewaffnete Fremde, niemals.
„Wie ihr seht, ist er nicht da. Also verschwindet!“
Panik überkam mich als ich meinen Blick zu den anderen Beiden hinübergleiten ließ. Auch sie waren in schwarze Mäntel und Hosen gekleidet. Das konnte nicht wahr sein. Mein Herzschlag verdoppelte sich und ich umgriff mein Schwert fester, sodass meine Knöchel weiß hervortraten.
Sie konnten doch nicht wirklich zu diesen fremden Reitern von damals gehören. Schnell sah ich mich um, ob ich irgendwo Pferde mit blutroten Reitgeschirr sah, konnte aber auf Anhieb keine entdecken.
Langsam wich ich einen Schritt zurück und hob mein Schwert.
„Wer bist du, das du es wagst, uns vorzuschreiben was wir tun sollen Kind?“, fragte die Frau und kam mir nach.
Ich nahm sofort meine erlernte Verteidigungsstellung ein. Mein rechtes Bein einen kleinen Schritt nach hinten, Körpermitte leicht gedreht, Knie leicht gebeugt.
Die Frau vor mir lachte leise und zog ihr bis dahin unter dem Mantel verstecktes Schwert. Ich riss erschrocken die Augen auf und verfolgte, wie sie belustigt mit ihrer rechten Hand über die geschärfte Klinge strich. Sie musterte mich interessiert und verzog ihre Lippen.
„Nett Kleines, aber weit wirst du so nicht kommen!“
Sie war schnell und ich konnte von Glück sagen, das ich Tchai als Lehrer hatte. Ihr Schwert vollführte einen horizontalen Seitwärtshieb und traf mit einem Klirren auf die Schmalseite meiner Klinge. Von der Wucht ihres Angriffs überrascht biss ich die Zähne zusammen und starrte sie panisch an. Die Frau schien von meiner Gegenwehr verwundert und eine unschöne Falte erschien auf ihrer Stirn. Mit einer schnellen Seitwärtsdrehung brachte ich mich außer Reichweite ihres Schwertes.
Der bärtige Mann wich ebenfalls ein paar Schritte zur Seite und verstellte mir, mit vor der Brust verschränkten Armen, provozierend den Weg. Fehlte nur noch der dritte Mann und sie hätten mich umringt.
Ich konnte ihn schräg hinter der Frau im Schatten der Bäume ausmachen. Wollte er sich etwa im Wald verstecken? Zumindest erweckte er nicht den Anschein seinen Begleitern helfen zu wollen.
„Mein Kind willst du uns nicht verraten, wer du bist?“
Der bärtige Schrank vor mir sah mich mit schief gelegtem Kopf und hochgezogen Augenbrauen an.
„Nein, ich kenne euch nicht und ihr seid diejenigen die bewaffnet vor unserer Hütte stehen und nach Krischan verlangt. Wenn dann müsstet ihr euch vorstellen!“
„Du