SAII-RON. Casy Paix
und wäre glücklich darüber das ich ein neues Zuhause gefunden hatte.
Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Ich nahm einen kleinen Stein vom Waldboden hoch, den ich langsam zwischen meinen Fingern hin und her rollte. Die Sonne schickte vereinzelte Strahlen durch das Laubdach über mir und hinterließ funkelnde Punkte auf dem Wasser des kleinen Waldsees. Ich liebte diesen Ort und verbrachte hier die meiste meiner freien Zeit.
Der See lag versteckt mitten im Wald, nicht weit von Krischans Hütte entfernt. Duftenden Büsche säumten seinen Rand und Seerosen in den verschiedensten Farben trieben auf seiner Oberfläche.
„Worauf wartest du noch? Anstatt deinen Gedanken nachzuhängen, solltest du endlich baden gehen! Die Dämmerung setzt bald ein und ich habe heute Nacht noch eine Verabredung.“
Ich blickte böse über meine Schulter zu dem im Gras liegenden Drachenwandler. Tchai hatte sich der Länge nach ausgestreckt, seine Arme hinter dem Kopf verschränkt und beobachtete mich nun aus einem halb geöffneten Auge.
„Warum bist du überhaupt mitgekommen?“
Ich stand von dem kleinen Stein am Ufer des Sees auf, stemmte meine Arme in die Hüften und funkelte ihn herausfordernd an.
Sein Lachen glitt provozierend über mich hinweg und ich atmete einmal genervt durch. Ich wusste, worauf er anspielte und er brachte mich jedes Mal damit zur Weißglut. Seine Verabredung heute Nacht endete garantiert damit das er schnurrend wie eine Katze und bis in die Haarspitzen befriedigt wieder Zuhause auftauchte.
Mit seinem Aussehen und seinem Körper war es nicht schwer jede Nacht eine andere Frau zu finden, die das Bett mit ihm teilte.
Nur mit seiner schwarzen Hose bekleidet lag er halb schlafend im Schatten eines Baumes. Mein Blick glitt wie von selbst über seinen gut trainierten Oberkörper und verweilte kurz auf seinem alterslosen Gesicht. 896 Jahre!
Wie konnten 896 Jahre so spurlos an einem vorbeigehen?
Nun ja, wenn man ein Drachenwandler war, dann zählte man sowieso zu den langlebigen Völkern. Die Ältesten von ihnen waren mehrere tausende von Jahren alt.
„Prinzesschen bewunderst du mich schon wieder?“
Ich verdrehte abermals genervt die Augen und wandte mich wieder dem kleinen Waldsee zu. Entschlossen zog ich mir meine bequeme Tunika über den Kopf, der kurz danach meine Hose und Unterwäsche folgten.
Meine langen blauschwarzen Haare verhüllten den Großteil meines Körpers, als ich langsam das Ufer zum Wasser hinunterging.
Ich bemerkte aus dem Augenwinkel, wie sich Tchai etwas aufrichtete und mich nun seinerseits musterte.
„Weißt du, das ich froh bin, das du dein Schamgefühl abgelegt hast.“
„Ja Tchai, du hast mir ja keine andere Wahl gelassen“, merkte ich säuerlich an.
„Was auch nicht schlecht war! Sieh dich nur an. Du bist eine wunderschöne Frau geworden. Zum Glück haben wir damals nicht darum gewettet! Ich verliere äußerst ungern.“
Ich verkniff mir meine bissige Antwort, denn ich wusste, das es Tchai liebte, mich zu ärgern. Doch heute hatte ich keine Lust dazu. Ein ungutes Gefühl beschlich mich schon den ganzen Tag. Ich war mir nicht sicher, ob es wegen des heutigen Jahrestags war, oder wegen etwas anderem, mir noch Unbekanntem.
Meine Zehenspitzen berührten das kalte Wasser des Sees. Augenblicklich überzog mich eine Gänsehaut und meine Brustwarzen stellten sich auf. Ich griff nach dem kleinen, achtförmigen Anhänger an der Kette um meinen Hals.
Die gleiche Anzahl an Jahren die seitdem vergangen war, als sie mir Krischan damals zu meinem Schutz vor ihm gegeben hatte. Dazai!
Immerhin konnte ich meinem persönlichen Albtraum einen Namen geben. Seine schiefergrauen Augen verfolgten mich oft genug in meinen Träumen.
„Lass ihn nicht deine Gedanken bestimmen, Prinzesschen!“
Tchais Warnung kannte ich schon auswendig. Gerade wenn es um diesen fremden Reiter ging, bröckelnden meine innerlich errichteten Mauern und es war ein Leichtes für Tchai meine Gefühle und Gedanken zu lesen.
„Willst du nicht endlich zu deiner Verabredung? Lass mich in Ruhe baden und wir sehen uns morgen. Ich bin groß Tchai! Ich kann auf mich aufpassen! Mein Schwert liegt griffbereit am Ufer und falls etwas sein sollte sag ich dir einfach Bescheid.”
Ich ahnte schon das mein Versuch in zu überreden, mich alleine zu lassen, scheitern würde.
„Ich warte auf dich.“
Er hatte sich schon wieder zurückgelegt und die Augen geschlossen. Sturer Ochse! Ich wusste, dass er meine Gedanken belauscht hatte, denn ein breites Grinsen lief über sein Gesicht.
Leicht verärgert wandte ich mich um, atmete einmal tief durch und ließ mich in die Knie sinken. Das kalte türkisfarbene Wasser hüllte mich ein wie ein eiskaltes Tuch.
Mit ein paar Schwimmzügen hatte ich die Mitte des Sees erreichte und tauchte unter. Langsam öffnete ich in der Stille des Wassers die Augen. Funkelnde Sonnenstrahlen durchbrachen die Oberfläche, ließen das Wasser türkisfarben schimmern und verzauberten mich immer wieder aufs Neue. Es wirkte alles so friedlich.
Wie eine in sich geschlossene Welt der Ruhe.
Als ich wieder auftauchte, schwamm ich Richtung Ufer, bis ich wieder den Boden unter meinen Füßen spürte. Ich riss eine der Seerosen ab und steckte sie mir ins nasse Haar.
Erst jetzt bemerkte ich, das ich mich fast am entgegengesetzten Seeufer befand.
Mir war gar nicht bewusst gewesen so weit geschwommen zu sein. Durch die Baumkronen konnte ich die Rotfärbung des Abendhimmels erkennen.
Wie lange bin ich denn schon im Wasser?
Fröstelnd rieb ich mir über meine Arme und watete langsam das Ufer hinauf. Der Gedanke den See zu umrunden anstatt wieder hindurch zu schwimmen gefiel mir nicht wirklich. Aber mir war zu kalt um nochmals in das Wasser zu steigen. Die Dämmerung setzte langsam ein und ich hatte weder meine Kleider noch meine Waffe dabei.
Warum hatte Tchai denn nicht gesagt das es schon so spät war? Sonst hielt er sich doch auch nicht mit seinen Ermahnungen zurück.
„Tchaikor?“
Ich rief ihn auf unserem gemeinsamen Gedankenweg. Es kam selten vor das er nicht antwortete und heute schien einer dieser Tage zu sein. Meistens ignorierte er mich, wenn er gerade seinen Spaß hatte. Vielleicht war er doch schon zu seiner nächtlichen Verabredung aufgebrochen. Andererseits hätte er mir mit ziemlicher Sicherheit Bescheid gegeben, wenn er mich alleine lassen würde.
Verdammt! Mir blieb nichts anderes übrig als nackt den ganzen Weg am Ufer zurückzulaufen. Mit jedem Schritt, den ich ging, schwang mein nasses Haar über meinen Körper und mir wurde immer kälter.
Plötzlich stockte ich mitten im Schritt. Mir war, als hätte ich hinter mir ein Geräusch gehört, das nichts mit den normalen Waldgeräuschen zu tun hatte. Ein mulmiges Gefühl ergriff mich und ich drehte mich langsam um. Nirgends war etwas Ungewöhnliches zu sehen. Vielleicht war es nur ein Tier, dessen Ruhe ich gestört hatte.
Seit wann war ich nur so schreckhaft? Es musste mit dem heutigen Jahrestag zusammen hängen. Entschlossen wollte ich weiter gehen, doch ich kam genau drei Schritte weit. Abermals hörte ich dieses Geräusch und diesmal konnte ich es einordnen. Trockene Zweige die unter schwerem Gewicht brachen!
„Tchaikor! Es ist nicht lustig, wenn du dich vor mir versteckst und ich mich tropfnass durch den Wald zurückkämpfen muss!“
Ich ballte wütend meine Hände zu Fäusten und starrte den Weg zurück, den ich gekommen war.
„Layra egal was du siehst oder hörst. Dreh dich um und renne. Ich komme dir entgegen. Sie haben mich, wie auch immer, überlistet!“
Angst breitete sich in mir aus und ich rannte los. Wer hatte die Macht einen Drachenwandler zu überlisten? Tchai zu überlisten?