ChessPlanet - Edahcor's Geheimnis. Gabriella Gruber

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       RENKO

      

      Ich gebe ganz ehrlich zu, dass ich froh bin, dass Anyta gleich gegangen ist, sonst hätte sie meine roten Wangen bemerkt. Meine Backe kribbelt vor Freude.

      Doch das berauschende Gefühl wird vom Adrenalin verdrängt, als ich erneut Schritte höre, und ich schlage hastig den Thriller auf.

      »Hallo Renko! Den habe ich auch schon gelesen, ist sehr zu empfehlen.«

      Ich atme erleichtert aus. Sie hat nichts bemerkt, dennoch mustert sie mich neugierig. Liegt das vielleicht an meinen roten Wangen?

      »Oh, hallo Frau Wozniak«, antworte ich verspätet. »Finden sie? Dann habe ich ja die richtige Wahl getroffen.«

      »Bist du alleine hier?«, fragt sie mich ganz unerwartet.

      Ich schlucke, jetzt ist Lügen unmöglich. »Äh, nein ... mit Anyta.«

      Sie nickt und streicht mit der Hand über ihren blonden Zopf, als wolle sie überprüfen, ob er auch nichts von seinem beträchtlichen Volumen verloren hat. »Gut, dann will ich euch mal nicht weiter stören. Ich will dir nur drei Worte mit auf den Weg geben.« Ihre blauen Augen fixieren mich. Sie wirkt irgendwie ... anders als sonst. Perplex nicke ich.

      »Buch. Spiel. Spiegel. Präge sie dir genau ein und verändere die Reihenfolge nicht.«

      Fragend schaue ich sie an. Was soll mir das sagen?

      Ich werfe einen Blick zu Anyta, die weiter entfernt bei einem Bücherregal steht und bildungshungrig ein Taschenbuch herausnimmt, und versuche eine Frage zu formulieren. Doch ehe ich diese laut aussprechen kann, ist Frau Wozniak spurlos verschwunden.

      Ratlos fahre ich mir durch die Haare und gehe zu Anyta. »Das war jetzt unheimlich.«

      »Ich habe auch etwas Unheimliches entdeckt. Hast du schon einmal ein Buch gesehen, das unbeschriebene Seiten hat?«

      Ich starre sie an. »Inwiefern? Wie bei einem Tagebuch oder Notizbuch?«

      »Sowas in der Art. Ich habe das Buch aufgeklappt und sehe jetzt nur leere Seiten. Kein Text. Keine Notiz. Nicht mal irgendeine Zeichnung oder ein Vermerk. Ist doch typisch für ein Notizbuch, oder?«

      Ich denke kurz nach. »Eigentlich schon, aber nur weil es ein Notizbuch mit einem merkwürdigen Titel ist und keinen Preis hat, heißt das noch lange nicht, dass es kostenlos ist.«

      Wir zucken zusammen, als uns der gedankenverlorene Blick eines anderen Kunden streift, der durch die Gänge schlendert.

      »Seit wann hast du so kriminelle Gedanken?«, flüstere ich Anyta zu, als der Mann wieder weg ist.

      »Schon immer.« Sie setzt ein böses Grinsen auf.

      »Das ist nicht witzig.«

      »Ich weiß, aber was soll ich denn sonst machen?«

      »Nachfragen?«

      »Wo denn? Ich sehe Frau Wozniak nirgends.«

      Ich seufze. »Na schön. Tu, was du nicht lassen kannst, aber ich übernehme keine Haftung für dich und besuchen werde ich dich auch nicht.«

      »Okay, eine Karte tut’s ja auch.«

      Wir lachen beide kurz auf und schauen uns dann verstohlen um. Die Luft scheint rein zu sein, also lässt sie das geheimnisvolle Buch vorsichtig in ihre Stofftasche gleiten. Ich kann es einfach nicht fassen, dass ich meiner besten Freundin dabei helfe, ein Buch zu klauen und wir uns auch noch darüber lustig machen. Wenn wir erwischt werden, bekommen wir Ärger vom Rat, werden bestraft oder vielleicht sogar eingesperrt.

      »Ich schaue mich noch ein wenig um. Es kauft mir kein Mensch ab, dass ich einen Buchladen mit leeren Händen verlasse.« Sie zwinkert mir zu und verschwindet dann zwischen den Regalen.

      Ich verschränke meine Arme vor der Brust und schüttle mit dem Kopf. Ich liebe sie einfach. Ganz egal, wie viele Bücher sie klaut. Trotzdem gefällt mir das nicht.

      Die drei Worte von Frau Wozniak kommen mir wieder in den Sinn: Buch. Spiel. Spiegel. Was auch immer das heißen mag.

      

      

      

       ANYTA

      Also nochmal: Fantasie-Abteilung, drittes Regal, viertes Fach. Da waren vorhin einige interessante Titel zu sehen.

      Ein Buch mit dem Titel »Drachenauge« fesselt meinen Blick. Vorsichtig nehme ich es heraus und lasse meine Finger über den rauen Einband gleiten. Drachenformen sind um ein gelbes Drachenauge herum geprägt. Eine ovale Form, außen herum leicht orange, zur karoförmigen, schwarzen Pupille hin immer gelber. Ich habe fast das Gefühl, dass dieses Buch zurück starrt. Egal, von welcher Perspektive aus ich es betrachte, die Pupille folgt meinem Blick ... oder bilde ich mir das nur ein?

      Schon wieder tippt mir jemand auf die Schulter. Ich fahre vor Schreck hoch. »Ah!« Offenbar gibt es keine bessere Art, mich in einem Buchladen anzureden.

      Die Person schreckt vor meinem Schrei zurück und versucht mich mit den Händen zu beruhigen. »Tut mir leid! Ich bin's, Julius. Ich wollte dich nicht erschrecken!«

      »Du? Mich erschreckt? Ich bitte dich. Ich erschrecke mich doch nicht!«

      »Schauspielern ist nicht deine Stärke, Anyta«, sagt er und lacht verlegen. Dabei bekommt er rechts ein Grübchen und seine Augen strahlen golden.

      »Pfff ... Vielleicht schauspielere ich immer und du bemerkst das gar nicht?«

      »Dann habe ich mich wohl in eine Schauspielerin verliebt.«

      Mir bleibt die Spucke weg und ich starre ihn verblüfft an. »Du bist was?«, bekomme ich krächzend raus.

      Julius wird kreideweiß im Gesicht. Sein Brustkorb hebt und senkt sich aufgeregt. »Ja, ich bin in dich verliebt. Seit über zwei Monaten schon. War das nicht offensichtlich, hm?«

      Er kommt näher an mich heran. Ich bin unfähig zu atmen, kann nicht denken, nichts sagen. Ich fühle meinen Herzschlag nicht. Zumindest nicht so, wie ich ihn in Renkos Nähe spüre.

      Wäre Talika jetzt hier, würde sie bestimmt wie ein Cheerleader in den Regalen tanzen und mich anfeuern, Julius zu küssen. Doch wenn ich daran denke, sehe ich wieder nur Renko neben mir stehen. Und plötzlich überkommt mich ein starkes Verlangen. Ist es Sehnsucht? Sehnsucht nach Renko, obwohl er nur ein paar Regale weiter steht? Oder liegt es an Julius, der gerade kurz davor ist, mich zu küssen?

      

      

       RENKO

      Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich für dieses Buch interessieren wird. Ein Mädchen, das sich in zwei Jungs verliebt und dann mit ihrem besten Freund zusammenkommt. Ich lache über mich selbst, weil ich das letzte Kapitel schon gelesen habe. Der Klappentext hat mich neugierig gemacht und in seinen Bann gezogen, obwohl Liebesromane nicht so mein Ding sind. Trotz meiner romantischen Ader sind sie mir viel zu schnulzig. Aber vielleicht liegt das auch nur an dieser bestimmten Handlung, die gerade so gut zu uns passt?

      Gedankenverloren gehe ich in die Richtung, in der ich Anyta vermute. Als ich sie schließlich entdecke, bleibe ich vor Schreck stehen.

      Eine


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