ChessPlanet - Edahcor's Geheimnis. Gabriella Gruber

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hier oben liegen lassen.

      In meinem Zimmer angekommen, kann ich es kaum erwarten, die Inhalte des fremden Kartons zu untersuchen, doch ich höre, wie jemand die Treppe hochkommt. Irgendetwas sagt mir, dass ich das Auffinden der Kiste vorerst besser für mich behalten sollte.

      Meine Mutter klopft an die Zimmertür. »Emilian? Darf ich reinkommen?«

      Mit mehr Instinkt als Verstand schiebe ich die Kiste unter mein Bett. »Ja, klar.«

      Gerade rechtzeitig, bevor sie ihren Kopf zur Tür reinstreckt. »Hast du die Kerzen?«

      »Die Kerzen?« Die Schachtel hat mich komplett aus dem Konzept gebracht. »Ach so, na klar! Hier.«

      »Ist wirklich alles okay mit dir?«, fragt meine Mutter besorgt, während sie mir die zwei Wachszahlen abnimmt.

      »Ja, alles gut. Ich habe nur nicht richtig aufgepasst und habe dadurch einen Karton umgeworfen. Alles halb so wild.«

      »Schön, das freut mich. Ich bin dann wieder unten. Das Essen ist bald fertig.«

      »Alles klar, ich komme gleich!«, rufe ich ihr noch nach.

      Ich atme durch. Das war knapp.

      Kaum ist die Tür wieder geschlossen, hole ich die noch leicht verstaubte Schachtel wieder unter meinem Bett hervor, öffne den Karton und ziehe ein großes hölzernes Brett heraus. Es sieht genauso aus wie auf der Abbildung, nur fehlen diese komischen Gegenstände ... oder was auch immer das ist.

      Ich streiche über den flachen schwarz-weißen Holzgegenstand und betrachte das Muster darauf. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, etwas so zu zeichnen, also abwechselnd mit schwarzen und weißen Stiften zu arbeiten.

      Doch das ist nicht alles, was sich in der Schachtel befindet: Ich schiebe meine Hand hinein und ziehe einen weiteren kleinen grauen Karton heraus. Auf diesem steht in Großbuchstaben »FIGUREN«. Das sind die Gegenstände von der Abbildung. Sie sehen haargenau so aus. Es gibt fast alles doppelt und manches sogar vierfach oder achtfach in zwei Farben: Schwarz und Weiß.

      Was genau ist das und wie funktioniert es? Wir haben früher sehr viele Brettspiele gespielt, aber nie war eines dabei, das so wie dieses aussah.

      Ich wähle eine der Figuren aus, eine mit einem Kreuz an der Spitze. Mit der weißen Figur in meiner Hand setze ich mich auf mein Bett, falle plötzlich nach hinten und atme schwer.

      Alles um mich herum dreht sich. Ich blinzle, doch es hilft nichts, meine Sicht verschwimmt. Panisch versuche ich an etwas anderes zu denken, bemühe mich um langsame Atemzüge. Kurzzeitig habe ich das Gefühl, jemand würde mir die Kehle zuschnüren und mich aufs Bett pressen.

      Doch schlagartig lässt dieses Gefühl wieder nach. Eine Kugel schwebt vor meinem inneren Auge. Sie ist sehr groß und erstrahlt in mehreren Farben: viele Blautöne, Grün, Weiß, Braun und Beige. Sie wirkt unendlich weit entfernt und doch so nah.

      Ich will sie berühren, doch meine Hand greift ins Leere. Um die Kugel herum glänzen ganz viele weiße Punkte, die mich an unseren Sternenhimmel erinnern, den Renko, Anyta und ich früher bis ins kleinste Detail betrachtet haben.

      Unwillkürlich fühle ich mich wohl in meiner Haut, die kribbelt, und ich komme mir vor, als würde ich von dem runden Objekt magisch angezogen werden. Von einem Moment auf den nächsten finde ich mich in meinem Zimmer wieder.

      Was war das?

      Es ist, als wäre ich aus einem Albtraum erwacht: Die Bettdecke ist zerwühlt und hängt vom Bett herunter, mein Kissen liegt auf dem Boden.

      In meiner Hand halte ich die Figur mit dem Kreuz so fest umklammert, dass meine Fingerknöchel weiß hervortreten.

      Was passiert mit mir?

      Ich lasse die merkwürdige Figur fallen und werde so wütend, dass ich schnell alle Spielsteine in ihre Schachtel befördere und mit samt Holzbrett wieder in den dunkelblauen Pappkasten stecke. Schwer atmend kann ich an kaum etwas anderes als die große Kugel denken, die noch immer eine magische Anziehungskraft auf mich ausübt. Und das, obwohl ich sie gar nicht mehr sehe.

      Schwungvoll schiebe ich die Kiste unter meinen Schrank. Dort ist am meisten Staub, dort findet sie niemand. Und hoffentlich wird auch der Vorfall von eben in diesem Staub eingehüllt.

      

      

       RENKO

       Ring, Ring!

      Warum klingelt dieser nervtötende Wecker eigentlich immer dann, wenn ich mich nochmal umdrehen wollte?

      Mit geschlossenen Augen strecke ich meine Hand aus und drücke auf den schwarzen Knopf, der ihn normalerweise auch zum Schweigen bringt. Nur heute nicht.

      »Renko, stell mal diesen Wecker ab!«

      »Ich gebe mir Mühe«, antworte ich.

      »Aber das reicht nicht«, kontert meine Schwester.

      Ehe ich den Wecker an die Wand werfen kann, klettert sie die Leiter unseres Doppelstockbettes runter und drückt elegant auf den schwarzen Knopf, der diesem quälenden Weckgeräusch augenblicklich ein Ende setzt.

      Endlich kann ich klar denken! »Welcher Tag ist heute?«, frage ich Ivy, die kleine Nervensäge, die lachend im Zimmer herumtanzt und als Antwort »Dienstaaag« singt.

      Ich setze mich auf, strecke mich und gähne, erschrecke aber, als ich die Uhrzeit wahrnehme.

      »Wer zuerst im Bad ist!«, rufe ich Ivy zu und sprinte ins Bad.

      Meine Schwester beschwert sich lautstark, aber ich lache nur und sperre die Tür ab.

      »Man Renko, ich muss Pipi!«, nörgelt sie.

      »Gedulde dich noch fünf Minuten, dann kannst du rein.«

      Ivy seufzt. »Na gut«, gibt sie zu meinem Erstaunen nach.

      Ich ziehe mich um, führe meine Morgenwäsche aus, schmiere ein ganz kleines bisschen Gel in meine blonden Haare und verlasse dann das Bad. Auf dem Flur werde ich fast von Ivy überrollt, die auf die Toilette rennt und kreischt, dass ich die Tür schließen soll. Ich lache.

      Ohne Frühstück verlasse ich mit meiner gepackten Schultasche das Haus. Mein Weg führt mich über die große weiße Grenzlinie aus Marmor, die unsere Neu- und Altstadt voneinander trennt. Auf dem Marktplatz der Altstadt ist zu dieser Zeit wenig los, die meisten der schnuckeligen Läden haben noch geschlossen.

      Die Glocken des Direktorenhauses schrecken mich auf, als hätte mich jemand bei einem Verbrechen erwischt. Noch über die braune Holzbrücke, über die ich den Hälftefluss überquere, folgen mir die Klänge. Am anderen Ufer haste ich weiter die weiße Grenzlinie entlang.

      Vollkommen aus der Puste bleibe ich schließlich vor unserer Schule stehen. Beim Anblick des Schulgebäudes muss ich immer an ein Jenga-Spiel denken, denn es besteht aus sechs großen abwechselnd rot und grau gestrichenen Blöcken, die versetzt aufeinander gebaut sind. Jeder dieser rechteckigen Blöcke besitzt zwei Stockwerke und pro Etage sind jeweils die Klassenräume für einen Jahrgang untergebracht.

      Unser Treffpunkt ist dagegen weniger spektakulär, genauer gesagt eine kleine Baumgruppe direkt neben dem Eingang. Dort stehen auch bereits Anyta und Emilian. Als sie mich sehen und mir zu winken, muss ich automatisch grinsen.

      »Und? Bereit für die Schule?«, frage ich, als ich bei ihnen ankomme.

      »Danach gehen wir schnell Jana gratulieren?«, reagiert Anyta mit einer Gegenfrage.

      Emilian nickt. »Ja, sie hat heute Morgen noch geschlafen, als ich ihr meine Glückwünsche überbringen wollte. Sie hatte gestern Spätschicht beim Kaufhaus.«

      Ich will gerade etwas sagen, da kommt die schwarze Gang in mein Sichtfeld. Justin und seine unausstehlichen Freunde sind allesamt schwarzhaarig


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