Mein Blutsbruder: Der Orden der Schwarzen Löwen – Die Jagd auf eine Mörderbande. Tomos Forrest

Mein Blutsbruder: Der Orden der Schwarzen Löwen – Die Jagd auf eine Mörderbande - Tomos Forrest


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vorüberziehende Landschaft, über der die ersten Sonnenstrahlen behutsam entlangtasteten. Da bewegte sich das Fräulein, schlug die Augen auf, sah mich kurz verwundert an und senkte gleich darauf wieder den Blick.

      »Guten Morgen! Konnten Sie gut schlafen?«

      Die junge Frau streckte sich etwas, gerade so, wie es schicklich erschien, und wir vernahmen einen Brummlaut aus der Ecke, in der sich der Priester gesetzt hatte.

      »Auch Ihnen einen guten Morgen, Hochwürden!«, sagte ich freundlich und erntete ein zweites Brummen.

      Mein Gegenüber erhob sich und nahm einen Weidenkorb aus der Gepäckablage, der mit einem gewürfelten Tuch bedeckt war. Gleich darauf stellte sie alle möglichen Leckerbissen auf das Tuch, das sie über einen freien Sitz ausgebreitet hatte.

      »Darf ich Sie zum Frühstück einladen?«, hauchte sie schüchtern, und erneut grunzte der Geistliche in seiner Ecke unwillig. »Aber Oheim, der Herr musste doch Hals über Kopf aufbrechen und wird gewiss Hunger haben! Da ist es doch Christenpflicht, mit ihm zu teilen!«

      Diesmal folgte kein Brummen, dafür erhielt ich einen bitterbösen Blick.

      Das Fräulein aber reichte mir zwei Scheiben geschnittenes Brot und deutete auf kleine Spanschachteln und Gläser.

      »Bitte, bedienen Sie sich doch, wir haben genügend dabei, um satt zu werden!«

      Tatsächlich lief mir beim Anblick der Leckereien buchstäblich das Wasser im Mund zusammen. Und als sie noch dazu ein Glas mit eingeweckter, gekochter Wurst öffnete und der Duft durch unser Abteil zog, konnte ich nicht mehr widerstehen und langte herzhaft zu.

      Dann kam der Moment, in dem unser Zug langsamer wurde, bis schließlich die Gebäude einer kleinen Stadt und schließlich der Bahnhof vor unserem Abteilfenster auftauchte. Der Zug hielt noch nicht, da war ich schon aufgestanden und öffnete die Abteiltür.

      »Herzlichen Dank für das köstliche Frühstück!«, sagte ich. »Auf Wiedersehen!«

      Das Fräulein war schon wieder rot geworden und nickte mir freundlich zu, der Priester dagegen schien aufzuatmen, weil ich endlich verschwand. Dabei würden wir uns ja sicher noch öfter sehen, denn von hier aus konnte man entweder nur in einen Zug der Staatseisenbahn nach Triest einsteigen – oder aber wieder zurück nach Innsbruck fahren.

      Da klangen die Worte des Geistlichen an mein Ohr, die er mir nachschickte. Er sprach nicht laut, aber doch sehr gut verständlich. Es war in lateinischer Sprache.

      »Accidit in puncto, quod non speratur in anno." – »In einem Augenblick kann geschehen, was man sich in einem Jahr nicht erhofft hätte«, lautete sein seltsamer Ausspruch, den er fast so betonte, als würde er den Segen erteilen.

      Ich reagierte nicht darauf, spürte aber, wie mir eine Gänsehaut über den Rücken lief. Aber ich konnte mich nicht weiter um den Priester kümmern, hier galten andere Prioritäten. Erleichtert betrat ich den Perron und blickte am Zug entlang, um auf keinen Fall den Verfolgten aus den Augen zu verlieren. Ich hatte dazu die Times vom Vortag herausgezogen, lehnte mich gegen einen der Stützpfeiler des Bahnhofdaches und tat so, als würde ich lesen.

      Dann entdeckte ich die hohe Gestalt des Barons, der sein Äußeres nur wenig verändert hatte. Die grauen Haare waren verschwunden, doch dafür trug er jetzt einen dichten, langen Bart und eine Brille mit blau getönten Gläsern. Er schien es nicht sonderlich eilig zu haben, stolzierte im Gegenteil ganz gelassen mit den anderen Reisenden hinüber in das Speiselokal im Bahnhof, während die Gepäckträger hin und her eilten, um die Koffer, Hutschachteln und Kisten in den bereits wartenden Zug nach Triest zu verladen.

      Langsam wurde ich auf meinem Beobachtungsposten unruhig. Leider war hier, im Gegensatz zu Innsbruck, nicht ein einziger Polizist zu sehen. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass man nicht längst eine Beschreibung des Gesuchten telegrafiert hatte – aber ich wollte auch meinen Posten nicht verlassen, um vielleicht auf dem Bahnhofsvorplatz nach einem Gendarmen Ausschau zu halten.

      Die Passagiere kamen nach und nach wieder zurück und stiegen in ihre Abteile. Noch immer war vom Baron nichts zu sehen. Gerade wollte ich das Speiselokal aufsuchen, als ich ihn entdeckte. Er spazierte gelassen, den Stock immer wieder auf den Boden stoßend.

      Auch ein Pfiff der Lokomotive konnte seinen Schritt nicht beflügeln. Er ging weit nach vorn zur Ersten Klasse und stieg endlich ein. Nun setzte auch ich mich in Bewegung, wollte aber nicht riskieren, in die Erste Klasse ohne ein Billett einzusteigen. Zwar gab es unterwegs keine Möglichkeit, die Reisenden zu kontrollieren, doch von nun an würde der Zug auf zahlreichen kleinen Stationen anhalten und da gab es dann mit Sicherheit auch entsprechende Kontrollen. Also steuerte ich wahllos auf die Zweite Klasse zu, spähte vom Trittbrett in ein leeres Abteil und nahm Platz. Im Vorbeigehen hatte ich einen flüchtigen Blick auf den Priester werfen können, der direkt an einer Tür saß und den Perron scharf zu beobachten schien. Als ich vorbeikam, erhob er sich, als wolle er mir den Zutritt notfalls mit Gewalt verweigern. Ich blieb kurz stehen, führte eine leichte Verbeugung aus und ging weiter. Als ich die Abteiltür schloss, ruckte der Zug auch schon an, und ich richtete mich so gut ich konnte, ein. Die erste Station würde Franzdorf sein, in noch nicht einmal drei Meilen Entfernung. Hier hatte man ein gewaltiges Viadukt gebaut, über das die Bahn für eine ganze Weile dahinzockeln würde, und ich war auf dieses Wunder der Technik schon ein wenig gespannt. Die Spannweite der einzelnen Bögen galt als Sensation und hatte schon in den vergangenen Jahren häufig Ingenieure nach Franzdorf gebracht, die das Viadukt immer wieder für ihre Arbeiten neu vermessen wollten.

      Endlich war es so weit. Der Zug machte eine große Kurve, und ich konnte einen raschen Blick auf das zweireihige Viadukt werfen. Es war wirklich beeindruckend, und da ich einige Zeit in Amerika beim Eisenbahnbau gearbeitet hatte, war ich von dieser massiven Brücke begeistert.

      Dann lief der Zug in den Bahnhof ein, ich schaute aus dem Fenster und beobachtete den Waggon Erster Klasse, doch der Baron ließ sich nicht sehen. Hier bestand auch weiter keine Gefahr, denn es gab weder einen Ausstieg zur anderen Seite noch eine Möglichkeit, von hier mit anderen Mitteln fortzukommen – es sei denn, auf trittsicheren Pferden oder Maultieren.

      Diese Bahnfahrt war einfach schrecklich. Von Station zu Station quälte sich der Zug durch die Berge, von Franzdorf über Adelsberg, St Peter, Prosecco und Grignano erreichten wir nach gut achtzehn ein halb Meilen und geschlagenen drei Stunden mühseliger Zockelbahnfahrt endlich Triest. Ich fühlte mich wie gerädert, denn auf jeder Station – ich habe hier nur die wichtigen genannt – musste ich aufpassen wie ein Luchs, um nicht den Baron aus den Augen zu verlieren, sollte er irgendwo seine Reise unterbrechen. Aber Falkenstein dachte gar nicht daran, und ich war erleichtert, als ich ihn endlich auf dem Perron erblickte, in gewohnter Weise langsam schlendernd, den Stock immer wieder heftig auf den Steinboden stoßend.

      Doch dann wurde meine Aufmerksamkeit plötzlich von einer Gruppe der italienischen Polizei gefesselt, die den Ausgang besetzt hielten und jeden Reisenden kontrollierten. Was würde jetzt gleich geschehen? Wiederholte sich alles wie in Innsbruck? Musste ich nicht die Beamten vor dem schießwütigen Anarchisten warnen? Ich drängte mich hastig durch die Menge, hatte die Hand am Hosenbund unter meiner Jacke und war bereit, sofort den Revolver zu ziehen. Doch wer beschreibt mein Erstaunen, als sich der Baron mit einem Dokument ausweisen konnte und noch dazu gut gelaunt ein paar Worte in italienischer Sprache mit den Beamten wechselte.

      Schließlich salutierte einer von ihnen, und der Baron marschierte an ihnen vorbei, ohne sich umzusehen. Jetzt war ich an der Sperre, und nun traf mich die Strenge der Kontrolle, denn ich hatte ja nichts bei mir, womit ich mich ausweisen konnte. Meine Papiere lagen noch im Hotel, und als ich die Brieftasche herauszog, um wenigstens meine Visitenkarte zu zeigen und eines meiner Fotos, das mich als Old Shatterhand zeigte, geschah es. Der wieder zusammengefaltete Zettel, den ich auf dem Fußboden des Abteils aufgehoben hatte, entfiel mir und lag direkt vor den Füßen eines Carabinieri. Der Mann bückte sich rasch und faltete das Papier auseinander, als ich gerade die Hand danach ausstreckte.

      Ein rascher Blick auf das Bild, und der Polizist versteifte sich. Er reichte es seinem Nebenmann, und plötzlich hatten


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