Mein Blutsbruder: Der Orden der Schwarzen Löwen – Die Jagd auf eine Mörderbande. Tomos Forrest

Mein Blutsbruder: Der Orden der Schwarzen Löwen – Die Jagd auf eine Mörderbande - Tomos Forrest


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etwas.«

      Ein Beamter zog mir den Revolver aus dem Hosenbund und präsentierte ihn den anderen Uniformierten. Zwei Mann rissen meine Hände nach hinten, ich fühlte das Metall der Handschellen, und ehe ich mich versah, schob man mich in eine bereitstehende, nach allen Seiten geschlossene Kutsche. Das einzige Licht kam durch die rückseitige Tür. Aber auch das kleine Fenster war vergittert, und nun fuhren die Polizisten in einem wahren Höllentempo durch die Stadt, um mich gleich darauf im Präsidium ihrem Vorgesetzten vorzuführen. Ein rascher Blick auf das Messingschild am Eingang in das große Gebäude zeigte mir, dass man mich zu einer Sonderabteilung gebracht hatte. Ich befand mich in den Händen einer Carabinieri-Einheit, die dem Minister des Äußeren unterstellt war.

      Mit einem äußerst mulmigen Gefühl sah ich dem Offizier entgegen, der gleich nach mir den Raum betrat. Man hatte mich offenbar in einen Verhörraum gebracht, der nur einen alten, schiefen Tisch und zwei Stühle enthielt. Auf den vordersten durfte ich mich mit dem Rücken zur Tür setzen, während zwei Polizisten links und rechts von mir Aufstellung nahmen. Der Offizier, der den anderen Stuhl nutzte, war in ziviler Kleidung, sodass ich seinen Dienstgrad nicht erkennen konnte. Nur das Salutieren der Uniformierten und ihre respektvoll auf ihn gerichteten Gesichter ließen mich ahnen, dass es sich um einen höheren Dienstgrad handelte.

      »Ich bin Generale di Corpo d’Armata Giuseppe D’Angelo, das bedeutet zu Ihrem Verständnis, ich bin Generalleutnant mit besonderen Aufgaben, Signore. Damit wir uns gleich recht verstehen, ich beschäftige mich nicht mit Hühnerdieben oder anderen kleinen Hehlern. Eine meine Aufgaben besteht darin, Anarchisten ausfindig zu machen und deren Planungen zu durchkreuzen. Wenn Sie kooperieren, können Sie bald wieder hier raus.« Der General sprach ein tadelloses, fast akzentfreies Deutsch. Er war ein typischer Norditaliener, dabei aber überdurchschnittlich groß, gut aussehend, elegant gekleidet, glatt rasiert und mit einem kurzen, militärischen Haarschnitt.

      »Sehr gern, Herr General!«, antwortete ich freundlich. »Das heißt, wenn ich meine Identität aufkläre, bin ich wieder ein freier Mann?«

      Der General lachte so fröhlich und laut heraus, dass die beiden anderen Polizisten Mühe hatten, ihre ernsten Gesichter nicht zu verziehen.

      »Sie sind ja ein richtiger Spaßvogel, was? Wenn Sie aus diesem Verhör entlassen werden, kommen Sie in eine Zelle, in der Sie die nächsten Wochen bis zu Ihrem Prozess verbringen werden.« Der General lehnte sich zurück und begann, an seinen Fingern zu ziehen. Das unangenehme Knacken war für eine ganze Weile das einzige Geräusch, das in diesem Raum zu vernehmen war. Plötzlich schlug der ranghohe Offizier mit der flachen Hand auf den Tisch und schien damit meine Reaktion testen zu wollen. Ich tat ihm den Gefallen, obwohl ich die Handbewegung erkannte. Ich tat so, als wäre ich mächtig eingeschüchtert.

      Als Nächstes nahm der General meine Brieftasche heraus. Dann zog er das zusammengefaltete Papier hervor, faltete es umständlich auseinander und legte es vor mir auf den Tisch.

      »Sie müssen auch gar nichts erzählen, mein deutscher Freund. Das hier genügt vollkommen, um Sie einer Spezialbehandlung zu unterziehen. Wir machen nämlich mit Anarchisten keinen langen Prozess, verstanden?«

      Bei den letzten Worten wurde seine Stimme wieder unangenehm laut.

      Wie soll ich diesem Choleriker klarmachen, dass ich mit dieser Loge nichts zu tun hatte?, überlegte ich blitzschnell und starrte verzweifelt auf meine Brieftasche. Dann hatte ich die Lösung. In meiner Brieftasche gab es zwar keinen Pass, aber dafür meine Legitimation für Amerika, ausgestellt von Josh Tailor für meine Tätigkeit als Detektiv.

      »Bitte, schauen Sie einmal in dem hinteren Fach meiner Brieftasche nach meiner Legitimation. Ich bin nach Triest gekommen, weil ich einen Verbrecher bis hierher verfolgt habe. Er war nur wenige Schritte von mir entfernt, als ich an der Sperre auf dem Bahnhof von den Carabinieri festgenommen wurde.«

      Der General warf mir einen langen, prüfenden Blick zu, dann sah er in der Brieftasche nach und zog die inzwischen reichlich mitgenommene Lizenz heraus, studierte sie eine Weile und starrte mich erneut schweigend an.

      Dann nahm er meine Lizenz noch einmal in die Hand, las sie erneut durch und warf sie schließlich auf die Tischplatte.

      »Das hat gar nichts zu bedeuten. Allein in Neapel kenne ich mehr als ein Dutzend Fälscher, die alle Papiere der Welt täuschend echt anfertigen können.«

      Ich blieb gelassen.

      »Das mag ja sein. Aber es zeigt zumindest, dass ich als Detektiv tätig bin.«

      »In Amerika. Weder in Österreich noch bei uns in Italien. Das Papier ist wertlos.«

      »Für Sie vielleicht, für mich nicht!«, antwortete ich nunmehr leicht gereizt.

      Der General wollte gerade wieder etwas erwidern, als es sehr laut an die Tür klopfte. Noch bevor D’Angelo oder einer der beiden Polizisten reagieren konnte, flog die Tür auf und krachte an die Wand.

      »Was soll das bedeuten?«, herrschte der General den Polizisten an, der eintrat und von zwei Männern begleitet wurde.

      »Generale di Corpo d’Armata – dieser Herr kommt im Auftrag höchster Kreise und verlangt, Sie auf der Stelle zu sprechen!«

      Der General wollte aufbrausen, doch der so unerwartet in unser Verhör platzende, grauhaarige und bärtige Mann hielt ihm eine mit mehreren Siegeln und großen Stempeln versehene Vollmacht entgegen, die der hohe Offizier aufmerksam las, während ich einen erstaunten Ausruf nicht unterdrücken konnte.

      »Sepp, um des lieben Himmels wegen – wie kommst du so schnell nach Triest?«

      Joseph Brendel, besser bekannt bei Freund und Feind als ›Wurzelsepp‹, zwirbelte seinen prächtigen Schnurrbart und klopfte mir auf die Schultern.

      »Charly, wie ich schon einmal sagte: Ich verstehe gar nicht, wie du dich im Wilden Westen allein zurechtfindest!«

      Wir lachten beide, aber jetzt donnerte der General uns ein lautes »Ruhe!« entgegen. Doch Sepp stand vor ihm, klein, ein wenig krumm, und feixte sich eins über das Gesicht des mächtigen Mannes.

      »Gelt, da schaugst«, ließ sich der Sepp jetzt vernehmen. Er war neben mich getreten und sah, dass ich noch immer mit den Handschellen gefesselt war. Jetzt drehte er sein Gesicht zu dem General, deutete auf die Fesseln und sagte in ganz seltsamen Ton: »Ja, wos siag i’n do? Runta mit dene Dinger, aber presto!«

      »Moment, so geht das aber nicht!«, antwortete der General pikiert. Er schien nicht alles verstanden zu haben, was Sepp da heraussprudelte. Der bemühte sich nun um eine klare, hochdeutsche Aussprache.

      »Da steht in meiner Legitimation, unterschrieben von meinem Kini, dem Ludwig, gegengezeichnet von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich, und unterschrieben von Victor Emmanuel II. von Italien, dass ich befugt bin, in Sachen Ermittlung gegen den Anarchisten-Bund, der sich nach einem bayerischen Orden ›Georgs Löwen‹ oder auch, wie ich es schon gelesen habe, ›Orden der Schwarzen Löwen‹ nennt, und den Großorden von Bayern schändet, im Sinne der Vernichtung des Geheimbundes in allen genannten Ländern, Polizeivollmacht besitze. So, verstanden, Herr? Und jetzt schließen Sie die Fesseln meines Freundes auf. Der Mann steht in Diensten der Bayerischen Krone und ermittelt hier in Triest für unsere gemeinsame Sache!«

      Der General hatte vergessen, den Mund zu schließen.

      Noch einmal warf er einen Blick auf die tatsächlich von den hohen Herren unterschriebenen und gesiegelten Legitimation, seufzte einmal tief auf, brummte etwas über die fremden Herren im eigenen Haus und gab dem neben mir stehenden Polizisten den Hinweis, mich von den Handfesseln zu befreien.

      Anton durfte und sollte Sepp auf seiner Fahrt nach Triest nicht begleiten, was dem wackeren Gamsjäger auch sehr recht war. Der Naturbursche hatte doch mehr abbekommen, als er sich eingestehen wollte, er klagte öfter über Kopfschmerzen, und Sepp bestand darauf, dass er in Tirol blieb. Innerhalb kürzester Zeit hatte er eine Lokomotive nebst einem Salonwagen zugewiesen bekommen und traf auf diese Weise nahezu gleichzeitig mit mir und dem von mir verfolgten Baron ein. Ein wenig grämte ich mich schon, denn die Fahrt mit Sepp wäre mit Sicherheit ein wenig angenehmer


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