Mädchenname. Ava Lennart
vor Kurzem jemanden. Er war auch der Grund, weshalb ich in Zürich gewohnt habe. Aber das ist vorbei, und ich lebe derzeit bei meiner Freundin Stella und ihrer Familie in Köln. Und ich wäre Ihnen mehr als dankbar, nicht über diesen Mann sprechen zu müssen.“
Charles zog fragend seine Brauen hoch.
„Der Kerl hat Sie doch nicht etwa schlecht behandelt? Dann müssen Sie mir sagen, wer es ist, und ich schwöre, er wird die längste Zeit in Zürich glücklich gewesen sein.“
Er blickte so ernsthaft, dass Julia darüber nachsann, ob er tatsächlich so mächtig war, Marcus’ Zukunft zu beeinflussen. Kurz war sie versucht, Charles’ Angebot zu überdenken. Aber, wie sie bereits Stella versucht hatte zu erklären, traf Marcus nicht alleine die Schuld daran, dass Julia sich am Ende klein gefühlt hatte. Außerdem war sie nicht auf Rache aus. Sie wollte diesen Sommer nutzen, so rasch wie möglich zu vergessen. Und wenn alle Tage so würden wie der erste, würde ihr das auch ohne Zweifel gelingen.
„Danke für Ihr Angebot, Charles, aber das wird nicht nötig sein. Was sind das eigentlich für wunderbare Blumen?“ Julia deutete auf eine hohe Vase mit auffallend exotischen Blumen, deren Blüten orange und blau auffächerten und die fast wie ein Vogelkopf anmuteten.
Charles ging grinsend auf ihre eindeutigen Hinweis, das Thema zu beenden, ein. „Das sind Strelitzien. Sie wuchsen auch mal hier im Garten beim Pool. Aber das ist lange her.“
Einen Moment verlor sich Charles in Gedanken. Keine angenehmen, wie Julia aus seiner gerunzelten Stirn schloss. Dann besann er sich wieder auf seinen Gast und hob ein weiteres Mal sein Glas.
„Sie werden sehen, Julia, auf Mirabel heilen alle Wunden schneller als anderswo.“
Lächelnd stießen sie ihre Gläser aneinander.
Der weitere Abend verging mit angeregter Plauderei wie im Flug. Erleichtert stellte Julia fest, dass Charles ein unkomplizierter und interessierter Gesprächspartner war. Er unterließ jeden weiteren Versuch, Julia über ihr Privatleben auszuhorchen. Was sie sehr erleichterte. Wobei sie selbst darüber grübelte, ob sie derzeit überhaupt ein von der Arbeit getrenntes „Privatleben“ hatte.
Das Essen war wirklich köstlich, und Julia, leicht euphorisiert vom Alkohol und den Eindrücken des Tages, genoss den Abend in vollen Zügen. Charles zog sich recht bald zurück, und auch Julia war froh, in ihrem Dahlienzimmer Ruhe zu finden. Nach dem Zähneputzen stand sie noch eine Weile auf ihrer Terrasse und schaute auf die glitzernden Lichter an der Küste und die Boote auf dem Meer. Hoch über ihr bildeten unzählige Sterne eindrucksvoll die Milchstraße. Julia stand dort, den Kopf in den Nacken gelegt, und betrachtete die flimmernden Konstellationen.
Das unvermittelt einsetzende Rauschen der Bewässerungsanlage für den Garten hatte sie an Mathieu denken lassen, und mit einem stillen Lächeln hatte sie sich wenig später glücklich in ihr Himmelbett gekuschelt. Wenn alle Tage dieses Sommers so werden wie dieser ..., hatte sie noch kurz gedacht, bevor sie eingeschlafen war.
Obwohl es noch sehr früh war, sprang Julia energiegeladen aus dem Bett, um gleich darauf ein wenig ratlos in ihrem Schlafzimmer herumzustehen. Was sollte sie jetzt tun? Ihre Arbeit mit Charles würde nicht vor zehn Uhr beginnen. Dann kam ihr ein Geistesblitz. Sie würde die Zeit nutzen, um Sport zu treiben. Genau das, was sie während ihrer zeitintensiven Tätigkeit als Anwältin nie hatte tun können.
Entschlossen kramte sie ihren Badeanzug und ihre Schwimmbrille hervor, schnappte sich eines der Handtücher, schlüpfte in Flipflops und stand schon wenige Minuten später am Rand des großen Pools. Dieser lag, genau wie am Vortag, verwunschen einsam da. Außer ein paar Insekten, die über die Wasseroberfläche tanzten, war Julia allein.
Ein erster Kältetest mit der Hand brachte sie fast wieder von ihrem Vorhaben ab. Brrr. Mehr als achtzehn Grad konnten das nicht sein. Sie hob den Blick und sah, wie die Sonne jeden Moment hinter einer Hügelkette hervorkommen musste. So würde sie wenigstens nach dem Schwimmen ein wenig gewärmt werden.
„Sei keine Pussy“, sagte sie zu sich und warf ihr Handtuch auf eine der Holzliegen nahe der Pooltreppe. Mit einem mutigen Kopfsprung zerteilte sie das Wasser. Dem folgenden Kälteschock gab sie keine Chance und begann in kräftigen Zügen ihr Brustschwimmprogramm. Herrlich! Sie genoss die meditative Wirkung, die diese gleichförmigen Bewegungsabläufe im Wasser auslösten.
Als Kind war sie in einem Schwimmverein gewesen. Weil sie damals „keinen Bock“ darauf hatte, die kostbaren Wochenenden auf Wettkämpfen zu verbringen, hatte sie das Vereinsschwimmen als Jugendliche wieder aufgegeben. Seitdem war sie nur sporadisch zum Schwimmen gekommen. Aber jedes Mal, wenn sie es tat, stieg sofort wieder ein beruhigendes Gefühl in ihr auf. Vielleicht eine Kindheitsprägung aus der Zeit, als ihr Leben noch behütet und unbeschwert war?
Julia war erstaunt und auch etwas stolz auf sich, geschätzte eintausendfünfhundert Meter zügig durchgehalten zu haben. Sie riss ihre Schwimmbrille ab, ließ sich erschöpft auf dem Rücken im Wasser treiben, starrte in den wolkenlosen Morgenhimmel und spürte ihrem pochenden Herzschlag nach. Mittlerweile lag der Pool im hellen Morgenlicht. Jetzt, wo ihr Körper von der Anstrengung so erhitzt war, genoss sie die erfrischende Kühle des Wassers. Was für ein Leben! Unwillkürlich lächelte sie breit und stöhnte wohlig. Da nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Sie wandte den Kopf – und ihr Herz setzte einen Moment aus: Mathieu.
Eigentlich hatte Mathieu nur seinen Spaten holen wollen, den er am Abend zuvor in dem kleinen Geräteschuppen hinter dem Poolhaus verstaut hatte. Während er noch das Vorhängeschloss entsicherte, hörte er ein gleichmäßiges Platschen. Wer um alles in der Welt war um diese Uhrzeit schon im Schwimmbecken? Seine Neugier siegte, und er spähte vorsichtig um die Ecke des Poolhauses.
In dem aufgewühlten Wasser konnte er eine Frau ausmachen, die in fast hypnotisch regelmäßigen Schwimmzügen das Becken durchmaß. Sie war es. Er holte tief Luft. Sein Verstand sagte ihm, er sollte sich so schnell wie möglich entfernen. Aber gleichzeitig war er wie gelähmt. Sein Gehirn wurde blank, und er vergaß vollkommen, dass er vorgehabt hatte, vor der Ankunft der Natursteinlieferung die letzten Begradigungen vorzunehmen.
Automatisch ging er noch einen Schritt auf das Becken zu, ohne den Blick von der Schwimmerin abzuwenden. Es war faszinierend, wie gleichförmig sie sich bewegte. Er lehnte sich an die Wand des Poolhauses und holte seinen Tabakbeutel hervor, um seine unnützen Hände zu beschäftigen. Die vertrauten Handgriffe beruhigten ihn. Dann vernahm er ein leichtes Stöhnen.
Er hob den Blick und sah, dass die Frau mittlerweile auf dem Rücken im Wasser lag und wie eine zufriedene Katze lächelte, angestrahlt vom gleißenden Morgenlicht. Die ganze Szenerie erinnerte Mathieu auf einmal an keusche 50er-Jahre-Hollywoodfilme mit diesen üppigen Synchronschwimmerinnen in geblümten Badekappen und mit Dauerlächeln. Fast erwartete er, dass die Frau mit gespanntem Rist grazil ein Bein in die Höhe recken würde. Gleichzeitig schien sein Körper diese Szene alles andere als keusch zu finden. Im Gegenteil.
Teile ihres Körpers ragten über die Wasseroberfläche, ihre Hände, ihre Schultern, ihre Hüftknochen, ihre Knie, ihre Füße. Er konnte jedoch den Blick nicht von ihren Brustwarzen wenden, die sich deutlich unter dem grünen Badeanzug abzeichneten. Ihr Stöhnen war ihm direkt in die Lenden gefahren, und er veränderte unruhig seine Beinstellung. Schon wieder führte er sich wie ein Teenager auf. Er sollte jetzt wirklich gehen. Noch war es nicht zu spät, sie hatte ihn noch nicht entdeckt. Warum, verdammt, ging er dann nicht einfach? Stirnrunzelnd wandte er sich wieder dem Drehen der Zigarette zu. Was war nur los mit ihm?
Lässig an die Wand des Poolhauses gelehnt, drehte er sich seelenruhig eine Zigarette. Hatte er sie etwa beobachtet? Spanner! Julia räusperte sich.
Da hörte er ihr Räuspern und wusste, dass das Unvermeidliche geschehen würde. Sie starrte ihn mit fragend gehobenen Brauen an. Als hätte ihn ein Teufel