Das Model und der Walflüsterer. Ava Lennart

Das Model und der Walflüsterer - Ava Lennart


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etwas gegen die Dilden?“

      „Äh, Nein. Im Grunde spricht nichts gegen Dirndl.“ Bewusst deutlich spreche ich das Wort aus. „Das Einzige wäre, es entspricht nicht dem bisherigen Stil von Babe in Germany.“ Mister Chang wartet auf weitere Erklärungen. „Sehen Sie, ich entwerfe Kleidung für die modebewusste, moderne Frau, die auf diese Attribute während ihrer Schwangerschaft nicht verzichten möchte. Ein Dirndl hingegen ist Symbol für ein sehr konservatives, traditionelles Frauenbild. Viele mögen es abstreiten, aber zumindest Frauen tragen Dirndl hauptsächlich, um Männern zu gefallen. Die weiblichen Vorzüge werden hervorgehoben: tiefer Ausschnitt, breite Hüften, schmale Taille...“

      „Was ist dagegen einzuwenden? Sind sie etwa eine Emanze?“ Ich kann ein leises Ächzen nicht zurückhalten und ringe unbewusst meine Hände. Bin ich eine Emanze? Nur weil meine Mode die weiblichen Reize nicht plakativ unterstreicht? Der Begriff kommt mir so veraltet und überflüssig vor. Schließlich leben wir in einer modernen Welt und die Frauen sind – dank der radikalen Emanzen der Vergangenheit – schon weit gekommen. Ich habe Glück in einer Generation geboren zu sein, in der für Frauen vieles selbstverständlich ist, was es fünfzig Jahre zuvor nicht gewesen ist. Aber ich bin keine Emanze. Wenn ich ehrlich bin, tendiere ich sogar zur hoffnungslosen Romantikerin. Ich sehne mich insgeheim nach einem starken Beschützer, der mir bei schwierigen Entscheidungen im Leben beisteht. Meiner schlechten Erfahrung mit Männern nach, vor allem mit einem Mann, bleibt dies wohl für immer eine Illusion. Einen Helden gäbe es für mich nicht und damit basta. Der Hang zum Träumen hat allerdings nichts mit meinem kreativen Geschmack zu tun. Hier bevorzuge ich klare Formen. Wie soll ich das Mister Chang nur klarmachen, ohne ihn zu verprellen? Während ich mit mir ringe, erkenne ich beim Blick in Mister Changs Augen, dieser rechnet ohnehin nicht mit einer Antwort.

      „Sehen Sie, Miss Sommerfeld: Frauen sind bezaubernde Wesen und sollten dies den Männern zeigen dürfen. Das spielt jedoch keine Rolle, denn ich denke da rein geschäftlich. Sie haben die Restaurantchefin gestern gehört. Seit die Bedienung Dilden trägt, sind die Umsätze gestiegen. Ich brauche ein sicheres Konzept, wenn ich investieren soll.“

      „Ja, aber...“ Mister Chang hebt die Hand und bittet um Geduld.

      „Diese Dilden werden nun einmal in den Köpfen der Leute mit Deutschland assoziiert. Das passt doch hervorragend zu dem Image Ihres Labels.“ Auf die Schnelle fällt mir kein Gegenargument ein, was mich maßlos ärgert. Sonst bin ich immer diejenige, die das letzte – selbstverständlich bessere – Wort hat.

      „Miss Sommerfeld. Ich war vor ein paar Wochen in Qingdao auf dem Beer Festival. Das ist ein chinesisches Oktoberfest und sie werden es nicht glauben: es gibt Blasmusik und die Leute tragen bayerische Tracht. Das ist der Renner! Und heute Nacht habe ich mich kundig gemacht. Überall auf der Welt gibt es Oktoberfeste: in den USA, Australien, auch hier in Kanada. In Japan sind die Dilden so angesagt, dass manche Frauen täglich darin herumlaufen. Aber die Japaner waren schon immer etwas verrückt“, grinst er. Dann wird er wieder ernst. „Was also spricht dagegen, es wenigstens zu versuchen?“

      Hilflos blicke ich zu Jill, die verhalten ihre Schultern zuckt.

      „Okay, dann versuchen wir es. Ich werde ein, zwei Dirndl entwerfen.“ Mister Chang stellt seine Teetasse ab und ergreift meine Hände.

      „Wunderbar, ich wusste, wir einigen uns. Sie werden sehen: die Dilden von Babe in Germany werden der Renner.“

      Nachdem wir Mister Chang verabschiedet haben, fühle ich mich völlig entkräftet. Jill drückt mich kurz und klopft mir beruhigend auf den Rücken.

      „Weißt du, Elle, freu dich doch. Wenn wir das mit dem Dirndl gut hinbekommen, steigt er ein und der Tag gestern war ein voller Erfolg. Vielleicht hat er recht und die Sache wird der Renner. Schaden kann es bestimmt nicht.“

      Ich bin mir da nicht so sicher. Dirndl. Das wird vermutlich meine hart erarbeitete Anerkennung in der Branche versauen. Außerdem habe ich keine Idee, wie ich Mister Chang davon abbringen kann, weiterhin „Dilden“ zu sagen. Das wird sicherlich noch zu peinlichen Zwischenfällen kommen. Wieder betrachte ich das Foto meiner Tochter und bin versucht, dieser die Schuld an meinem Dilemma zu geben. Aber die strahlenden Augen der Vierjährigen halten mich davon ab. Während ich mich in meinem Drehstuhl leicht hin- und herdrehe, lasse ich das Treffen noch einmal Revue passieren. Jill öffnet die Tür und setzt sich an den zweiten Schreibtisch im Raum. Mein Blick bleibt anerkennend an dem klassischen Schnitt von Jills Seidenbluse hängen. Unvermittelt habe ich eine Inspiration. Das klassische schwarz-weiß von Jills Garderobe ließe sich doch auf ein Dirndl im Babe in Germany- Stil anwenden! Plötzlich hellwach, greife ich nach einem Bleistift und beginne mit raschen Strichen meine Vorstellung zu skizzieren. Vielleicht ist Mister Changs Idee nicht so schlecht.

      Obwohl es eigentlich Valéries Idee war.

      Das Telefon klingelt. Auch das noch. Ich mag es überhaupt nicht, in einer kreativen Phase gestört zu werden. Geistesabwesend hebe ich den Hörer ab. Die Stimme meiner Assistentin Kitty klingt belustigt.

      „Elle, da ist ein Verehrer für dich in der Leitung.“ Ratlos senke ich den Stift. Ein rascher Blick auf die Uhr bescheinigt mir zwei Stunden konzentriertes Schaffen.

      „Ein Verehrer?“ Jill blickt neugierig zu mir hinüber. Kurzzeitig blitzt das Bild der braungebrannten Unterarme dieses Bootstypen vor mir auf. Mein Herz klopft wild, als ich mich an seinen herben, männlichen Geruch und das unverschämte Grinsen erinnere.

      „Ja, ein Neil O´Ryan. Er hat gesagt, er möchte die schönste Frau des Büros sprechen. Ich war unschlüssig, ob er da nicht bei mir gerade richtig war und wollte ihn erst gar nicht zu dir durchstellen.“ Kitty kichert, doch ich höre ihrer Blödelei nicht richtig zu.

      Es gibt nur einen Grund für Neil, mich anzurufen. Er will mich gnadenlos anbaggern. Kurz überlege ich, mich verleugnen zu lassen. Dann ermahne ich mich innerlich. So wird das nie etwas mit einem Mann. Neil ist zweifellos attraktiv und vielleicht hat er sich seit damals weiterentwickelt. Ich beschließe, ihm eine zweite Chance zu geben.

      „Gib ihn mir.“ Ich lehne mich zurück und betrachte die Skizzen vor mir. „Neil. Du hast ja nicht viel Zeit verloren.“

      „Hey schöne Frau. Warum sollte ich? Da winkt das Schicksal mit dem Zaunpfahl, und führt mich wieder über deinen Weg. Das kann ich nicht ignorieren.“ Ich schmunzle widerwillig.

      „Du hattest immer schon einen übertrieben blumigen Charme, Neil.“ Er lacht herzhaft. Ein schönes, tiefes Brummen.

      „Elle, gib es zu, es kann kein Zufall sein, wenn wir uns nach all den Jahren ausgerechnet auf diesem Boot treffen.“

      „Ja, das war unerwartet.“

      „Ich habe lange genug auf meine Traumfrau gewartet. Gehst du heute mit mir essen?“ Traumfrau? Obwohl oder gerade weil ich schon lange nicht mehr so schamlos angebaggert wurde, erröte ich. Jill schaut neugierig hinüber, und ich drehe mich in meinem Stuhl Richtung Fenster.

      „Heute? Das geht leider nicht. Ich habe bereits etwas vor. Meine Tochter macht ein Praktikum und ich werde sie an ihrem ersten Tag begleiten.“

      „Ah, ja. Das Praktikum im Heidelberg. Alexander hat mir davon erzählt. Na, das trifft sich doch hervorragend. Ich liebe das Essen dort. Ich könnte dich um acht Uhr abholen.“ Er überrumpelt mich. Insgeheim habe ich gehofft, ihn noch etwas hinhalten zu können. Solange, bis ich mir darüber im Klaren bin, ob es eine gute Entscheidung ist, Neil zu daten.

      „Nein, ich werde früher da sein. Valéries Schicht beginnt am Nachmittag und ich wollte gegen sechs vorbeischauen und sehen, wie sie sich macht.“

      „Kein Problem, Süße. Wo du bist, werde auch ich sein. Bis heute Abend. Und...“, er senkt sinnlich die Stimme, „...ich freue mich auf dich.“ Mindestens eine Minute, nachdem das Freizeichen ertönt, starre ich noch auf den Hörer. Ich kann es nicht leugnen, ich habe Lampenfieber.

      „Sag bloß, du hast ein Date?“ Jills Tonfall lässt


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