Das Model und der Walflüsterer. Ava Lennart
die Hand auf den Arm gelegt und lacht ebenfalls. Selbst mein Vater Peter und der chinesische Gigolo-Ehemann grinsen wie die Honigkuchenpferde. Was wird das, wenn es fertig ist?
Christiane hat mich erspäht, wie ich erstarrt bei der Tür stehe. Ihr Lachen erstirbt und sie kräuselt missbilligend die Stirn.
„Alexander, da bist du ja.“ Die Anzug-Elle hört auf zu lachen und blickt in meine Richtung. Zieht sie etwa wieder die Augenbrauen beim Anblick der verschmierten Bootsklamotten hoch? Ich schnaube zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Tage ungläubig.
„Tut mir leid, Ma. Zum Umziehen war keine Zeit mehr. Ich musste mich um das Telefon dieser Dame kümmern.“ Mit Mühe unterdrücke ich es, anklagend mit dem Finger auf sie zu zeigen, zucke mit meinem stoppeligen Kinn in ihre Richtung. Noch nicht einmal für mehr als einen kurzen Austausch mit Bobby war Zeit. „Du kannst mir glauben, ich hätte eine warme Dusche und frische Klamotten vorgezogen. War nicht so einfach, das elendige Handy aus meinem Boot zu porkeln.“ Mit ein paar Schritten nähere ich mich dem Tisch und lege das Telefon rüder als beabsichtigt vor Elle ab. Sie checkt hastig das Display und runzelt die Stirn, weil es keine einzige Nachricht anzeigt. Misstrauisch schaut sie mich an.
Als ob ich es nötig habe, ihre Nachrichten zu lesen!
„Soweit ich das sehen konnte, funktioniert alles. Ich bin Ihnen also nichts mehr schuldig.“ Ich verschränke die Arme vor der Brust und funkle sie an. Am liebsten wäre mir, sie schnappt Mann und Tochter und verschwindet auf der Stelle aus meinem Leben. Aber ich kenne meine Mutter. Sie hat diesen speziellen Gesichtsausdruck und dass das Trio am Stammtisch sitzen darf, lässt mich Ungutes erahnen. Jetzt wechseln meine Eltern einen bedeutungsvollen Blick.
Daher weht also der Wind. Sie wollen mich mit dieser Tussi verkuppeln. Ich hätte mir gleich denken können, wie meine Eltern auf diese Schickimickimaus abfahren. Sie hat ein Kind und ihre Fruchtbarkeit ist damit sozusagen amtlich besiegelt. Meine Eltern sind der Ansicht, ich sei ihnen einen Haufen Enkelkinder schuldig und solle mich gefälligst an die Produktion machen.
Aber nicht mit mir!
Nicht mit dieser Frau!
Nur über meine Leiche!
Außerdem hat sie bereits einen Typen, der im Übrigen nicht gerade dezent meiner Kollegin Mona in den Ausschnitt gafft. Vor den Augen seiner Frau.
Oder ist sie das nicht? Wissen meine Eltern mehr als ich?
„Zieh nicht so ein finsteres Gesicht und vor allem die Jacke aus. Warum setzt du dich nicht einen Moment zu uns, Junge.“ Mein Vater rückt auf und deutet auf den freien Platz. Bewusst, mich wie ein trotziges Kind zu verhalten, verdrehe ich die Augen. Als ob ich dafür vor der Schicht Zeit hätte.
Die Tochter der Anzugtussi mustert mich fasziniert. Mit einem ergebenen Seufzer entledige ich mich der schweren Jacke und setze mich neben Peter. Mein Vater verzieht das Gesicht.
„Eine Dusche wäre tatsächlich angebracht vor deiner Schicht.“ Auch meine Mutter rümpft die Nase. Wieder verdrehe ich die Augen. Valerie kichert und tauscht einen verschwörerischen Blick mit mir. Ich weiß selbst, ich habe dringend eine Dusche nötig. Hören sie mir nicht zu? Ich habe soeben gesagt, dass dafür keine Zeit gewesen ist.
„Lass ihn, du weißt, was heute für ein Tag ist“, hält Peter meine Mutter von weiteren Bemerkungen zurück.
Verbissen streife ich die Ärmel des Seemannspullis bis zu den Ellbogen. Als ich hochsehe, trifft mich Elles Blick von gegenüber. Sie hat die Lider gesenkt und die Nasenflügel wirken geweitet. Sie schnuppert. Das scheint eine Eigenart von ihr zu sein. Was soll das? Hat sie die Warnung meiner Eltern nicht gehört? Sie wirkt allerdings nicht angeekelt.
Im Gegenteil.
Dann fällt ihr Blick auf das Tattoo, das sich von meinem Handgelenk den Arm hinaufschlängelt. Ich weiß, es wirkt, als bewege es sich im Spiel der Muskeln und Sehnen. Das war der Clou, weswegen ich mich für den Koi entschieden habe. Elle beißt sich auf die Unterlippe, was ein unerwartetes Rieseln in meinen Lenden auslöst. Eine diffuse Gewissheit tröpfelt in meinen Verstand. Kann es sein, dass sie auf mich steht? Die Business-Tussi, die mich für einen Hinterwäldler hält? Mein Blick huscht zu dem Chinesen, der in ein Gespräch mit dem Mädchen und Christiane vertieft ist. Auf einmal bin ich mir sicher, er ist nicht ihr Mann. Ein warmes Gefühl zuckt kurz durch meinen Bauch. Bevor ich es greifen kann, ist es weg.
Lässig lehne ich mich zurück und zeige ihr mit einem überlegenen Lächeln, dass ich sie durchschaue. Sieh her, Elle, kühle Attitüde hast nicht nur du drauf! Als sie den Blick von den verschlungenen Wellenmustern hebt, zuckt sie ertappt zusammen. Hektisch richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Tochter und den Chinesen. Eins zu Null für mich! Ich wende meine Augen nicht von ihr. Die Sache beginnt, mir Spaß zu machen.
Der Chinese erhebt sich und fragt nach den Waschräumen. Da er am Ende einer Bank sitzt, stehen meine Mutter und Valérie auf und lassen ihn durch. Gerade als sie stehen, fragt das Mädchen Christiane:
„Kannst du mir dieses Dirndl zeigen?“
„Aber ja, komm mit, ich habe es in den Personalumkleiden.“ Die Kleine strahlt und mit einem kurzen Blick zu ihrer Mutter entfernen sie sich. Wie aufs Stichwort erhebt sich Peter, Lieferpapiere zusammenraffend, die vor ihm auf dem Tisch gelegen haben.
„Sie entschuldigen mich. Es gibt einiges zu erledigen. Hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich hoffe sehr, Sie besuchen uns öfter.“ Er reicht Elle die Hand. Diese schlägt zögerlich ein. Ihr Blick streift kurz den meinen. Sie setzt ein unverbindliches Lächeln auf.
„Valérie scheint es hier gut zu gefallen und es ist wirklich gemütlich bei Ihnen. Ich denke also, wir werden wiederkommen. Hat mich ebenfalls gefreut.“ Zufrieden wendet sich mein Vater ab.
Schon stoße ich wieder laut den Atem aus, so arrangiert kommt mir diese unmittelbare Zweisamkeit vor.
„Sie hören sich selbst schon an, wie die Wale.“ Jäh schnellt mein Kopf zu ihr hin und ich hebe fragend die Brauen.
„Na, ich meine Ihr Schnauben. Das haben Sie schon den ganzen Tag gemacht. Es hört sich genauso an, wie das der Wale.“
Was ist das denn für ein Spruch? Ist das etwa ihre Vorstellung von höflicher Konversation? Als Antwort ziehe ich nur die Schultern hoch. Ohne den Blick von ihr zu nehmen, greife ich nach einem Stapel Bierdeckel, den ich automatisch mische wie ein Kartenspiel. In mir brodelt es. Sie soll auf keinen Fall denken, ich sei der Hinterwäldler, für den sie mich hält. Auch wenn ich angeblich wie die Wale schnaube. Tue ich das? Würde mich nicht wundern: so viel Zeit, wie ich mit diesen Tieren verbringe.
Ich habe zu oft im Leben Smalltalk betrieben und verspüre gerade absolut keine Lust dazu. Elle fixiert angestrengt die Tischplatte. Plötzlich muss ich grinsen, so offensichtlich ist es, wie sie sich unter meinem unablässigen Blick und unserem Schweigen windet. Am liebsten hätte ich vor Vergnügen begonnen, ein Liedchen zu pfeifen. Die umsitzenden Gäste schwatzen angeregt. Aus einer der Boxen in der Nähe unseres Tisches ertönt leise deutsche Volksmusik. Ich fahre mit meinen schwarz umrandeten Fingernägeln am Rand eines Bierdeckels entlang. Nach einer gefühlten Ewigkeit gibt sie es wohl auf, darauf zu hoffen, dass dieser Mister Chang oder Valérie bald zurückkommen. Sie hebt den Kopf.
Wenn ich dachte, sie sei schüchtern, habe ich falsch gelegen. Ihre grünen Augen fixieren mich jetzt auffordernd. Mein Herz stolpert für einen Moment, so sehr ziehen mich diese tiefgrünen Seen in die Tiefe. Ihr Blick sendet Blitze. Mein eigener Herzschlag pocht laut in den Ohren. Himmel, die Frau ist unberechenbar! Es kostet mich mehr Anstrengung als gedacht, meine gelangweilte Miene beizubehalten. Nach einer Weile kräuselt sich ihre Nase. Mein Verhalten geht ihr wohl gegen den Strich. Ich starre auf die sich bewegenden Sommersprossen. Cool bleiben!
„Das war sehr schönes Wetter auf unserem Bootsausflug heute.“ Ihre Stimme klingt atemlos. Sexy.
Das Wetter, echt jetzt? Meine rechte Augenbraue hebt sich zeitgleich mit den Mundwinkeln.
„Ja. Stellen Sie