Adlerholz. Irene Dorfner

Adlerholz - Irene Dorfner


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schließlich kommen Sie aus einer der angesehensten Familien Mühldorfs, die es bestimmt nicht gerne gesehen hat, dass ihr Erbprinz zur Polizei ging,“ Grössert nickte nun ebenfalls. „Laufen Sie herum wie Sie wollen, mir soll es recht sein. Ich bevorzuge bequeme, zweckmäßige Kleidung, gerne auch vom Flohmarkt. Ich verbitte mir jeglichen Kommentar dazu. Und Sie, schöner Mann, sind also Hans Hiebler.“ Sie musterte ihn nun ebenfalls von oben bis unten, was Hiebler sehr unangenehm war. „Von Ihren Weibergeschichten habe ich gehört. Halten Sie sich bitte während meiner Anwesenheit zurück – vor allem bei den Frauen, die uns im Laufe des Falles über den Weg laufen sollten. Ich möchte keine Gewissenskonflikte oder Störungen diesbezüglich. Wenn der Fall abgeschlossen ist, können Sie natürlich machen, was Sie wollen.“

      „Zu gütig,“ entfuhr es Hiebler.

      Den Polizisten hatte es die Sprache verschlagen, offenbar kannte diese Frau Westenhuber die Personalakten nicht nur auswendig, sondern hatte Informationen weit darüber hinaus.

      „Und eins sollten wir sofort klarstellen: Meine Kollegen zeigen Rückgrat und lassen sich nicht einfach so von einem Mann wie diesem Fuchs hinhalten, verstanden?“ Sie sah auf ihre Uhr. „Wir treffen uns um 14.00 Uhr im Büro in Mühldorf. Jetzt ist es gleich 12.00 Uhr und ich würde gerne noch eine Runde joggen gehen. Die Fahrt hierher hat mich etwas geschlaucht und meine Glieder sind noch ganz steif. Bis später.“

      Sie lachte, als sie in die verblüfften Gesichter der Kollegen blickte und dann zu ihrem Fahrzeug ging. Sie liebte solche Auftritte.

      „Was war das denn?“ Leo sah der Frau hinterher.

      „Das ist Ihre neue Vorgesetzte und Sie können sich glücklich schätzen, dass sich eine solche Kapazität bereiterklärt, in Mühldorf aushilfsweise zu arbeiten,“ sagte Friedrich Fuchs mit einem bewundernden Blick.

      „Was wissen Sie von ihr?“

      „Ich habe mehrere ihrer Vorträge besucht. Sie hat zwei Doktortitel und hasst es, wenn man diese verwendet. Außerdem hat sie viele Fortbildungen in Amerika absolviert und ist dort mit den einflussreichsten Männern auf Du und Du. So eine bescheidene, energische Frau. Und sie hat einen messerscharfen Verstand und kann sehr gut kombinieren. Was um alles in der Welt führt so eine Frau zu uns nach Mühldorf? Eins ist sicher: Frau Westenhuber ist für diesen Posten vollkommen überqualifiziert.“

      „Was erzählen Sie denn da für eine gequirlte Scheiße, Fuchs? Wir sind hier doch nicht die tiefste Provinz. Auch hier haben die Menschen ein Recht darauf, personell vernünftig versorgt zu werden,“ schnaubte Hans, der wegen der Bemerkung von dieser Frau stinksauer war, in seinen Wagen stieg und davonbrauste. Was bildete sich diese Pute eigentlich ein? Er war unverheiratet und konnte sich schließlich mit so vielen Frauen treffen, wie er wollte. Das war seine Privatangelegenheit und ging sie überhaupt nichts an. Außerdem war es eine Grundregel von ihm, dass er sich mit Frauen, die er während eines Falles kennenlernte, niemals während des Falles verabreden würde. Hielt ihn diese Frau Westenhuber für einen Stümper oder einen Anfänger? Er war nicht nur wütend, sondern auch gekränkt.

      Auch Werner war sauer auf die neue Vorgesetzte. Er brauchte sich für seine Familie nicht zu schämen. Außerdem konnte er sich anziehen, wie er wollte. Er machte niemandem diesbezüglich Vorschriften und verlangte das Gleiche auch von anderen. Als er losfuhr, hatte er den roten Kleinwagen von vorhin völlig vergessen. Er war in Gedanken und ärgerte sich, bis er entschied, seine Frau anzurufen und sich nach ihrem Befinden zu erkunden. Ihr ging es gut, sie hatte blendende Laune und hatte sogar das, was sie aß, bei sich behalten können. Eine gute Nachricht in ihrem Zustand, der ihn sehr glücklich machte. Kurz vor Mühldorf hatte er sich wieder beruhigt und bemerkte den roten Kleinwagen nicht, der ihm von Burgkirchen bis hierher in größerem Abstand gefolgt war.

      Nur Leo Schwartz war amüsiert über Waltraud Westenhuber, denn sie war genau nach seinem Geschmack: Gerade heraus und nicht zickig. Sie sorgte sofort für klare Verhältnisse und war nicht auf den Mund gefallen. Ihm war es egal, wie viel Doktortitel und Fortbildungen sie hatte. Er freute sich auf die Zusammenarbeit und hoffte darauf, einiges von ihr zu lernen. Und was Christine Künstle anging: Das war doch nur eine Frage der jeweiligen Situation und natürlich der Absprache.

      Voller Anspannung und mit gemischten Gefühlen saßen Hiebler, Grössert, Schwartz und Fuchs im Besprechungszimmer der Mühldorfer Polizei, denn sie wussten nicht, was die neue Vorgesetzte noch alles auf den Tisch brachte. Punkt 14.00 Uhr kam Rudolf Krohmer in Begleitung der neuen Kollegin dazu. Frau Westenhubers Haare waren klatschnass und sie trug ein Polizei-Shirt und eine Jogginghose. Es war offensichtlich, dass sie eben aus der Dusche kam.

      „Das ist die Kollegin Westenhuber, die sich bereiterklärt hat, für Frau Untermaier während deren Abwesenheit einzuspringen.“

      „Spar dir das Rudi, ich habe die Kollegen bereits kennengelernt.“

      Die beiden kannten sich also und waren per Du – interessant.

      „Dann ist das geklärt und wir können uns dem aktuellen Mordfall widmen,“ sagte Rudolf Krohmer mit einem amüsierten Blick auf die verblüfften Gesichter der Kollegen. Später würde er sie genauer informieren. Er wurde von dem Einsatz der Münchner Kollegin selbst überrascht und war nicht gerade begeistert über ihre Anwesenheit. Die Tür ging auf und die Sekretärin Hilde Gutbrod kam mit frischen Kaffee herein.

      „Frau Gutbrod,“ rief Krohmer, „wie schön. Dann kann ich Ihnen auch gleich die Kollegin Westenhuber vorstellen. Sie wird unsere Frau Untermaier bis zu deren Genesung vertreten.“

      Die beiden Frauen standen sich direkt gegenüber und musterten sich.

      „Wie schön, endlich mal jemand in meinem Alter,“ sagte Frau Westenhuber amüsiert.

      „Das kann ich mir nicht vorstellen, denn ich bin doch bestimmt viele Jahre jünger als Sie,“ antwortete Frau Gutbrod, die heute wieder überaus jugendlich gekleidet war: kurzes, rosafarbenes Kleid, dazu hohe weiße Schuhe mit waffenscheinpflichtigen Absätzen, das blonde Haar war frisch gefärbt und mit vielen bunten Spangen kunstvoll aufgesteckt. Frau Gutbrod ärgerte sich über die abfällige Bemerkung der Frau, denn erst vor einer Woche hatte sie sich das Gesicht und die Lippen frisch aufspritzen lassen und sah jetzt trotz ihrer 61 Jahre wieder aus wie Mitte 40, was ihr die Angestellten des Beauty-Salons wiederholt bestätigt hatten. Was fiel dieser Fremden eigentlich ein?

      „Sie irren sich, Frau Gutbrod. Aus ihrer Akte kenne ich Ihr Alter und weiß daher, dass ich von uns die jüngere bin. Ich bin noch nicht über 60 und stehe nicht kurz vor der Rente, leider. Nichts desto trotz sehen Sie für Ihr Alter immer noch blendend aus. Ich hoffe auf eine angenehme Zusammenarbeit. Allerdings ist mir Ihre Neugier bekannt und ich möchte Sie bitten, sich während meiner Anwesenheit zurückzuhalten. Sie haben mich verstanden?“

      Frau Gutbrod starrte Frau Westenhuber mit offenem Mund an. Ohne ein weiteres Wort ging sie verärgert und verstört aus dem Zimmer. Niemand außer dem Chef kannte ihr wahres Alter – dachte sie zumindest. Außerdem war sie keineswegs neugierig! Interessiert ja, aber auf keinen Fall neugierig. Was fiel dieser unmöglichen Person ein, sie vor den Kollegen dermaßen bloßzustellen? Und was ging dieser ungepflegten Frau eigentlich ihr Alter an? So etwas Unverschämtes war ihr schon lange nicht mehr untergekommen. Aber gut, wenn diese Frau Krieg will, kann sie ihn haben!

      „Traudl, ich bitte dich, reiß dich doch zusammen. Du kannst es dir doch nicht gleich am ersten Tag mit meiner Sekretärin verscherzen! – Aber zurück zu unserem Fall. Herr Fuchs, ich weiß, dass es fast unmöglich ist, in der kurzen Zeit etwas zu sagen. Haben Sie trotzdem schon etwas für uns?“

      Friedrich Fuchs räusperte sich. Er war krebsrot im Gesicht. Erst vor wenigen Minuten kam er vom Fundort der Leiche zurück und hatte einen satten Sonnenbrand abbekommen. Auch aufgrund der Tatsache, dass Frau Westenhuber, die er sehr bewunderte, nun ein Mitglied des Teams war, hatte er sich besonders ins Zeug gelegt und sehr beeilt. Dabei hatte er seine Leute aufs Äußerste angetrieben, was bei denen verständlicherweise nicht sehr gut ankam. Dass er exakt arbeitete, war selbstverständlich.

      „Es ist tatsächlich nicht viel. Die Leiche wurde in die Pathologie nach München gebracht. Ich bat


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