Parzival. Wolfram Von Eschenbach
schuft' er wieder über Meer
20Und mehrte seines Herren Wehr.
Mit Freuden er empfangen ward,
Wie mich auch jammert seiner Fahrt.
Was da geschah, wie's da ergeh,
Wie es um Gewinn, Verlust da steh:
25Das weiß Frau Herzeleide nicht.
Sie war als wie die Sonne licht
Und hatte minniglichen Leib.
Jugend und Gut besaß das Weib
Und Freuden mehr noch als zuviel:
Sie überflog der Wünsche Ziel.
[103]Ihr Herz sann nur auf gute Kunst:
Das erwarb ihr aller Leute Gunst.
Frau Herzeleid die Königin
Erwarb durch Sitte Lobs Gewinn;
5Ihre Reinheit ward mit Preis erkannt.
Drei Lande dienten ihrer Hand:
Waleis und Anschau,
Die beherschte sie als mächtge Frau:
Auch trug sie Krone zu Norgals
10In der Hauptstadt Kingrivals.
Ihr war auch wohl so lieb ihr Mann,
Wenn nimmer eine Frau gewann
So werthen Freund, was that ihr das?
Dawider trug sie keinen Haß.
15Als er außen blieb ein halbes Jahr,
Seines Kommens harrte sie: es war
Ihr Wunsch, der Leben bringe.33
Doch ihrer Freuden Klinge
Brach mitten in dem Heft entzwei.
20Weh o weh und heia hei!
Daß Güte solchen Kummer trägt
Und immer Treue Jammer regt!
Seht das Looß der Menschheit!
Heute Freude, morgen Leid.
25Die Frau um einen mitten Tag
In ängstlichem Schlafe lag.
Plötzlich schreckte sie empor,
Als ob ein Blitz, so kams ihr vor,
In die Lüfte sie entführte,
Wo sie mit Schlägen rührte
[104]Mancher feurge Donnerstral.
Ringsher flogen sie zumal
Nach ihr: mit Knistern sengte Glut
Ihres langen Haares Flut.
5Der Donner mit Gekrach erscholl,
Sein Guß von heißen Zähren schwoll.
Als sie Besinnung wieder fand,
Griff ihr ein Greif die rechte Hand.
Das Bild mit Eins verwandelt sich,
10Da sah sie Dinge wunderlich:
Wie sie mit einem Wurme kreiße,
Der ihr den Mutterschooß zerreiße,
Ihr ein Drach die Brüste söge,
Und dann plötzlich von ihr flöge,
15Daß sie ihn nimmer wiedersah.
Das Herz im Leibe brach ihr da
Der Schrecken, den sie muste sehn.
Wohl nie ist einer Frau geschehn
Im Schlaf ein Unheil diesem gleich.
20Bis dahin war sie freudenreich;
Ach leider, das verkehrt sich gar,
Sie hat nun Jammer immerdar.
Ihr Schade wird noch lang und breit,
Ihr droht ein nahend Herzeleid.
25Die edle Frau begonnte,
Was sie bisher nicht konnte,
Im Schlaf die Glieder zu rühren,
Ein laut Geschrei zu verführen.
Vier Jungfrauen saßen hie,
Die sprangen hin und weckten sie.
[105]Da kam geritten Tampaneis,
Ihres Mannes Meisterknappe weis,
Und kleiner Jungherren viel.
Ihre Botschaft gab der Freud ein Ziel:
5Sie klagten ihres Herren Tod.
Da kam Frau Herzeleid in Noth,
Sie sank besinnungslos dahin.
Die Ritter sprachen: »Den Gewinn
Nahm unser Herr im Harnischkleid?
10Er ritt doch wohlverwahrt zum Streit.«
Wie den Knappen Jammer plagte,
Die Helden sah er an und sagte:
»Kein langes Leben Gott ihm gab.
Er zog das Härsenier sich ab;
15Die Hitze zwang ihn zu der Frist.
Verfluchte heidnische List
Hat uns geraubt den Ritter gut.
Ein Ritter hatte Bocksblut34
Genommen in ein langes Glas;
20Das schlug er auf den Adamas:
Da ward er weicher denn ein Schwamm.
Den man oft gebildet als ein Lamm
Und ihm ein Kreuz zu tragen gab,
Den erbarme was sich da begab.
25»Als die Scharen auf einander ritten,
Avoi! wie wurde da gestritten!
Des Baruches Ritterschaft
Wehrte sich mit Muth und Kraft.
Vor Baldag auf dem Gefilde
Durchstochen wurden viel der Schilde,
[106]Da sie sich treffen mochten.
Wie die Haufen sich verflochten,
Panier sich wirrte mit Panier!
Da fielen viel der Helden zier.
5Hier wirkte meines Herren Hand,
Daß aller Andern Preis verschwand.
Da fuhr heran Ipomidon:
Mit Tod er meinem Herren Lohn
Gab; er stach ihn nieder da,
10Daß es manch Tausend Ritter sah.
»Vor Alexandrien der Stadt
Hatt er ohne falschen Rath
Sich dem König zugekehrt,
Des Tjost ihn Sterben hat gelehrt.
15Der Speer durchschnitt ihm Helm und Stirn,
Das Eisen fuhr durch Haupt und Hirn,
Daß man den Splitter drinne fand.
Noch saß zu Ross der Weigand;
Sterbend ritt er aus dem Streit
20Auf einen Plan, der war breit.
Ueber ihn da kam sein Kapellan.
Er hob mit kurzen Worten an
Zu beichten und sandte her
Dieß Hemde und denselben