Parzival. Wolfram Von Eschenbach
es sich voraus gesandt,
Seit ichs im Leibe lebend fand!«
Es schuf der Frau kein Ungemach,
Daß ihr überm Herzen lag
5Die Milch in ihrem Tüttelein:
Die drückte draus die Köngin rein.
Sie sprach: »Du kommst von Treue her.
Wär ich noch ungetauft bisher,
Mit dir ich gern mich taufen ließe;
10Ich weiß, daß ich mich oft begieße
Mit dir und mit den Augen mein
Oeffentlich und insgeheim:
Denn Gachmureten will ich klagen.«
Sie ließ ein Hemd zur Stelle tragen,
15Das von Blut geröthet war,
Darinnen vor des Baruchs Schar
Das Leben Gachmuret verlor,
Der ein herlich Ende kor
Mit rechter mannhafter Wehr.
20Da fragte sie auch nach dem Sper,
Der Gachmureten schuf das Weh:
Ipomidon von Ninive
Gab also wehrlichen Lohn,
Der stolze Held von Babylon;
25In Fetzen hing das Hemd von Schlägen.
Die Herrin wollt es an sich legen,
Wie sie sonst auch wohl gethan,
Wenn vom Turnieren kam ihr Mann:
Sie nahmen ihr es aus der Hand.
Die Fürstin allzumal im Land
[112]Begruben Speer und auch das Blut
Im Münster, wie man Todten thut.
Da ward in Gachmuretens Land
Abwärts Jammer bekannt.
5Darauf am vierzehnten Tag
Ein Kindlein bei der Frauen lag,
Ein Sohn, der hatte solche Glieder,
Kaum erholte sie sich wieder.
Hier beginnt der Aventüre Spiel:
10Wir stehn an ihres Anfangs Ziel;
Nun ist er erst geboren,
Dem die Märe ward erkoren.
Seines Vaters Freud und Noth,
Sein Leben und zumal sein Tod,
15Davon vernahmet ihr bisher.
So habt ihr Kunde denn, woher
Dieser Märe Held entsprang,
Und wie man ihn bewahrte lang:
Man barg ihn vor Ritterschaft,
20Bis er erwuchs zu Sinn und Kraft.
Als die Köngin zu sich kam
Und ihr Kindlein wieder nahm,
Mit den dienenden Frauen
Begann sie nachzuschauen,
25Was es zwischen den Beinen trug.
Geliebkost ward ihm genug,
Als er männlich war von Glieden.
Mit Schwertern lernt' er schmieden:
Den Helmen Feuers viel entschlug,
Des Herze Kraft und Mannheit trug.
[113]Die Königin kannte kein Gelüste,
Als daß sie ihn fleißig küsste.
Sie sprach viel tausendmal gewiss:
»Bon Fils, scher Fils, beau Fils.«
5Die Köngin ohne lange Wahl
Nahm das rothbraune Mal,
Ihres Brüstleins Zutscherchen
Und schob es in sein Lutscherchen.
Selber wollt ihm Amme sein,
10Die ihn trug im keuschen Schrein:
Sie erzog ihn an der Brust,
Der aller Falsch war unbewust.
Sie daucht', als war ihr Gachmuret
In ihren Arm zurück erfleht.
15Sie legte sich auf keinen Trug;
Demuth hatte sie genug.
Frau Herzeleide sprach mit Sinn:
»Die allerhöchste Königin
Jesu ihre Brüste bot,
20Der für uns den scharfen Tod
Am Kreuze menschlich empfing
Und seine Treu an uns beging.
Der eignen Seele Schaden bringt,
Wer ihn nun zum Zorne zwingt,
25Wie verständig sonst er wäre:
Des weiß ich sichre Märe.«
Sich begoß des Landes Frau
Mit ihres Herzens Jammerthau.
Ihre Augen regneten auf das Kind;
Getreuer war kein Weib gesinnt.
[114]Seufzen, Lachen konnt' ihr Mund
Beides wohl in Einer Stund.
Des Sohns Geburt erfreut' ihr Herz;
In der Klage Furt ertrank ihr Scherz.
III.
Gurnemans.
Das Vorwort, nicht das Vorwort des ganzen Gedichts, denn die zwei ersten Bücher scheinen später hinzugedichtet (s. Anm. zu 744, 19), enthält einen beschönigenden Widerruf dessen, was der Dichter in der Erbitterung wider Eine von den Frauen überhaupt zu Anfange dieses Abschnittes gesagt hatte: es lebe nun kein Weib mehr, die wie Herzeleide die weltlichen Freuden um der himmlischen willen hingeben würde. Herzeleide hat sich, ihren Kronen entsagend, mit wenigen Leuten in die Wüste von Soltane zurückgezogen, wo sie ihren Knaben in bäurischer Einfalt erzieht und ihn sorgfältig vor aller Kunde des Rittertums zu bewahren sucht. Doch schnitzt er sich Bogen und Bolzen und schießt nach den Vögeln, deren Tod er gleichwohl beweint, weil ihr Gesang ihm die Brust schwellt. Da will die Mutter alle Vögel fangen und tödten laßen; er aber bittet für sie, und sie gedenkt, daß es auch Gottes Geschöpfe sind. Er fragt sie nach Gott, und sie beschreibt ihn lichter als der Tag, und er sollte ihn anflehen, dagegen den schwarzen Höllenwirth so wie den Zweifel meiden. Er übt sich auch mit dem Wurfspieß und erlegt viel Wild. Einst begegnen ihm auf seiner Jagd vier Ritter in glänzenden Rüstungen, welche den Jungfernräuber Meljakanz (vgl. 343, 25 ff.) verfolgen. Er hält sie für Engel; sie bescheiden ihn aber, daß sie nur Ritter seien, und weisen ihn, da er auch Ritter zu werden verlangt, zu König Artus. Seinem Verlangen dahin kann die Mutter nicht widerstehen; sie giebt ihm aber Thorenkleider und Lehren auf den Weg, die er allzuwörtlich befolgt. Sein Abschied bringt ihr den Tod. Im Walde Briziljan kommt er zu Orilus prächtigem Gezelte, dessen Gemahlin Jeschute er, nach der Mutter Rath, Fingerring und Fürspann (Halsschmuck) raubt. Er findet Sigunen mit dem eben von Orilus (von dem auch Galoes gefallen ist) erschlagenen Schionatulander. Sie sagt ihm seinen Namen und weist ihn gen Bretagne. Ein Fischer, dem er den Fürspann schenkt, geleitet ihn bis in die Nähe von Nantes, der Hauptstadt des Artus. Hier begegnet ihm Ither, der rothe Ritter, der auf Artus Krone Anspruch erhebt und mit seinen Rittern zu kämpfen draußen hält. Mit dessen Aufträgen kommt er an den Hof, wo sein Aufzug wie seine Schönheit Alles in Verwunderung setzt. Kunneware, des Orilus Schwester, die nicht eher lachen wollte,