Drei starke Geister. Alexandre Dumas

Drei starke Geister - Alexandre Dumas


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diese Worte,»rief sagte Jean zu ihm. »Möchte ich in dieser ganzen traurigen Sache immer die nämliche Unparteilichkeit finden, die ich bisher gefunden habe!»

      Diese letzten Worte richtete er besonders an die drei Gerichtspersonen.

      »Fuhren Sie uns in das Zimmer, in dem Sie diese Nacht geschlafen haben,« sagte der Instructionsrichter zu ihm und trug dann den Gensd’armen auf, die Zeugen herbei zu rufen, welche Jean Raynal als den wahrscheinlichen Mörder bezeichnet hatten.

      »Wer sind diese Zeugen?« fragte Jean.

      »Die drei Freunde Ihres Oheims, welche den gestrigen Abend bei ihm zugebracht haben und denen er sowohl die Veranlassung zu der zwischen ihm und seinen Bruder bisher geherrschten Uneinigkeit, als auch den Zweck Ihres Besuche erzählt hat; dann auch ein junger Mann, welcher diesen Morgen Ihren Oheim hat besuchen wollen und da er die Thier verschlossen fand und im ganzen Hause Todtenstille herrschte, die erstere erbrochen und das was er im Innern gesehen, angezeigt hat.«

      »Und was wird nach Abhörung dieser Zeugen mit mir geschehen?»fragte Jean.

      »Sie werden wieder nach Nimes und vorläufig in’s Gefängniß gebracht.«

      »Und wie lange werde ich im Gefängnisse bleiben, ehe ich vor Gericht gestellt werde?«

      »Einen bis höchstens zwei Monate.«

      »Zwei Monate im Gefängniß! ach, so lange lebe ich nicht!»rief Jean schluchzend. »Ist es mir nicht wenigstens erlaubt, an meine Eltern zu schreiben und ihnen diese entsetzliche Nachricht mitzuteilen? denn wenn sie sie durch die Zeitungen erführen, würde der Schlag zu hart für sie sein.»

      »Sie können ihnen sogleich schreiben, während wir noch das Haus durchsuchen, ob wir noch irgend etwas finden, was uns Licht über den Thäter geben kann.»

      Man gab dem jungen Manne Schreibzeug, und zwischen zwei Gensd’armen sitzend, welche Befehl erhalten hatten, ihn nicht aus den Augen zu lassen, schrieb er an seine geliebten Eltern, welches entsetzliche Unglück ihn betroffen hatte.

      IV.

      Zwei Monate nach den bisher erzählten Ereignissen drängte sich eine ungeheure Menschenmenge vor der Thür des Gebäudes in Nimes, in welchem die Sitzungen des Assisenhofes gehalten wurden. Die öffentlichen Verhandlungen über die Ermordung des Pfarrers den Lafou und seiner Haushälterin sollten an diesem Tage beginnen.

      Seit der Verhaftung Jeans hatte die Untersuchung zu immer neuen und beschwerenderen Indicien gegen den unglücklichen jungen Mann geführt, so daß an dem heutigen Tage Jedermann von seiner Schuld überzeugt war und mit Ungeduld seine Verurtheilung erwartete, denn der Pfarrer von Lafou war auf zwanzig Meilen in die Runde bekannt und bei Jedermann beliebt gewesen.

      Indessen hatte Jean nichts vernachlässigt, was zu seiner Vertheidigung beitragen konnte. Er hatte seine Prinzipale, seine Freunde und Alle kommen lassen, die über seine Moralität Auskunft geben konnten, theils aus dem Verhältnisse, in dem er persönlich mit ihnen gestanden, theils nach dem, was sie über ihn gehört hatten.

      Jeans Eltern hatten ihn während dieser Zeit fast nicht verlassen. Man bedauerte sie, aber wie schon gesagt, die öffentliche Meinung war über die Schuld des Angeklagten einstimmig. Jean war kaum mehr zu erkennen. Das Unglück hatte mit seinem schwersten Gewicht auf ihm gelastet; er war bleich und abgemagert wie ein Sterbender; sein Blick war matt und nur der tiefe Schmerz schien noch in ihm zu leben.

      Nur fünf Personen wären von seiner Unschuld überzeugt; dies waren seine beiden Eltern, welche gewiß wußten, daß ihr Sohn nicht allein keines Mordes, sondern selbst keines verbrecherischen Gedankens fähig war; ferner sein Prinzipal, der an dem Tage seiner Verhaftung eine Tratte von ihm bekommen, und die beiden Gensd’armen, die ihn zu dem königlichen Procurator geführt hatten.

      Dieser Prozeß war seit zwei Monaten der Gegenstand des allgemeinen Gesprächs, und es war fast keine Woche vergangen, ohne daß das Journal von Nimes einen Artikel mit neuen Details darüber gebracht hatte. Es war daher nicht zu verwundern, daß an dem Tage der ersten Gerichtssitzung die Thür des Tribunals seit frühem Morgen von einer neugierigen Menschenmenge belagert wurde, unter der, wie dies immer der Fall ist, das weibliche Geschlecht sich sowohl durch Anzahl als durch die glühendste Neugierde bemerklich machte.

      Gegen Mittag wurde endlich die Sitzung eröffnet.

      Der Huissier kündigte an: »Der Gerichtshof!« Die Geschwornen nahmen ihre Plätze ein und der Präsident bewegte, nachdem er sich ebenfalls gesetzt hatte, seine Glocke, um Ruhe zu gebieten. Als diese hergestellt war, sagte er:

      »Man führe den Angeklagten ein.«

      Jean erschien zwischen zwei Gensd’armen. Er war in dem Zustande, den wir geschildert haben, das heißt unkennbar. Welche Veränderung hatten zwei Monate mit dem heiteren Reisenden hervorgebracht, den wir beim Beginn Unsrer Erzählung auf der Straße von Nimes nach Lafou gesehen-haben! Aber welche Ereignisse-, welche Angst,« welche Schrecken, welche Befürchtungen hatten auch diese zwei Monate in sich geschlossen!

      Die Eltern des Angeklagten, welche beide eben so bleich Waren, als ihr Sohn, nahmen ihre Plätze neben dem Vertheidiger desselben ein.

      Der Präsident befahl dem Huissier, die Anklageacte, vorzulesen, deren uns schon bekannter Inhalt das Schaudern der Zuhörer hervorrief.

      Jean war wie stumpfsinnig. Kaum hatten die ewigen Verhöre, die Fragen des mit seiner Vertheidigung beauftragten Advokaten, der Kummer seiner Eltern und sein eigener Schmerz ihm so viel Verstand gelassen, daß er klare und bestimmte Antworten auf die ihm vorzulegenden Fragen geben konnte. Er betrachtete mit einem Gefühl tiefen Mitleidens alle diese Menschen« die sich hier versammelt hatten, um ihn leiden zu sehen und von denen vielleicht kein einziger ihn bemitleidete.

      « Von allen Martern, welche die Hölle erfunden hat, kann es wohl keine größere geben, als den Gedanken, wegen eines Verbrechens, das man nicht begangen hat, aller Wahrscheinlichkeit nach vielleicht zum Tode oder doch zu den Galeeren verurtheilt zu werden, und daß Alles, was man auch sagen oder thun möge, um die Richter oder die Zuhörer von seiner Unschuld zu überzeugen, keinen andern Erfolg haben wird, als noch frecher und verstockter in ihren Augen zu erscheinen.

      Dante hat diese Marter vergessen.

      »Ihr Vor - und Zuname?« sagte der Präsident zu Jean, als die Vorlesung der Anklageacte zu Ende war.

      »Jean Raynal,« antwortete der junge Mann mit äußerst schwacher, aber unaussprechlich sanfter Stimme.

      »Ihr Gewerbe?«

      »Handlungsreisender.«

      »Geburtsort?«

      »Paris.«

      »Wie alt?«

      »Einundzwanzig und ein Viertel Jahr.«

      Ein Gemurmel der Entrüstung durchlief die ganze Versammlung, daß ein so junger Mensch schon ein so gräßliches Verbrechen begangen hatte.

      »Sie sind angeklagt,« sprach der Präsident weiter, »in der Nacht vom 15. zum 16. April dieses Jahres den Pfarrer Valentin Raynal in Lafou und seine Dienerin Toinette Belami ermordet zu haben.«

      »Ich weiß es.«

      -»Leugnen Sie noch immer dieses Verbrechen?«

      »Ja, Herr Präsident.«

      »Gut, Erzählen Sie uns die Umstände, die Ihnen bekannt sind, dann werden wir die Zeugen vernehmen.

      Jean erzählte vielleicht schon zum zehnten Male seine Ankunft bei seinem Oheim, sein Gespräch mit ihm, seinen tiefen Schlaf während der Nacht, seine Abreise am Morgen, seinen Besuch bei dem Bäcker Simon und seine Verhaftung in dem Augenblicke wo er Nimes verlassen wollte.

      Die Zeugenvernehmung begann. Welche Menge von Beweisen kann die menschliche Justiz aufbringen, um einen Unschuldigen zu verurtheilen, mit der Ueberzeugung, daß sie einen großen Verbrecher vor sich hat!

      Der erste Zeuge war


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