Wrong turn. Juryk Barelhaven

Wrong turn - Juryk Barelhaven


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Naval War College. 56.000 Flugstunden, 112 bestätigte Tötungen, kein Kollateralschaden. Das sind Geschwister, Spiro, die sich ihr Leben lang gegenseitig unterstützen. 99% Disziplin.“ Die Geschwister wirkten hart und gestatteten sich ein Lächeln.

       Max nickte freundlich und schlenderte gelassen zur zweiten Gruppe hin. „Team Zwei besteht aus Carsten Frost, ehemaliger GSG9- Kommandant und Seher Betham, einer paramilitärischen Offizierin aus der Türkei. Würde ich den IQ von beiden zusammenzählen, würde das jeden Universitätsprofessor blass aussehen lassen. Ruhig und analytisch, sprechen zusammen zwölf Sprachen und waren schon an Orten im Einsatz, von denen Sie nicht mal etwas gehört haben. 99% Erfolg.“ Der blonde Hüne in der Ecke beäugte Hansen, als könne er nicht einschätzen, was der Fremde bei ihnen zu suchen hatte. Die braungebrannte Soldatin mit dem keltischen Seitenscheitel zeigte sich unbeeindruckt, nickte aber lächelnd ihrem Captain zu.

      Die Show war vorbei. Der Captain drehte sich triumphierend um. „Was wissen Sie über mich?“ fragte Max interessiert und wirkte dabei wie der Anführer einer Schulclique, der den Neuen abschätzend beäugte.

       „Kommunikationsspezialist bei der Nationalgarde, zwanzig Jahre Felderfahrung. Sicherheitschef mit fünf Jahren Erfahrung“ gab Hansen, jetzt etwas leiser geworden, wieder.

      „Wenn Sie den Anforderungen gerecht werden, die diese Profis ausmacht, dann entscheide ich, ob es Ihnen erlaubt ist, auch nur einen Fuß auf die Oberfläche zu setzen. Diese Teams sind wie Geister, ihr Vorteil liegt in der Heimlichkeit, denn wenn sie rumballern, erwacht ein ganzer Planet zum Leben. Und das wollen Sie nicht erleben.“

      In seinem Büro rief Max eine Akte hervor und ließ die angehefteten Videos laufen.

      „Das sind Nicole und Rene´ Andersen aus Los Angeles, er ist neunzehn und sie zwanzig Jahre alt, Geschwister. Verurteilt wegen mehrfachen Autodiebstahls und illegalen Wagenrennen. Beide wurden bislang von ihrer Familie protegiert, nun, beim dritten Verstoß halfen auch Daddys Kontakte nicht mehr aus.“ Er wies unnötigerweise auf die beiden Fotos, die zwei Jugendliche zeigten. „Der Richter hat beiden eine Freikarte spendiert. Waren zwei Wochen unten im Planquadrat vierzehn-Beta-drei-drei, und das ist… PureSky-Gebiet. Team Eins startete nachts um 0100. Landung und Ankunft Minus zwanzig. Vierzig Minuten zum Ort, ständiger Funkkontakt zur Basis.“ Das Video zeigte die russischen Geschwister, wie sie in Tarnkleidung sich an einem Hang hocharbeiteten. Die Wärmebildkameras zeigten zwei leuchtende Flecken, wie sie einen verlassenen Supermarkt umkreisten. Hansen starrte zu dem Aufbau der PowerPoint und beobachtete die Zeitleiste in der oberen Ecke. Vierzig Minuten. Die beiden bewegten sich langsam und akribisch auf das Gelände zu und kreisten es ein. Langsam, schleichend… Er unterdrückte mit Mühe ein Gähnen.

      Max bemerkte es und versteifte sich. „Verstehen Sie etwas von taktischen Positionieren in Feindgebiet?“

      „Nein.“

      „Dann sollten Sie zusehen und lernen. Das ist kein James Bond-Film, Spiro, das ist tödlicher Ernst. Ich sehe, ich langweile sie, also … tun Sie gefälligst so, als wollten Sie etwas lernen!“ Die letzten Worte kamen gepresst, aber ihre Schärfe war unverkennbar.

      Der andere zog eine Grimasse.

      Max schluckte hart und spulte vor. „Gut, die Mission war nur teilweise ein Erfolg. Rene´ war schwer dehydriert und war gefoltert worden. Das junge Mädchen schaffte es gerade so. Fragen Sie nicht nach Einzelheiten.“ Er warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Die Operation verlief strikt nach Zeitplan.“

      „Beeindruckend.“

      „Na, sehen Sie.“

      „Ich wäre reingegangen und hätte sie mit einer Walther PPK und einem Schalldämpfer fertig gemacht. Raum für Raum. Fünf Minuten“, bemerkte er trocken. „Zehn, wenn ich unausgeschlafen bin.“

      Max sah seinen Gegenüber an. „Sind Sie sicher, dass Sie das wollen?“

      „Sonst wäre ich kaum hier, oder?“

      „Ich wollte Sie nicht vor den anderen sprechen lassen, damit sie nicht merken, was für ein loses Maul Sie haben. Es ist mir schleierhaft, warum mein Freund auf diese Sache besteht, aber Sie sollten wissen, dass ihre Familien darauf hoffen, dass ihre Angehörige an einem Stück zuhause ankommen. Na, was sagen Sie?“

      „Ich bin dabei.“

      „So ein Dickkopf.“ Er fuhr sich über die Stirn. „Also schön. Wir haben pro Woche mindestens eine Mission. Die meisten laufen so ab: hochkonzentriert nach Lehrplan, keine Verluste. Meine Leute schießen nicht wie verrückt herum, sondern gehen behutsam vor. Sie sind wie Batman, Spiro. Mögen Sie Batman? Ich habe sechs Bruce Waynes hier, und jetzt kommen Sie. Sie sind mein Harvey.“

      „Wer ist Harvey?“

      „Spielt keine Rolle. Verständigen wir uns auf zweierlei: wir beide gehen gemeinsam da raus. Ich bin Ihr Captain und Sie sagen nichts anderes als Ja, Sir und Nein, Sir. Sie tun, was ich Ihnen sage, und wenn ich es sage. Wenn Sie schön artig sind, verabschiede ich Sie mit einem Händedruck. Na, wie klingt das?“

      Hansen zog eine Grimasse. „Wer ist dieser Harvey?“

      Max blinzelte verstört und zählte innerlich bis drei, bevor er fortfuhr: „Bei dieser Michel-Brown-Sache schicke ich Sie ganz bestimmt nicht mit meinem Team da raus, denn meine Leute will ich nicht unnötig in Gefahr bringen. Die da draußen, und ich rede von neunundachtzigtausend Sträflingen, kann ich mittlerweile ganz gut einschätzen – aber nicht Sie, Spiro. Sie wirken auf mich wie ein knallhartes Gangmitglied. Also wenn wir beide da runter gehen, dann sind wir auf uns gestellt. Zumindest ist die Location ganz nach Ihrem Geschmack, möchte ich meinen.“

      Hansen rollte mit den Augen. „Wie ist das zu verstehen?“

      Wie aufs Stichwort klingelte es. Max gebot seinem Adjutanten einzutreten. „Das ist Smith. Smith, das ist Hansen.“

      „Ich habe das Videomaterial analysiert“, sagte er voller Eifer und ging an Hansen vorbei, als wäre er Luft. „Dieser Brown steckt seit vier Monaten ganz tief bei den PureSky mit drin und mischt Drogen und so.“

      Hansen stand auf. „Woher wissen Sie das?“

      „Wir beobachten jeden. Sagte ich bereits“, gab Max knapp zurück und ließ sich die Daten zeigen. „Mmh, das ist nicht gut. Sehen Sie die EEG und die EKG-Spitzen? Stoßen fast bis in die Decke. Fühlt sich pudelwohl dort. Das heißt, wir müssen rein, ihn betäuben und ihn raustragen.“

      „Wieso?“

      Smith projizierte die Daten an die Wand und ließ ein Wärmebild dazu laufen. Zwei Punkte bewegten sich rhythmisch auf und ab und ihre Körperwärme nahm stetig zu. Selbst ein Kind hätte verstanden, was Brown dort durchleben musste. Durfte.

      Beide Männer blickten Hansen fragend an. „Nur zu. Fragen Sie.“

      „Er mischt Drogen und… wird mit Sex bezahlt?“

       „PureSky sind bekannt dafür, dass sie Sklaven halten, die sie auf ihren Farmen für sich arbeiten lassen. Erinnern Sie sich an die Konföderierten im Amerikanischen Bürgerkrieg? Nun, das sind sie. Sechshundert Rednecks, die die gute alte Zeit aufleben lassen. Zumindest ist nicht alles schlecht, was die da treiben“, bemerkte Max trocken und bewegte sich langsam zur Tür.

      „Was soll an weißen Rechtsradikalen gut sein?“

      „Sie geben verdammt gute Partys. Und zu so einer nehme ich Sie mit.“

      Durch eine Tür mit dem Schild Materialausgabe betraten sie einen Raum, der in der grauen Farbe eines Schlachtschiffes angestrichen war. Über seine ganze Breite verlief eine Art Theke, hinter der sich ein Drahtkäfig befand, der vom Boden bis zur Decke reichte. In diesem Käfig sah Hansen ordentlich übereinandergereihte Regale mit Ausrüstungsgegenständen, die sich weit nach hinten ins Dunkle zogen.

      Max betätigte einen Schalter neben der Tür, worauf nacheinander eine Reihe von Neonröhren aufflackerten und den Lagerraum erhellten. Ein breitschultriger Wachmann tauchte die Hand in seine Tasche und


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