Deadforce. Norbert Langenau
antwortete Theodor und verbeugte sich tief.
"Mein Name ist Julian.", gab Julian sofort von sich. "Du musst wohl eine weitere Tochter des Kaisers sein."
"Eine weitere Tochter? Ich bin die Erstgeborene, verdammt noch mal. Ich werde eines Tages Kaiserin von Anthem Gows sein und jeder Bürger dieses Reiches wird zu mir aufsehen! Also behandle mich gefälligst so, wie es sich für jemanden deines Standes gehört! Hast du das verstanden?"
Julian starrte Marlene mit weiten Augen an. Was ihrem Vater an Arroganz und Selbstherrlichkeit fehlte, glich sie problemlos aus. Dabei war sie erst ein kleines Mädchen von 11 Jahren. Ihre hellbraunen Haare und grünen Augen konnten nicht über den Umstand hinwegtäuschen, dass sie in ihrem Inneren schon eine so hohe Meinung von sich selbst besaß, dass niemand auf der Welt diese jemals hätte trüben können. Auch Julian sollte das noch erkennen, doch vorerst blieb ihm nichts Anderes übrig, als sich ihrem Willen zu beugen.
"Natürlich, bitte verzeiht, Prinzessin Marlene. Ich habe Euch nur als "eine weitere Tochter des Kaisers" bezeichnet, weil ich zuvor Eurer Schwester Nicole begegnet bin. Ich hoffe, dass Ihr meine Entschuldigung annehmen könnt."
"Siehst du, das gefällt mir schon viel besser, Julian. Ich kann durchaus auch entspannt sein, das kommt immer auf mein Gegenüber an. Kann es sein, dass dich Theodor gerade hinausbegleitet?"
"Ja, das ist richtig. Ich werde für Euren Vater, Kaiser Theron, eine wichtige Aufgabe erfüllen und als Diplomat durch die Welt reisen. Doch zuvor will ich mir die goldene Stadt noch ein wenig näher ansehen."
"Du reist durch die Welt? Das klingt großartig. Ich wünschte, ich könnte mitkommen, aber mein Vater würde mich niemals gehen lassen. Dann begleite ich dich eben hier in Erudicor. Ich kenne schöne Gegenden in der Stadt, die den meisten Leuten entgehen. Los, gehen wir."
Sofort musste sich Theodor einmischen.
"Prinzessin Marlene, ich glaube nicht, dass das im Sinne Eures Vaters wäre..."
"Ach, schon gut, Theodor. Er wird das verstehen. Außerdem ist ja Julian bei mir und beschützt mich. Richtig, Julian?"
"Natürlich, Prinzessin. Das wird meine oberste Pflicht sein. Es wäre mir eine Freude, wenn Ihr mich begleitet."
"Sehr gut, dann folge mir. Ich weiß, wo wir hingehen können."
Sowie sie das gesagt hatte, lief sie schon voraus, die große Stiege hinab. Theodor sagte noch zu Julian:"Dass du mir ja auf sie aufpasst, sonst werden wir beide einen Kopf kürzer gemacht."
"Keine Sorge, ich gebe auf sie Acht. Natürlich wäre das mit einer Waffe in meinem Besitz einfacher."
"Na schön, nimm derweil mein Schwert, aber bring es mir unversehrt zurück. Und falls möglich, sollte kein Blut daran kleben. Ach, und hier hast du den Geldbeutel, den ich dir geben sollte."
"Vielen Dank, Theodor. Bis nachher dann, ich kehre schon bald gestärkt und mit Prinzessin Marlene zurück."
"Ja, bis dann.", gab Theodor unzufrieden von sich. Er hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Auch wenn dies grundsätzlich friedliche Zeiten waren, so gab es dennoch kleinere Verbrechen, die in allen Städten auf der Welt passierten und erst recht in der größten Stadt der Welt, Erudicor. Daher war es alles andere als ungefährlich für eine Kaiserstochter, erst recht für die Erstgeborene, durch die Stadt zu laufen, als wäre sie ein großer Spielplatz. Doch genau das tat Marlene mit Julian im Schlepptau, der ihr hinterherlaufen musste, weil sie so schnell unterwegs war.
Zur selben Zeit, östlich von Anthem Gows, jenseits von Bangria, dem Reich der Zwerge, in einer der westlicheren Regionen von Ganredlah, versammelte der düstere Magier sein Heer. Die Region war zum größten Teil unbevölkert und die wenigen Einwohner hatte der Magier einfach getötet, sodass die Zusammenkunft seiner Streitkraft unbemerkt vonstatten gehen konnte. Zum jetzigen Zeitpunkt wollte er sich mit seinen Generälen treffen und besprechen, wie viele Krieger sie jeweils zur Verfügung stellen konnten. Die Streitkräfte versammelten sich auf einer weiten Ebene, die großteils von Bergen umringt war. Sie mussten alle unter freiem Himmel kampieren und sich Zelte aufbauen. Einigen der Heerscharen machten jedoch Störfaktoren wie Regen oder heftige Windstürme ohnehin nichts aus. Speziell die Untoten oder die metallenen Krieger der Machuv'Thal ignorierten das Wetter, wenn es etwas ungemütlicher wurde. Bei Menschen und Trollen sah das schon etwas anders aus. Die Dunkelelfen brauchten sich keine Sorgen um das Wetter zu machen, denn sie hatten innerhalb kürzester Zeit steinerne Bauten errichtet, in denen sie geschützt waren. Jedoch ließen sie keines der anderen Völker in ihre Bauten, sondern nutzten sie ausschließlich für sich selbst. Der düstere Magier hatte sich selbst eine Art kleinen Tempel errichtet, von dem aus er seine Heerschar in alle Richtungen überblicken konnte. Den Rest seiner Zeit verbrachte er im Inneren, in seiner provisorischen Bibliothek und versuchte, neue Zauber der Schattenmagie zu lernen. Der Tempel bestand selbst nur aus massiven Schatten, die wahrscheinlicher sogar stabiler als die Steinbauten der Dunkelelfen waren. Im Inneren des Gebäudes herrschte tiefe Finsternis, denn der düstere Magier liebte die Dunkelheit. Wäre es anders gewesen, so hätte er wohl stattdessen Lichtmagie studiert. Er besaß auch einen kleinen Thronsaal, in dem sich ein tiefschwarzer Thron mit dunkelroten Samtpolstern befand. Auf diesem saß der düstere Magier besonders gerne. Auch jetzt, da er die Ankunft seiner Generäle erwartete, befand er sich auf seinem Thron. Doch saß er nicht gerade wie ein anmutiger Herrscher da. Ein Bein ließ er über die Seitenlehne des Throns hängen, während er mit seinem Ellenbogen an der anderen Lehne lehnte und sich mit der Wange auf seine Faust stützte. Währenddessen wartete er. Schließlich traf sein maskierter Begleiter ein und fragte:"Was ist los, wo sind denn alle?"
"Ihr seid der erste, der eingetroffen ist. Diese Arschgesichter lassen ewig auf sich warten. Ich überlege, ob ich den letzten von ihnen, der eintrifft, als Lektion für die anderen töten sollte. Was meint Ihr?"
"Ihr könnt tun, was Ihr willst. Bald wird Euch die ganze Welt gehören. Aber lasst Euch bloß nicht einfallen, Euren Teil unserer Abmachung zu vergessen und nicht zu erfüllen. Das würde Euch nicht gut bekommen."
"War das gerade eine Drohung?"
"Mithriel sharrotteia bardagashaja seo Alleyoria.", antwortete der maskierte Mann in der alten Sprache. Der düstere Magier verstand, was das zu bedeuten hatte und ließ seinen Begleiter zufrieden. Kurze Zeit später stürmte auch schon der erste General herein. Es war der Anführer der Dunkelelfen, Narbengesicht Katokuin. Er musste um die zwei Meter groß sein. Am Körper trug er eine dunkelgraue Rüstung, allerdings nur am Oberkörper und an den Beinen. Hände und Füße wurden von ledernen, braunen Stiefeln und Handschuhen geschützt. Am Rücken trug er einen langen, wallenden, gelben Umhang. In seiner rechten Hand hielt Katokuin einen großen, braunen Hirtenstab, dessen oberes Ende die Form eines umgedrehten "U" einnahm. Sein Gesicht war ungeschützt und man konnte erkennen, dass er zu den wenigen Dunkelelfen gehörte, die dunkelblaue Hautfarbe besaßen. Seine Augen funkelten gelb und er besaß kurze, schwarze Haare. Über sein Gesicht verlief, diagonal, von seinem rechten Auge bis hinunter zur linken Seite seines Kinns, eine große Narbe, die rot inmitten des blauen Teints prangte. Er stellte sich vor dem düsteren Magier und dem maskierten Mann auf und starrte beide an, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich sprach ihn der düstere Magier an.
"Was hat da so lange gedauert, verdammt?"
"Wenn es Euch nicht passt, wie schnell ich erscheine, schlage ich vor, dass Ihr einen Blick in den Raum werft. Davon abgesehen, dass man hier mangels Lichtquelle ohnehin nicht viel erkennen wird."
"Wie war das? Habt Ihr mich gerade beleidigt?", fragte der düstere Magier außer sich.
"Wenn Ihr die Wahrheit als Beleidigung auffasst. Darüber hinaus habe ich nichts über Eure Person geäußert, lediglich über die äußeren Umstände."
"Mir gefällt Eure Arroganz nicht, Katokuin. Seht zu, dass Ihr Platz nehmt und den Mund haltet."
"Wie Ihr meint. Auf welchen der sechs freien Stühle soll ich mich setzen?" Katokuin grinste unverschämt. Er genoss es, den düsteren Magier mit der Verspätung seiner Generäle aufzuziehen. Katokuin war keine Person, die sich einen ungerechtfertigten Tadel gefallen ließ. Der Umstand, dass er dem von