Tara. Nancy Omreg
diesen Weg wollte ich nicht gehen. Nicht, solange ich diese Visionen hatte, von denen ich mir wünschte, sie wären deutlicher.
Tristan in diesem roten Nebel zu sehen…, zu sehen wie er leblos da lag…, diese Bilder hatten sich in mir manifestiert. Ich hatte das Gefühl, dass er Kontakt zu mir suchte. Nein, ich konnte jetzt nicht abbrechen. Ich musste weitermachen mit meiner Suche, wie auch immer diese nun ablaufen würde.
Ich nahm meinen MP3-Player heraus, den ich mir extra für diese Reise gekauft hatte. Den Discman und die ganzen CDs wollte ich nicht mitschleppen. Tolle Erfindung diese kleinen Dinger, nur leider hatte man nun kein Booklet mehr in der Hand, welches man beim Musik hören studieren konnte.
Ich schaltete auf Depeche Mode und schloss die Augen. Angestrengt überlegte ich, wohin ich in Bukarest gehen könnte. Internetcafé, schoss es mir durch den Kopf. Ich würde über eine Suchmaschine versuchen angesagte Clubs zu finden. Sicherlich könnte ich auf irgendeiner Party einen Vampir antreffen und dann würde sich der nächste Schritt schon ergeben.
Die Lautsprecheransage durchdrang meine Musik. Ich nahm mein Gepäck und machte mich auf zum Flugzeug. Dieses Mal hatte ich trotz Last Minute First Class gebucht. Noch so einen Flug wie heute Morgen wollte ich nicht wieder erleben.
Nach Rom konnte ich wieder am Fenster sitzen. Beim Anschlussflug nach Bukarest würde mich ein Mittelsitz erwarten.
Ich genoss den Anblick der ewigen Stadt als wir uns im Landeanflug befanden. Irgendwann würde ich hierher mit Tristan kommen und mit ihm auf der Spanischen Treppe knutschen. Das nahm ich mir fest vor.
Flugbekanntschaft
Knapp zwei Stunden Aufenthalt hatte ich nun auf dem Flughafen Rom Fiumicino. Um in einen zentraleren Teil von Rom zu gelangen, musste ungefähr eine halbe Stunde Fahrtweg eingerechnet werden. Den Flughafen zu verlassen lohnte sich also nicht wirklich. Ich entschied mich daher für einen ganz anderen Weg. Ich fragte das Bodenpersonal nach einem Internetcafé. Erfreulicherweise befand sich eines genau im Flughafen.
Ich schnappte den letzten freien Platz einem, nun fluchenden Managertypen weg und öffnete aufgeregt die Suchmaschine. Ich gab 'Bukarest' und 'Clubs' ein und klickte mich durch die Seiten.
Ich konzentrierte mich auf Szeneclubs, Sexclubs und alles was den Anschein erweckte, genügend Dunkelheit zu bieten, um Gestalten zu schützen, die nicht sofort gesehen werden wollten.
Die Adressen schrieb ich mir heraus. Ebenso buchte ich mir gleich ein Hotel, welches ungefähr zentral zwischen den Nachtclubs lag.
Zufrieden löschte ich den Suchverlauf und schloss die Fenster. Der erste Teil war geschafft.
Schnell checkte ich noch meine E-Mail, ob meine Biografin schon etwas geschrieben hatte. Außer Spam und ein paar Neuigkeiten meines Brokers war jedoch nichts eingegangen. Ich loggte mich wieder aus und begab mich zurück in den Wartebereich für das nächste Boarding.
Nun wuchs meine Aufregung erneut. Eine kleine Zuversicht blühte in mir wieder auf. Ich war mir so sicher, in einen dieser Clubs einem Vampir zu begegnen. All meine Hoffnung klammerte sich an diese Idee. Es musste einfach klappen. Es war die einzige Chance.
Der Flug nach Bukarest startete pünktlich. Ich hatte mich auf meinem Mittelplatz gesetzt und der Stewardess, welche bereits die erste Bestellung aufnehmen wollte, freundlich mitgeteilt, dass ich auf dem Flug keine Verpflegung benötigte.
Ich war überrascht, dass bereits vorm Start die Wünsche abgefragt wurden. Da hatte der Junior-Typ doch kein abnormales Verhalten an den Tag gelegt. Wahrscheinlich flog er sonst auch nur First Class und war diesen Service gewöhnt.
Nur was sollte ich mir hier bestellen? Bloody Mary? Ich grinste in mich hinein.
Neben mir nahm ein junger Mann am Fenster Platz. Ich stand auf um ihn an mir vorbei zu lassen. Dabei begegnete ich kurz seinen Augen.
Verdammt. Konnte das sein? Mir war es, als hätte ich in seinen leuchtend blauen Augen kleine rote Funken tanzen gesehen.
Nein, das musste ich mir eingebildet haben. Von der Seite beobachtete ich ihn. Er hatte lange, blonde Haare, die er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Er trug ein schwarzes Bandshirt von Guns'n'Roses. Dazu eine ausgewaschene schwarze Jeans mit zerrissenen Knien. Ein großer Siegelring zierte seinen Ringfinger. Seine Lippen waren voll. Er duftete nach Holz und Zitrus.
Irgendetwas stimmte nicht. Ich konnte es nur nicht greifen. Lag es daran, dass er viel zu gut aussah für einen Menschen? Oder an den Augen, die mich stark an Tristans und meine erinnerten?
Plötzlich schoss die Erkenntnis wie ein Blitz durch mich hindurch. Ich vernahm bei ihm keinen Puls.
Normalerweise hörte ich immer, wie das Herz der Menschen schlug, wenn ich mich in ihrer Nähe befand.
So nah wie ich neben diesem Typen saß, hätte ich es demnach perfekt hören müssen. Doch da war nichts.
Mit offenem Mund starrte ich den Typen an. War es möglich…, dass ich neben einem… Vampir saß?
In diesem Moment drehte der Typ seinen Kopf zu mir und grinste mich spitzbübisch an.
Sofort blickte ich weg. Wenn ich es bemerkte, so musste es ihm bei mir doch genauso gehen. Oh Gott, was sollte ich jetzt tun? Ihn fragen? Und was war, wenn ich mich täuschte?
Ich hatte noch nie zuvor einen anderen Vampir getroffen. Selbst bei meinen Ausflügen in Berliner Clubs war ich niemals einem begegnet. Dieser Gedanke ließ meine Idee, einen Vampir in einem Bukarester Club zu treffen, gleich stark ins Wanken geraten.
Ich schob diesen Zweifel schnell wieder zur Seite und überlegte stattdessen, wie ich mich jetzt verhalten sollte.
„Bei diesen Auslandsflügen weiß man nie, in welcher Sprache man seinen Sitznachbarn ansprechen soll, oder?“, beendete der Typ meine Grübelei.
Ich schaute ihn an. Er grinste noch immer. Seine Augen funkelten wie das Mittelmeer so blau. Und dann sah ich sie wieder, die kleinen roten Funken, die lustig über seine Iris tanzten. Ich konnte mich nicht täuschen.
„Interessant, dass du auf einem Flug von Rom nach Bukarest als erstes Deutsch wählst“, gab ich eisiger zurück als ich wollte. Zu sehr verwirrte es mich scheinbar neben einem Vampir zu sitzen.
Der Typ ließ sich davon nicht beeindrucken und grinste mich weiter an.
„Tja…, ich habe halt eine gute Menschenkenntnis“, zwinkerte er mir zu und lachte anschließend leise über seinen scheinbaren Witz.
„Ich heiße Vlad.“
„Das ist nicht dein Ernst, du...“, ich bremste mich und holte tief Luft. „Freut mich, Elisabeth“, stellte ich mich vor und hoffte, dass er die Anspielung auf die Blutgräfin Elisabeth Báthory verstand.
Vlad, oder wie auch immer er hieß, grinste mich breit an.
„Und was hast du in Bukarest so vor?“
„Ich besuche Freunde und du?“
„Ich ebenfalls“, zwinkerte er mir wieder zu.
Dann nahm er die Kopfhörer von der Armlehne, setzte sie sich auf und drehte das angebotene Programm laut.
Frustriert starrte ich ihn an, während er wieder zum Fenster hinausschaute. Das Programm schien ihn gar nicht zu interessieren.
Die restliche Zeit des Fluges tauschten wir kein weiteres Wort aus. Krampfhaft überlegte ich, wie ich das Gespräch zu ihm aufbauen könnte.
Hier im Flugzeug waren zu viele Ohren. Es war unmöglich ihn auf meinen Verdacht anzusprechen. Ich hoffte nach der Landung auf dem Flughafen noch einmal mit ihm reden zu können.
Nachdem wir das Flugzeug verlassen hatten, achtete ich daher darauf, ihm so nah wie möglich zu folgen. Am Gepäckband würde ich meine Gelegenheit ergreifen.
Doch soweit sollte ich nicht kommen. Die rumänische