Freundlicher Tod. Ute Dombrowski

Freundlicher Tod - Ute Dombrowski


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sind vor ihm an Krebs gestorben. Ich bin nur froh, dass ich gesund bin.“

      Bianca spürte, dass er die Wahrheit sagte, also fragte sie freundlich: „Ich glaube Ihnen sogar, aber wir müssen trotzdem denjenigen finden, der Ihren Onkel getötet hat: Wie sehen Sie denn die Rolle von Jutta Kücklitz? Hätte sie ein Motiv?“

      „Nein“, begann Gernot kopfschüttelnd, „Jutta hat meinen Onkel betreut und gepflegt und war sowas wie eine Freundin geworden. Als der Knochenkrebs in seiner Wirbelsäule entdeckt wurde, war es schon zu spät, denn der Scheißkrebs hatte überall Metastasen gestreut. Und da wollte er auch nicht mehr im Krankenhaus sein. Er hat sich Jutta ins Haus geholt und sie fürstlich bezahlt. Sie ist für diesen Job geboren.“

      Bianca seufzte. Sie sah Michael an und der übernahm jetzt das Gespräch.

      „Wen kannte denn Ihr Onkel noch? Sind Sie mal einem Fremden begegnet?“

      Gernot schüttelte den Kopf.

      „Hatte er denn keine Freunde?“

      „Nein, die einzigen Menschen, mit denen er geredet hat, waren Jutta und ich. Nur damals im Krankenhaus hatte er noch Kontakte nach außen, da saß er oft im Park oder in der Cafeteria und hat mit den Leuten gesprochen.“

      „Denken Sie, dass er jemanden dafür bezahlt haben könnte, ihm beim Sterben zu helfen?“

      „Niemals! Er wollte nicht sterben.“

      „Wenn es einen Abschiedsbrief geben würde …“, flüsterte Bianca, die aus dem Fenster schaute.

      Die Männer sahen erstaunt zu ihr. Ein Abschiedsbrief war nirgends aufgetaucht, aber er könnte die These der Sterbehilfe bestätigen. Sie drehte sich um und zuckte mit den Schultern.

      „Es war nur ein Gedanke. Gibt es ein Testament?“

      „Ja, wir waren sogar gemeinsam beim Notar, darum weiß ich, dass ich alles erbe. Jutta kriegt eine großzügige Spende und das war es dann.“

      „Haben Sie einen Einblick in die Konten? Falls er jemanden bezahlt hat …“

      „Glauben Sie mir, Herr Kommissar, mein Onkel wollte nicht sterben und somit hat er auch niemanden bezahlt. Es muss jemand eingedrungen sein.“

      „Herr Drekelt, das ist dann aber noch viel unlogischer, weil nichts gestohlen wurde. Ich glaube, wir kommen hier nicht weiter. Bitte melden Sie sich, wenn Ihnen noch etwas einfällt.“

      Gernot lächelte, brachte die beiden an die Tür und verschwand wieder in der Wohnung. Sicher saß er direkt wieder an seiner Hausarbeit. Wichtige Hausarbeit, dachte Bianca, da bringst du dich doch nicht mit einem Mord aus dem Konzept.

      „Er war es definitiv nicht.“

      Michael nickte nur, denn es sprach nichts, aber auch gar nichts für Gernot als Täter, auch nicht das Erbe, das er in wenigen Wochen vielleicht sowieso angetreten hätte.

      „Lass uns mal ins Krankenhaus fahren“, schlug Micheal vor, „vielleicht erinnert sich jemand an den alten Kauz und seine Gesprächspartner.“

      Sie machten sich auf den Weg nach Wiesbaden.

      6

      Die Zeit nach Freds Tod war für Alexander schwer zu ertragen, aber er versuchte sich mit seinen Plänen für das neue Leben abzulenken. In zwei Tagen wollte er sich mit dem Vermieter der kleinen Wohnung treffen und weitere zwei Tage später hatte er ein Vorstellungsgespräch in der Apotheke in Geisenheim, mit deren Besitzer sein Vater befreundet war. Endlich konnte sein neuer Lebensabschnitt beginnen.

      Um sich zu belohnen und so lange wie möglich nicht nach Hause zu müssen, streunte Alexander wie immer durch die Stadt und am Rhein entlang. Er kaufte sich kurz vor Ladenschluss beim Bäcker etwas zu essen. Das Brötchen war zäh und trocken, sicherlich hatte es schon den ganzen Tag im offenen Brotkorb gelegen. Lustlos kaute er darauf herum. Alexander war es egal und er trank einen Schluck Wasser aus der Flasche in seinem Rucksack.

      Es war schon fast zehn Uhr abends, als er vor dem Schaufenster eines Babyausstatters jemanden am Boden knien sah. Er blieb stehen und schaute genauer hin. Die Person kam ihm bekannt vor und er trat näher. Niemand war weit und breit zu sehen, bei dem ungemütlichen Wetter mit Regen und Wind war kein Mensch mehr unterwegs. Hinter den Fenstern brannte freundliches Licht, auch das Schaufenster des Ladens war hell erleuchtet.

      „Birte?“, fragte er sanft und die Person zuckte zusammen.

      Hastig wollte sie aufstehen und weglaufen, aber sie taumelte, fiel rückwärts und blieb auf dem Boden sitzen.

      „Birte! Wir sind uns Silvester begegnet. Erinnerst du dich? Ich bin Alexander.“

      „Was willst du?“, lallte die Angesprochene. „Geh weg!“

      Mühsam raffte sie sich auf und es gelang ihr zu stehen. Sie hielt sich an der Straßenlaterne fest und weinte immer noch herzzerreißend. Alexander tat sie leid, denn sicher weinte sie um ihr Baby, das sie abgetrieben hatte.

      Er ging einen Schritt auf sie zu und legte einen Arm um sie. Eine Alkoholfahne wehte ihm entgegen und Alexander hielt die Luft an. Egal, dachte er, ich muss ihr helfen.

      „Komm, wir gehen ein Stück und du erzählst mir die ganze Geschichte.“

      Am Rhein angekommen hatte es aufgehört zu regnen. Alexander wischte die Tropfen von der Bank und sie setzten sich. Birte weinte noch immer und nun brach alles aus ihr heraus.

      „Er hieß Gunnar und sah super gut aus. Seine langen blonden Haare hatte er immer mit einem Band zusammengebunden. Ich hatte ihn schon ein paar Mal in der Bar gesehen. Eines Abends kam er auf mich zu und stellte ein Glas Sekt vor mich hin.“

      „Das klingt aber nett.“

      Birte schluchzte.

      „Ja, natürlich klingt das nett. Und dann hat er mich geküsst und wir sind zusammen in meine Wohnung gefahren. Er hat sich so gut angefühlt und sein Duft war unschlagbar. Ich wollte ihn unbedingt und dachte, wir könnten eine Beziehung haben.“

      „Aber?“, fragte Alexander mitfühlend und legte wieder den Arm um die schmalen Schultern der Frau.

      „Am nächsten Morgen war er weg. Einfach so. Ich wollte nicht wahrhaben, dass es nur Spaß für eine Nacht war. Dieser Arsch hat sich einfach verpisst.“

      Der Klang ihrer Stimme hatte sich verändert und mit der aufsteigenden Wut straffte sich ihr Körper. Sie sah Alexander an und stand plötzlich auf. Am Wegrand zog sie sich die Jacke aus, ließ sie auf den Boden fallen und gab den Blick auf eine aufregende Figur frei.

      „Bin ich so hässlich? Kann man sich in eine wie mich nicht verlieben?“

      Alexander trat zu ihr, hob die Jacke auf und legte diese um Birtes bebende Schultern. Dann zog er die junge Frau zurück auf die Bank.

      „Du bist wunderschön!“

      Sie schüttelte resigniert den Kopf und sackte wieder in sich zusammen. Der Tränenstrom lief unermüdlich über ihre Wangen. Alexander reichte ihr ein Taschentuch und schwieg.

      „Gunnar und ich sind uns ein paar Tage später wieder begegnet und er hat so getan, als würde er mich nicht kennen. Es war so erniedrigend. Dann hat er eine Blondine abgeschleppt. Ich bin heim und habe mir die Augen aus dem Kopf geheult. Aber das war alles noch nicht das Schlimmste.“

      Sie schwieg einen Moment.

      Alexander flüsterte: „Du warst schwanger.“

      „Ja! Ja, verdammt, ich war schwanger. Das habe ich erst gar nicht wahrhaben wollen, aber dann dachte ich, es ist die Chance, Gunnar an mich zu binden. Ich war so blind und blöd.“

      „Was ist passiert?“

      „Ich habe ihn in der Bar gefragt, ob wir mal kurz reden könnten und er kam mit vor die Tür. Als ich ihm gesagt habe, dass wir ein Kind erwarten, ist er ganz blass geworden, aber


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