Gertrud. Luise Reinhardt

Gertrud - Luise Reinhardt


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Seelenfriedens und bemühte sich, seine Gemütsstimmung vor seinen Gästen zu verbergen.

      Es gelang ihm ganz gut. Professor Gellert war in sehr guter Laune und der Oberst von Pröhl schwelgte ordentlich in der Freiheit, an diesem Abende noch ungestört ›donnerwettern und sakrieren‹ zu können. Man trennte sich früh, weil man ermüdet war, und als der Schlossturm die zehnte Stunde verkündete, herrschte schon der lautlose Frieden einer gewünschten Nachtruhe in allen Räumen des Schlosses. Ob aber alles schlief, was still war?

      Im nördlichen Turme seufzte ein junges, zartes Stimmchen ganz vernehmlich, als es zehn Uhr schlug, und dasselbe Stimmchen fragte schüchtern: »Schläfst Du, Elvire?« -

      »Nein, noch nicht, mein Trudel –« entgegnete Elvire schmeichelnd. »Ich betrachte mir nur still die Bilder, welche der Mond auf meinem Bettvorhang malt.«

      Gertrud richtete sich furchtsam in die Höhe.

      »Ach! Elvire – mir ist mein Herz so schwer, so übervoll! Ich habe ein Geheimnis! Ich möchte es Dir vertrauen! Ich kann nicht davor schlafen.«

      »Nun, so beichte los, Du närrisches Kind,« rief Elvire ermunternd. »Warum hast Du Dein übervolles Herzchen denn nicht schon früher geöffnet?«

      »Ach, Elvire – es ist etwas Erschreckliches, was ich Dir zu sagen habe – die Wände dürfen es nicht hören. Erlaubst Du, dass ich zu Dir hinüberkomme?« fragte das Mädchen kindlich.

      Elvire lachte.

      »Darauf läuft es ’mal wieder hinaus, das Kind fürchtet sich!«

      »Nein, gewiss nicht!« beteuerte Gertrud eifrig, verließ aber dessen ungeachtet schleunig ihr großes, mit Vorhängen gespenstisch drapiertes Bett, und nahm eilig von dem Plätzchen Besitz, das Elvire ihr bereitwillig einräumte.

      Es fiel dieser jungen Dame gar nicht ein, dass sich wirklich in dem kindischen Herzen der Pflegeschwester ein Geheimnis befinden könne, sie hielt dies Vorgeben nur für einen Kunstgriff, das Alleinschlafen in dem breiten fremden Bette zu umgehen, und war umso mehr erstaunt, als Gertrud heimlich flüsternd begann:

      »Hast Du denn nicht bemerkt, dass ich den Speisesaal gleich nach Margareth verlassen habe? Ach, die arme, arme Margareth!«

      Elvire stutzte und fragte weiter. Ihr war der leichte Schatten der Verstörung, der das Schloss zu durchdringen schien, nicht ganz entgangen, allein sie schob den Grund dazu auf die Ankunft der Frau von Wallbott, die als höchst anspruchsvoll geschildert wurde.

      »Denke Dir, ich war hinaufgegangen in den Salon, um mir mein Klöppelzeug zu holen, das ich auf dem Tische unter den Myrtenbäumen liegen gelassen hatte. Aber, ich will Dir’s gestehen, ich war auch etwas besorgt und neugierig, was Frau von Wallbott zu Margareth sagen würde.«

      »Das kann ich mir denken!« schaltete Elvire ein.

      »Als ich mich eben hinter der Myrtenwand, wo der Altar stehen soll, niederlassen wollte, da sah ich einen Reiter durch den Fluss sprengen. Ich sage Dir, Elvire, mit einer Hast und Kühnheit, als gälte es sein Leben zu retten, und in demselben Augenblicke öffnete auch Frau von Wallbott eine Tapetentür dicht neben mir, von deren Dasein ich gar keine Ahnung gehabt hatte. Was sie bis dahingesprochen haben, das hatte ich nicht verstehen können, aber was sie jetzt sprachen, das verstand ich, ohne es zu begreifen. Darauf kommt aber gar nichts an, liebste Elvire. Das Schlimmste war, dass ich still hinter der Fensterdraperie sitzen bleiben musste und dass ich plötzlich den Reiter in den Salon treten sah. Es war also der Graf Levin gewesen.«

      »Kind, Kind, Du träumtest wohl?« fragte Elvire, sich aufrichtend und dem jungen Mädchen ins Auge schauend. Gertrud schüttelte aber traurig lächelnd den Kopf und versicherte aufs Gewissen, wach gewesen zu sein. Sie erzählte nun die ganze Szene, wie sie sich zugetragen und wie sie geendet hatte, wobei sie nicht unterließ, offenherzig zu erörtern, dass sie zuletzt so kühn geworden wäre, durch die Ritze der Türe zu blicken.

      »O, Elvire, und Du hättest den Grafen sehen sollen,« schloss sie begeistert ihre Hände zusammenpressend. »Er sah so prächtig aus, wie ein Gott, als er mutig den Ring in Margareths Hand legte, als er sagte, dass er genug gehört hätte für sein ganzes Leben! Aber Elvire – der Graf Levin tat Margareth Unrecht! Glaube mir, sie liebt ihn viel, viel mehr als den hässlichen, abscheulichen Alexander, den ihre Tante zu ihrem Gatten bestimmt hat.«

      »Kennst Du denn Herrn Alexander von Lottum?« fragte Elvire frappiert von den Bezeichnungen, die das junge Mädchen gebrauchte. »Hässlich und abscheulich ist er?«

      »Das weiß ich nicht, sondern ich denke mir’s bloß,« eiferte das junge Fräulein. »Hättest Du den Grafen nur gesehen, wie er vor Margareth stand und seine Augen lauter Flammen und Blitze waren. Wenn er nur wüsste, dass nur die weise Dame Wallbott die ganze Verwirrung angerichtet hätte. Margareth konnte ja gar nicht zu sich kommen. Ihre Tante redete immerzu und solche hochtrabende Dinge, dass Margareth gewiss erst erkannt hat, wen sie mehr liebt, als es zu spät war.«

      »Ja wohl – zu spät!« entgegnete Elvire trauervoll, tadelte jedoch im Innern die Zaghaftigkeit einer Braut, die nicht gewagt hatte, mit einem Worte voll Energie den Wert des Mannes zu verteidigen, den sie sich zum Gatten erwählt hatte.

      »Siehst Du, Elvirchen, das ist mein Geheimnis, weshalb ich nicht schlafen konnte, aber auch meiner Entschlüsse wegen musste ich Dich noch sprechen, bevor ich einschlief. Margareth muss der Frau von Wallbott zum Trotze den Grafen heiraten und muss ihr zum Ärger unaussprechlich glücklich mit ihm leben!«

      »Zu der Verwirklichung dieser Träume ist aber blutwenig Aussicht, Kleine!«

      »Oho, höre nur meine Entschlüsse!« fiel das Mädchen pathetisch ein. »Ich wähle mir einen Vertrauten. Entweder den Junker Wolf oder den Professor Gellert. Denen sage ich, dass Margareth keineswegs den Alexander von Lottum lieb hat.«

      »Wodurch willst Du denn diese Behauptung beweisen?«

      »Dadurch, dass ich es behaupte, Elvire!« trotzte Fräulein Gertrud.

      »Ach so! Ja, ob jedoch Graf Levin Deinem Worte Gewicht beilegen wird?«

      »Elvire, beleidige mich nicht!« fuhr das Fräulein heftig auf. »Der Graf wird und muss mir glauben, wenn ich es sage.«

      »Ja freilich, der Verwandtin des Feldmarschall Exzellenz glaubt er es sicher!« spottete Elvire. »Und wenn er es nun auch glaubt, was nützt ihm das bei der Aussicht, Margareth in nächster Zeit als Frau von Lottum begrüßen zu müssen?«

      »Eben, Elvire, um dies zu verhindern, muss ich mich schnell einem Vertrauten entdecken und diesen Vertrauten an den Grafen absenden.«

      »Zu solchen Missionen möchte sich der Professor Gellert schwer bereitwillig finden lassen, kleine Heldin,« meinte Elvire; »denn da der Graf auf den Flügeln der Abendröte fortgeflogen ist, so möchten wohl die Flügel der Morgenröte nötig sein, um ihn einzuholen.«

      »Du hast Recht! Es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als den Junker ins Vertrauen zu ziehen!«

      »Hast Du dazu Mut?«

      »Warum denn nicht?« fragte Gertrud unbefangen. »Onkel Exzellenz würde tüchtig lachen, wenn ich einem Junker gegenüber keinen Mut hätte.«

      »Still, still! Dem Onkel Exzellenz dürftest Du mit dieser Geschichte wohl kaum unter die Augen treten, ohne einen Verweis befürchten zu müssen.«

      Gertrud schwieg und dachte nach.

      »Was fange ich nur an, um Margareth mit dem Grafen verheiratet zu sehen. Sie müssen sich durchaus heiraten! Ich ruhe nicht eher!«

      »Vor allen Dingen würde dazu nötig sein, dass sich Margareth nicht überreden lässt, ein neues Bündnis zu schließen,« meinte Elvire. »Das Weitere würde der Zukunft anheimfallen müssen.«

      »Ja, Elvire! Du hast das Rechte getroffen!« rief Gertrud lebhaft angeregt. »Überredungskünste der weisen Tante Wallbott müssen außer Kraft gesetzt werden, und dazu kann der Professor uns verhelfen. Ich werde ihm in frühester Frühe einen Besuch auf seinem Zimmer


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