Gertrud. Luise Reinhardt

Gertrud - Luise Reinhardt


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Wesen, »Sie verehren Frau von Wallbott?«

      »Ja! Ich erkenne, wie überwiegend das Edle in ihr ist. Sie zeigt Schwächen – wer hätte die aber nicht, meine Gnädige?«

      »Dann bin ich zufrieden!« sprach Frau von Pröhl mit erleichterter Brust. »Sie ist früh verwitwet? Hat nie Kinder gehabt?« forschte sie leiser sprechend.

      »Nein, ihr Gatte hinterließ ihr ein ziemlich bedeutendes Vermögen, aber keine Kinder. Da erschien es ihr als eine Himmelsfügung, dass eine Schwester ihres verstorbenen Gemahls sechs Knaben geboren hatte, wovon sie den jüngsten an Kindes statt annahm. Sie hat diesen Knaben Alexander ihren Prinzipien gemäß erzogen, und er soll jetzt, nach ihrer Meinung und den Urteilen aller jetzt lebenden Schöngeister zufolge, das Ideal einer weiblichen Mustererziehung sein.«

      Frau von Pröhl verkannte den leisen Spott nicht, der aus den letzten Worten hervorleuchtete. Gellert schlug lächelnd vor ihrem fragenden Blicke das Auge nieder.

      »Seine Grundsätze waren schon damals, wo ich ihn mit unter meine Fittiche nahm, ganz vortrefflich,« fuhr er fort, »und seine Selbstbeherrschung bewunderungswürdig! Das feurige Blut der Jugend war durch die Kunst der Erziehung zu einer Quelle voll Ordnung und Pracht geworden. Was es dadurch an Kühle gewonnen, das ersetzt die Hitze des Geistes. Jetzt lebt er nur in höhern Sphären und glaubt an keine irdische Frivolität mehr!« schloss er mit sarkastischem Lächeln.

      »Er ist also zu gut für diese Welt,« scherzte mit Anspielung Frau von Pröhl. Gellert nickte.

      »Haben Sie schon von dem jungen Wieland gehört?« fragte er plötzlich.

      »Nein! Von Wieland?«

      »Von Geist ein Edelmann, doch von Geburt wohl nicht!« antwortete Gellert prompt. »Kaum zweiundzwanzig Jahre alt, und doch an Kenntnissen unerreichbar groß, verspricht dieser junge Mensch die höchste Kulturstufe zu erreichen, die hier im deutschen Reiche wohl jemals erreicht werden kann, und dabei durchdringt der reinste Enthusiasmus für Wahrheit und Tugend sein ganzes Wesen. Dieser Wieland ist unseres Barons Alexander Intimus. Mit ihm hat er jetzt die Schweiz nach allen Richtungen durchstreift, denn Wieland lebt zeitweise in Zürich.«

      »Das ist denn auch wohl der Grund, weshalb er seine Tante nicht begleitet hat zu diesem Hochzeitsfeste?«

      Gellert wiegte bedenklich sein Haupt.

      »Hier scheint mir die Gewitterwolke zu drohen, worin der Blitzstrahl für die schöne Margareth noch verborgen schlummert,« sagte er dann sehr leise.

      »Mein Gott, so hätte Gertrud ja prophetischen Sinn?« antwortete Frau von Pröhl ebenso leise.

      »Das Kind hat instinktmäßig die Natur der Frau von Wallbott erkannt.«

      »Natürlich, liebster Herr, weil diese Natur der ihren gleicht.«

      »Es bleibt dennoch bewunderungswürdig und muss mehr auf Zufall beruhen, denn der Dämon des Trotzes in Frau von Wallbott hat sich in wundersam schöne Gewänder gekleidet. Weniger würde es mich Wunder nehmen, wenn die Dame des jungen Fräuleins Naivität auf der Stelle durchschaut hätte, als dass es umgekehrt der Fall ist.«

      »Ein Dämon des Trotzes in Frau von Wallbott? Unglaublich!« murmelte Frau von Pröhl und setzte lachend hinzu: »Ich möchte, die kluge, hochgebildete Frau wüsste um Ihren Vergleich und sähe dann meine Gertrud in jenem Paroxysmus des Eigenwillens, wo sie mit dem Fuße stampft!«

      »Still – wecken Sie die Geister der Vergangenheit nicht,« warnte Gellert ebenfalls lächelnd, »denn ich bin überzeugt, dass Frau von Wallbott zeitweise noch sehr gern mit dem Fuße stampft, allein für jetzt nur innerlich!«

      Ein Geräusch von außen richtete plötzlich die Aufmerksamkeit aller nach dem Eingange, allein als niemand erschien, übergaben sich alle der Unterhaltung wieder, die fesselnd für sie geworden war, nur Gertrud schlüpfte bald darauf hinaus und kam nicht wieder.

       Note 2

      Wörtlich einem Briefe von Gellert an eine Edeldame entlehnt, deren Familie in der hier geschilderten Beziehung zu dem Dichter stand.

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       Note 3

      Desgleichen dem vorerwähnten Briefe Gellerts entlehnt.

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       Drittes Kapitel.

      Der Abend brach herein. Die Sonne stand golden am nebligen Horizonte und färbte die Gegend mit ihrem Glutlichte.

      In diesem goldenen Abendlichte sprengte ein Reiter wild und unbändig durch die Felder und Wiesen, die sich vor dem Schlosse Rittberg in malerischer Abwechslung ausbreiteten. Sein Gesicht glühte, aber nicht von dem Lichte, das außer ihm lag, sondern von den Gefühlen, die wie Sonnenglanz seine Brust durchzogen. Der Reiter war Graf Levin von Brettow, und sein feuriges Ross hatte ihn im Fluge von der fernen Heimat hergetragen, um die Geliebte noch am Abend zu überraschen.

      Graf Levin war nicht schön, nicht fein, aber ebenmäßig geformt. Die Flammen der Jugend leuchteten aus den prächtigen dunklen Augen, lagen auf der hohen, kühn gewölbten Stirn, und verliehen seinem ganzen Wesen den Charakter einer gewaltigen Kraft. Seine Erscheinung war imposant und würde an eine echt germanische Abkunft erinnert haben, wenn nicht das Haar und die Augen einen südlichen Typus aufgewiesen hätten. Von zauberhafter Wirkung war sein Lächeln, wenn es blitzartig über die streng männlichen Züge flog.

      Bald lag das Schloss, das seine Margareth in sich barg, im vollen Abendglanze vor ihm, und die weit geöffneten Fenster der Besuchszimmer redeten ihm von dem Feste vor, das man dort vorbereitete. Ein losgelöster Vorhang hatte sich vom Winde herauslocken lassen und wehte wie eine Willkommenfahne hin und her, als winke er ihm zu eilen. Glückselig nickte der Graf mit dem Haupte und schaute ringsum, als wolle er die Fluren, wo eine Geliebte gewandelt hatte, im Übermaße des Glückes an eine breite Brust ziehen, um ihnen zu danken, dass sie Segen und Freude gespendet hatten ihr zur Lust.

      Verwegen setzte er mit seinem mutigen Pferde mitten durch den morastigen Fluss an einer Stelle, wo weder eine Furt, noch ein Wahrzeichen zu sehen war. Das treue Tier trug ihn schnaufend hindurch und brachte ihn im Galopp auf den Schlosshof, wo seiner endlich Ruhe als Belohnung warten sollte.

      Graf Levin sprang hastig ab, und nahm sich kaum die Zeit, seinen Lieblingsrenner der Sorgfalt des Stalldieners zu empfehlen, denn er hatte oben im Fenster ein helles Gewand gesehen, und sein Herz sagte ihm: dass es seine Braut gewesen sei

      Wie auf Sturmesflügeln erreichte er das Balüstre, zähmte aber dann seine Hast, um sein Mädchen nicht zu erschrecken. Er trat leiser auf – seine Sporen klirrten kaum – und er schaute spähend den Korridor nach Süden und nach Norden entlang, um sie nicht zu verfehlen. Es rührte sich nichts!

      Die feierliche Stille einer Kirche waltete in dem obern Raume. Schon wollte er wieder hinab, um sie in ihrem Zimmer, das im südlichen Flügel lag, zu suchen, als ihm beifiel, dass sie im Salon oder im Turmkabinett weilen könne. Er trat ein. Der festliche Schmuck des schönen Saales beklemmte seine Brust mit süßen Schauern, weil er sich bewusst war, weswegen die Räume von Blumen dufteten und eine ungewöhnliche Eleganz aufzeigten. Die Bedeutung des wichtigen Tages, der seine Wünsche zu krönen verhieß, trat ihm näher, als sein Blick auf die Gruppe der Myrtenbäume fiel, unter deren grünem Blätterdache schon mehrere Generationen des Hauses Rittberg den Segen der Kirche zu ihrem ehelichen Bündnisse empfangen hatten. Gerührt hing er einem Gedanken darüber nach und legte schon jetzt im Stillen das Gelübde einer ewig unveränderten Liebe für sein teures Mädchen ab. Plötzlich entdeckte sein scharfes Auge, dass hinter der Myrtenwand die Tür des Kabinettes zum südlichen Turme geöffnet war, und dass sich in dem venezianischen Spiegel,


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