Gertrud. Luise Reinhardt

Gertrud - Luise Reinhardt


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verstrickt zu sehen, die ihr für späterhin schwere Kämpfe hätten bereiten können, da ihr Vormund noch für lange Jahre eine Stimme bei ihrer Verheiratung abzugeben hatte. Aber mit dem Instinkt des Weibes erlaubte sie sich weder einen Widerspruch, noch eine Billigung der hochfahrenden Aussprüche Gertruds, sondern begnügte sich, sie neckend mit einigen zärtlichen Scheltworten abzufertigen.

      Gertrud fuhr aufgeregt und sehr lebhaft sprechend fort:

      »Nein, Elvirchen, darauf mache Dich nur gefasst, dass Du mich einst noch auf irgendeinem Herzogen- oder doch mindestens auf einem Erbgrafensitz zu besuchen hast. Ich tue es nicht anders, und Onkel Exzellenz hat mir neulich auch gesagt, er wüsste in Schlesien einen Prinzen oder Grafen, – ich weiß nicht mehr genau – der mein Gemahl zu werden verdiente. Aber erst müsse Schlesien dem garstigen Preußenkönig wieder abgenommen werden, wozu auch alle Aussicht vorhanden sei.«

      »Schilt mir den Preußenkönig nicht, Du Kobold,« wandte Elvire lachend ein. »Ich bin in kurzer Zeit eine Untertanin und werde kühn für ihn in die Schranken treten!«

      »Du? Ach, mach’ mich nicht bange!« spottete Gertrud kindisch. »Du wirst mein Lebtag keine Preußenfreundin und der garstige Fritz wird nimmermehr Dein Ideal der Ritterlichkeit. Pfui – er schnupft Tabak! – Überdies, sagt Onkel Exzellenz, hat er sich benommen wie ein Räuber, indem er der armen österreichischen Kaiserin ihre schönen schlesischen Fürstentümer abgelistet hat. Aber, sagt Onkel Exzellenz, sie sind jetzt dabei, ihm ein tüchtiges Schnippchen zu schlagen. Unser Churfürst hat sich schon bereitfinden lassen für Österreich, und Maria Theresia will mit Hilfe Frankreichs die schlesischen Fürstentümer wieder erobern. Ist das nicht schön ausgedacht, Elvirchen?« fügte sie altklug hinzu und lachte herzlich, als ob es sich hier um Wiedererlangung eines Butterbrotes handle.

      »Es mag schön ausgedacht sein,« erwiderte Elvire mit eigener Achtlosigkeit, aber doch im richtigen Verständnis des Gehörten. »Aber recht ist es von Maria Theresia nicht, dass sie hinterrücks ihre Friedensverträge mit dem Preußenkönig verletzt, da sie ihm doch eigentlich dankbar dafür sein muss, dass er ihr geholfen hat, ihren Lothringer Herzog Franz zum deutschen Kaiser zu erheben.«

      »So – dankbar soll die Kaiserin noch dazu sein, obgleich sie diese Gefälligkeit teuer hat bezahlen müssen? Geh’, Elvire, Du fängst an preußisch zu werden!«

      »Nein, Gertrud, das ist nicht preußisch, das ist nur menschlich gedacht,« entgegnete Elvire ernsthaft. »Denk’ Dir ‚mal, Du hättest mir ein Stück von Deinem Gärtchen unter der Bedingung überlassen, dass ich Dir dafür irgendetwas erzeigte, was Dir recht angenehm wäre –«

      »Ja–ich denk’ mir das schon,« fiel. Gertrud keck die runden Arme über der Brust kreuzend mit herausfordernder Gebärde ein.

      »Denk’ Dir, dass ich mein Wort gehalten hätte, und dass Du trotzdem ohne mein Wissen zur Mama Pröhl schlichest und sie bätest, Dir doch Dein Gärtchen wieder zu verschaffen, da es Dir leid sei, dass Du ein Stück davon weggegeben hättest. Nun, wäre das schön von Dir gehandelt?«

      »So! Was gab Dir denn aber ein Recht an mein Gärtchen?« fragte das kleine Fräulein störrisch. »Wie kamst Du denn darauf, ein Stück davon zu verlangen? Und warum benutztest Du denn den Zeitpunkt, wo Du wusstest, dass ich zur Erreichung eines andern Wunsches gern bereit sein würde, für den Augenblick mein Gärtchen zu verkleinern?«

      Elvire sah die junge Politikerin mit großen Augen an, dann lachte sie hell auf.

      »Höre, Trudchen, Du hast bei Deinem letzten Besuche in Dresden ungeheuer viel gelernt!« rief sie aus; »Onkel Exzellenz hat mit seiner Diplomatie eine feurige und empfängliche Schülerin in Dir gefunden!«

      »O, irre Dich nicht! Onkel Exzellenz weiß gar nicht, dass ich im Nebenzimmer alles gehört habe, was er mit dem Geheimsekretär Menzel gesprochen hat. Aber ich fand, dass er ganz Recht hatte, als er sagte: Preußens König verdiene es nicht anders, als dass ihm mit List das wieder entrissen werde, was er sich durch Schlauheit und Gewalt genommen habe. Wenn ich also, um bei Deinem Vergleiche zu bleiben, zu Mama Pröhl ginge und ihr heimlich vorstellte, wie sehr im Vorteile Du wärest und wie unrecht es von Dir sei, Dir mein liebes Gärtchen räuberisch zugeeignet zu haben, so bin ich ganz in meinem Rechte. Und wenn Mama Pröhl mir dann wieder zu meinem Eigentum verhälfe, ob durch List oder durch Gewalt, bleibt sich gleich, so verdiente sie eine Krone!«

      »Schöne Grundsätze!« meinte Elvire heiter. »Und wenn Mama Pröhl, um bei meinem Gleichnisse zu bleiben, zur Erreichung ihres Zweckes zu tadelnswerten Mitteln ihre Zuflucht nimmt, zum Exempel zur Versöhnung mit einer alten Feindin, die nichts taugt und anmaßend ist–«

      »Zum Exempel mit Frau von Wallbott,« unter brach Gertrud sie.

      »O, nicht gerade diese, denn die gleicht meinem Bilde nicht.«

      »Ich aber denke sie mir böse und anmaßend,« beharrte das kleine Fräulein.

      »Das darf ich nicht zugeben,« eiferte Elvire. »Es ist die Tante meines Bräutigams – lassen wir also das Gleichnis lieber fallen.«

      »Nein!« trotzte das hübsche Kind. »Ich will Frau von Wallbott als ein böses Prinzip aufgestellt wissen. Also wenn Mama Pröhl die alte, hässliche, anmaßende, gelehrte, unausstehliche Tante Wallbott zu Hilfe ruft, um mir mein Gärtchen wieder zu verschaffen, so ist mir dies ganz recht, obwohl ich diese Dame von Grund meiner Seele hasse und verachte. Wenn ich mein Gärtchen wieder erobert habe, dann weise ich ihr die Wege und sage: Bleib’ mir aus den Augen, so lang’ ich Dich nicht brauche!«

      Elvire lachte diesmal nicht, sondern wandte sich mit den Worten zum Fenster: »Du bist kindisch und albern, liebe Gertrud!«

      »So! Weil ich nicht preußisch denke, etwa?«

      »Nein! Weil Du eine Frau verunglimpft, die Deine Ehrerbietung zu fordern berechtigt ist.«

      »O, ich werde ihr den allertiefsten Knix machen,« spottete das Fräulein. »Ich werde ihr die Hand küssen! Ich werde ihr die hochzeitliche Schleppe nachtragen! Ich werde ihr zu gefallen ›bon jour ‹ und ›bon soir ‹ sagen! Ich werde ›lispeln‹! Ich werde mit Enthusiasmus vom Leibaffen Voltaire parlieren! Ich werde von Cato, Plato und Sokrates sprechen, obwohl ich nicht mal weiß, wo und wann diese Männer gelebt haben –«

      »Da würdest Du sehr schlecht ankommen, denn Frau von Wallbott würde Dich mit einer einzigen Frage demütigen,« fiel Elvire ein. »Mich demütigen? Mit einer Frage? Elvire, Du dauerst mich! Gertrud von Spärkan ist die Verwandte eines sächsischen Feldmarschalls! Was ist denn Frau von Wallbott?«

      »Eine sehr kluge, gebildete und herrschsüchtige Dame!« antwortete Elvire.

      »Pah! Klug bin ich auch! Gebildet? Nun, das kann ich noch werden, wenn ich sonst Lust habe – und herrschsüchtig?«

      Sie stemmte lachend die Arme in die Seiten. »Ich habe Courage für einige fünfzig kluge und gebildete Damen, die ›lispeln‹! Aber, apropos – kennst Du denn Frau von Wallbott? Ich dächte nicht!«

      »Doch! Sie besuchte mit ihrer Nichte Margareth Dresden vor ungefähr drei Jahren, und da sah ich sie auf einem Feste beim Grafen von Brühl. Ich erinnere mich noch, mit welcher Ehrfurcht selbst die Herrschaften ihr huldigten.«

      »Narrenspossen, wenn sie keine Durchlaucht oder Exzellenz ist. Ich verlache solche Huldigungen, die man der bloßen Klugheit zollt. Was ist Klugheit? Was ist Bildung? Was ist Gelehrtheit?«

      Sie pustete verächtlich über die Flächen ihrer kleinen, weichen Kinderhände und hob sich dann majestätisch auf die Fußspitzen.

      »Aber was ist Reichtum? Was ist Geburt? Was ist Rang und Stand? Das sind Güter des Lebens, die uns hoch stellen, das sind Vorzüge, die nicht jeder Handwerker erreichen kann, das sind die Süßigkeiten der Erde, wonach selbst die sogenannten ›großen Geister‹ streben.«

      »Nicht immer, Gertrud,« wendete Elvire mit stillem Erstaunen zuhörend ein.

      »O, hast Du nicht gehört, was Papa Oberst vom großen Voltaire erzählte: er buhlt auch um die Gunst und Bekanntschaft der


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