LIEBE FÜR ZWEI. Ute Dombrowski
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LIEBE FÜR ZWEI
Ute Dombrowski
1. Auflage 2016
Copyright © 2016 Ute Dombrowski
Umschlag: Ute Dombrowski
Lektorat/Korrektorat: Julia Dillenberger-Ochs
Satz: Ute Dombrowski
Verlag: Ute Dombrowski Niedertiefenbach
Druck: epubli
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors und Selbstverlegers unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
„So wuchsen wir zusammen, einer Doppelkirsche gleich. Zum Schein getrennt, doch in der Trennung eins. Zwei holde Beeren, einem Stiel entwachsen, dem Scheine nach zwei Körper, doch ein Herz.“
William Shakespeare
„Ein Sommernachtstraum“
3. Akt, 2. Szene
Marylin und Gina Schnittmüller sahen schon als Kinder absolut gleich aus, selbst ihre Eltern konnten sie vom bloßen Ansehen nicht unterscheiden. Dennoch gab es eindeutige Wesensmerkmale, welche die Zwillingsschwestern zu zwei völlig unterschiedlichen Menschen machten: Marylin redete gern, war ausgelassen und neugierig, ständig löcherte sie ihre Mitmenschen mit Fragen über das Wie und Warum. Sie näherte sich neuen Menschen und Dingen in ihrem Umfeld offen und spontan. Außerdem war sie ein ausgesprochen fröhliches Kind.
Gina war das ganze Gegenteil ihrer Schwester. Sie war verschlossen, einsilbig und mürrisch. Ihren Mitmenschen und allem Neuen begegnete sie mit Argwohn. Dafür waren ihr aber Sauberkeit und Ordnung wichtig, sie achtete auch beim Spielen akribisch darauf, nicht schmutzig zu werden.
Wenn die beiden Schwestern im Garten waren, dann konnte man den Unterschied deutlich erkennen. Die zwanzig Minuten jüngere Marylin schaukelte, hüpfte, buddelte und rannte singend und Selbstgespräche führend umher. Gina saß auf der Wiese, pflückte Gänseblümchen, beobachtete ihre Schwester und schwieg.
Nicht, dass es für die beiden ein Problem gewesen wäre, dass ihre Interessen so arg auseinandergingen. Sie ergänzten sich prima: Da, wo Ruhe und Ausgeglichenheit gefragt war, trat Gina in den Vordergrund, und wo Engagement und Aktivität vonnöten waren, stand Marylin im Mittelpunkt.
Marylin und Gina waren blond, hatten ihre welligen Haare meist zu einem dicken Zopf geflochten. Marylin hasste ihre langen Haare, denn die behinderten sie oft bei ihren ausgedehnten Streifzügen durch die Natur. Am liebsten zog sie ihre alten, abgewetzten Spielhosen an. Gina hingegen stand jeden Morgen vor ihrem Schrank auf der Suche nach dem richtigen Kleid. Ein ordentliches Erscheinungsbild machte für sie den Tag erst komplett.
Die alte Spielhose von Marylin war ihr schon immer ein Dorn im Auge gewesen. So stand sie eines Nachts auf, nahm die Hose, schlich aus dem Haus und vergrub sie im hinteren Teil des Gartens, natürlich nicht, ohne sich vorher Handschuhe anzuziehen. Am nächsten Morgen betrachtete sie still die Tränen ihrer Schwester, ließ sich aber nichts anmerken und half fleißig bei der Suche nach Marylins Lieblingsstück.
Wenn die Zwillinge mit ihren Eltern einkaufen gingen oder die Verwandtschaft besuchten, zog ihre Mutter Roswitha sie stets gleich an. Während sich Gina alleine ankleidete und hübsch machte, musste ihre Mutter Marylin mit viel Überredungskraft in die hübschen Kleidchen zwingen. Das passende Handtäschchen warf Marylin bei ihrer Heimkehr oft wütend in eine Ecke.
„Oh, wie süß die beiden Mädchen sind“, riefen die Leute, wenn sie irgendwo auftauchten.
Gina lächelte dann huldvoll und Marylin sprang wild umher, denn sie hasste es, süß zu sein. Für Gina war das Leben mit ihrer Schwester ein Alptraum bis zu dem Tag, als sie endlich ein eigenes Zimmer beziehen konnte. Gina betete jeden Tag, an dem sie mit ihrer Schwester ein Zimmer teilen musste, voller Hingabe dafür. Marylin verabscheute Ordnung und Aufräumen und so sah ihre Seite des ersten gemeinsamen Zimmers immer aus wie ein Schlachtfeld: Bekleidung und Spielzeug waren in großen und kleinen Haufen bunt geschichtet, dazwischen lagen Kinderbücher, Malstifte und Kuscheltiere. Abends wischte Marylin alles Unnötige vom Bett und kuschelte sich an ihren Plüschbären Ralf. Der war früher einmal rosa gewesen, aber die Zeit und der intensive Gebrauch hatten ihn in ein schmutziges, blasses, grau-rosa Unding verwandelt. Wenn ihre Mutter ihn waschen wollte, schrie Marylin und hatte schlechte Laune, bis Ralf wieder trocken war und in ihrem Bett lag.
Für sie brach eine Welt zusammen, als Ralf eines Morgens verschwunden war. Die ganze Familie half beim Suchen, aber der Plüschbär tauchte nicht mehr auf. Gina tröstete ihre Schwester, wie sie es bei ihrer Mutter gesehen hatte, und gab ihr eines von ihren Plüschtieren ab, das neben den anderen sauber und gepflegt auf einem Regal auf der ordentlichen Seite des Zimmers saß.
Marylin weinte tagelang, aß nicht, schlief unruhig und wollte vom neuen Bärchen nichts wissen, doch die Zeit heilte auch diese Wunde.
Gina putze, bevor sie ein eigenes Zimmer hatte, jeden Tag ihre Hälfte des großen Raumes. Am liebsten hätte sie in der Mitte eine Mauer errichtet. Sie nahm alles aus den Fächern heraus und wischte diese feucht aus, dann drapierte sie ihre Spielsachen wieder an der gleichen Stelle wie vorher. Ihre Mutter hatte einmal gewagt, die Bücher in ein anderes Regal einzuordnen. Gina hatte sie angeschrien, sie solle die Finger davon lassen und räumte sie sofort wieder um, weil sie Veränderungen genauso hasste wie Schmutz.
Wenn bei Marylin etwas nicht mehr funktionierte oder verschlissen war, kam es nicht selten vor, dass es einfach verschwand. Keiner in der Familie konnte sich das erklären, nur ihr Vater Robert. Eines Tages wollte er im hinteren Bereich des Gartens ein neues Gemüsebeet anlegen, da stieß er in einer kleinen Grube auf die verschwundenen Dinge.
Er hatte den Verdacht, dass Gina, seine ordnungsliebende und penible Tochter, ihre Finger im Spiel hatte, aber er schwieg, denn er wollte sie nicht in Schwierigkeiten bringen. Er liebte Gina abgöttisch, sie war ein Papa-Kind.
Marylin war weder ein Mama- noch ein Papa-Kind. Sie war unabhängig und eigensinnig. Sie machte immer nur das, wozu sie Lust hatte. Das änderte sich auch nicht, als sie älter wurde. Gina hingegen plante alles immer sehr genau und richtete ihr Handeln stets auf ihren Vorteil aus. Niemals würde sie sich zu etwas Spontanem hinreißen lassen. Selbst die Streiche, die sie ihrer Schwester spielte, plante sie langfristig.
Marylin hatte guten Kontakt mit den Kindern aus der Nachbarschaft, so waren immer einige Jungen oder Mädchen mit im Garten oder Haus unterwegs. Marylin war beliebt wegen ihrer erfinderischen Art zu spielen.
Gina hatte nur eine Freundin. Sie hieß Claire von Doranisky und wohnte am anderen Ende des kleinen Städtchens etwas außerhalb in einem schlossähnlichen Anwesen. Sie war die Tochter eines wohlhabenden Textilfabrikanten und einer emanzipierten Verlegerin.
Heddy von Doranisky legte Wert auf eine bodenständige Erziehung, Vater Guntram überließ alle familiären Entscheidungen seiner Frau, also auch die Erziehung. Er hätte sowieso keine Chance gehabt, gegen seine wortgewandte und eigensinnige Frau die richtigen Argumente zu finden, und hatte sich im Stillen damit abgefunden, dass daheim Heddy die Hosen anhatte, aber in der Textilfabrik ließ er jeden spüren, dass er der Chef war.
Sehr gerne hätte Guntram gesehen, dass Claire in seine Fußstapfen treten würde, aber sie wollte seit frühester Kindheit Schauspielerin werden. Ihre Mutter war nicht sehr angetan von dieser hochtrabenden Idee, doch sie unterstützte Claire, nachdem sie in der Schule und im Kindertheater der Stadt großen Erfolg hatte.
Claire liebte