Faust I + II: Gesamtausgabe. Johann Wolfgang von Goethe

Faust I + II: Gesamtausgabe - Johann Wolfgang von Goethe


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mir ein kleines Hindernis, Der Drudenfuß auf Eurer Schwelle—

      FAUST. Das Pentagramma macht dir Pein? Ei sage mir, du Sohn der Hölle, Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein? Wie ward ein solcher Geist betrogen?

      MEPHISTOPHELES. Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen. Der eine Winkel, der nach außen zu, Ist, wie du siehst, ein wenig offen.

      FAUST. Das hat der Zufall gut getroffen! Und mein Gefangner wärst denn du? Das ist von ungefähr gelungen!

      MEPHISTOPHELES. Der Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen, Die Sache sieht jetzt anders aus. Der Teufel kann nicht aus dem Haus.

      FAUST. Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?

      MEPHISTOPHELES. ’s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster. Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus. Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte.

      FAUST. Die Hölle selbst hat ihre Rechte? Das find ich gut, da ließe sich ein Pakt, Und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schließen?

      MEPHISTOPHELES. Was man verspricht, das sollst du rein genießen, Dir wird davon nichts abgezwackt. Doch das ist nicht so kurz zu fassen, Und wir besprechen das zunächst Doch jetzo bitt ich, hoch und höchst, Für dieses Mal mich zu entlassen.

      FAUST. So bleibe doch noch einen Augenblick, Um mir erst gute Mär zu sagen.

      MEPHISTOPHELES. Jetzt laß mich los! ich komme bald zurück; Dann magst du nach Belieben fragen.

      FAUST. Ich habe dir nicht nachgestellt, Bist du doch selbst ins Garn gegangen. Den Teufel halte, wer ihn hält! Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen.

      MEPHISTOPHELES. Wenn dir’s beliebt, so bin ich auch bereit, Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben; Doch mit Bedingnis, dir die Zeit Durch meine Künste würdig zu vertreiben.

      FAUST. Ich seh es gern, das steht dir frei; Nur daß die Kunst gefällig sei!

      MEPHISTOPHELES. Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen In dieser Stunde mehr gewinnen Als in des Jahres Einerlei. Was dir die zarten Geister singen, Die schönen Bilder, die sie bringen, Sind nicht ein leeres Zauberspiel. Auch dein Geruch wird sich ergetzen, Dann wirst du deinen Gaumen letzen, Und dann entzückt sich dein Gefühl. Bereitung braucht es nicht voran, Beisammen sind wir, fanget an!

      GEISTER. Schwindet, ihr dunkeln Wölbungen droben! Reizender schaue Freundlich der blaue Äther herein! Wären die dunkeln Wolken zerronnen! Sternelein funkeln, Mildere Sonnen Scheinen darein. Himmlischer Söhne Geistige Schöne, Schwankende Beugung Schwebet vorüber. Sehnende Neigung Folget hinüber; Und der Gewänder Flatternde Bänder Decken die Länder, Decken die Laube, Wo sich fürs Leben, Tief in Gedanken, Liebende geben. Laube bei Laube! Sprossende Ranken! Lastende Traube Stürzt ins Behälter Drängender Kelter, Stürzen in Bächen Schäumende Weine, Rieseln durch reine, Edle Gesteine, Lassen die Höhen Hinter sich liegen, Breiten zu Seen Sich ums Genüge Grünender Hügel. Und das Geflügel Schlürfet sich Wonne, Flieget der Sonne, Flieget den hellen Inseln entgegen, Die sich auf Wellen Gauklend bewegen; Wo wir in Chören Jauchzende hören, Über den Auen Tanzende schauen, Die sich im Freien Alle zerstreuen. Einige klimmen Über die Höhen, Andere schwimmen Über die Seen, Andere schweben; Alle zum Leben, Alle zur Ferne Liebender Sterne, Seliger Huld.

      MEPHISTOPHELES. Er schläft! So recht, ihr luft’gen zarten Jungen! Ihr habt ihn treulich eingesungen! Für dies Konzert bin ich in eurer Schuld. Du bist noch nicht der Mann, den Teufel festzuhalten! Umgaukelt ihn mit süßen Traumgestalten, Versenkt ihn in ein Meer des Wahns; Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten, Bedarf ich eines Rattenzahns. Nicht lange brauch ich zu beschwören, Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich hören.

      Der Herr der Ratten und der Mäuse, Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse Befiehlt dir, dich hervor zu wagen Und diese Schwelle zu benagen, So wie er sie mit Öl betupft— Da kommst du schon hervorgehupft! Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte, Sie sitzt ganz vornen an der Kante. Noch einen Biß, so ist’s geschehn.— Nun, Fauste, träume fort, bis wir uns wiedersehn.

      FAUST (erwachend). Bin ich denn abermals betrogen? Verschwindet so der geisterreiche Drang Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen, Und daß ein Pudel mir entsprang?

      Studierzimmer

      Faust. Mephistopheles.

      FAUST. Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?

      MEPHISTOPHELES. Ich bin’s.

      FAUST. Herein!

      MEPHISTOPHELES. Du mußt es dreimal sagen.

      FAUST. Herein denn!

      MEPHISTOPHELES. So gefällst du mir. Wir werden, hoff ich, uns vertragen; Denn dir die Grillen zu verjagen, Bin ich als edler Junker hier, In rotem, goldverbrämtem Kleide, Das Mäntelchen von starrer Seide, Die Hahnenfeder auf dem Hut, Mit einem langen, spitzen Degen, Und rate nun dir, kurz und gut, Dergleichen gleichfalls anzulegen; Damit du, losgebunden, frei, Erfahrest, was das Leben sei.

      FAUST. In jedem Kleide werd ich wohl die Pein Des engen Erdelebens fühlen. Ich bin zu alt, um nur zu spielen, Zu jung, um ohne Wunsch zu sein. Was kann die Welt mir wohl gewähren? Entbehren sollst du! sollst entbehren! Das ist der ewige Gesang, Der jedem an die Ohren klingt, Den, unser ganzes Leben lang, Uns heiser jede Stunde singt. Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf, Ich möchte bittre Tränen weinen, Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf Nicht einen Wunsch erfüllen wird, nicht einen, Der selbst die Ahnung jeder Lust Mit eigensinnigem Krittel mindert, Die Schöpfung meiner regen Brust Mit tausend Lebensfratzen hindert. Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt, Mich ängstlich auf das Lager strecken; Auch da wird keine Rast geschenkt, Mich werden wilde Träume schrecken. Der Gott, der mir im Busen wohnt, Kann tief mein Innerstes erregen; Der über allen meinen Kräften thront, Er kann nach außen nichts bewegen; Und so ist mir das Dasein eine Last, Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.

      MEPHISTOPHELES. Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.

      FAUST. O selig der, dem er im Siegesglanze Die blut’gen Lorbeern um die Schläfe windet, Den er, nach rasch durchrastem Tanze, In eines Mädchens Armen findet! O wär ich vor des hohen Geistes Kraft Entzückt, entseelt dahin gesunken!

      MEPHISTOPHELES. Und doch hat jemand einen braunen Saft, In jener Nacht, nicht ausgetrunken.

      FAUST. Das Spionieren, scheint’s, ist deine Lust.

      MEPHISTOPHELES. Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.

      FAUST. Wenn aus dem schrecklichen Gewühle Ein süß bekannter Ton mich zog, Den Rest von kindlichem Gefühle Mit Anklang froher Zeit betrog, So fluch ich allem, was die Seele Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt, Und sie in diese Trauerhöhle Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt! Verflucht voraus die hohe Meinung Womit der Geist sich selbst umfängt! Verflucht das Blenden der Erscheinung, Die sich an unsre Sinne drängt! Verflucht, was uns in Träumen heuchelt Des Ruhms, der Namensdauer Trug! Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt, Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug! Verflucht sei Mammon, wenn mit Schätzen Er uns zu kühnen Taten regt, Wenn er zu müßigem Ergetzen Die Polster uns zurechte legt! Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben! Fluch jener höchsten Liebeshuld! Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben, Und Fluch vor allen der Geduld!

      GEISTERCHOR (unsichtbar). Weh! weh! Du hast sie zerstört Die schöne Welt, Mit mächtiger Faust; Sie stürzt, sie zerfällt! Ein Halbgott hat sie zerschlagen! Wir tragen Die Trümmern ins Nichts hinüber, Und klagen Über die verlorne Schöne. Mächtiger Der Erdensöhne, Prächtiger Baue sie wieder, In deinem Busen baue sie auf! Neuen Lebenslauf Beginne, Mit hellem Sinne, Und neue Lieder Tönen darauf!

      MEPHISTOPHELES. Dies sind die Kleinen Von den Meinen. Höre, wie zu Lust und Taten Altklug sie raten! In die Welt weit, Aus der Einsamkeit Wo Sinnen und Säfte stocken, Wollen sie dich locken.

      Hör auf, mit deinem Gram zu spielen, Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt; Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen, Daß du ein Mensch mit Menschen bist. Doch so ist’s nicht


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