Faust I + II: Gesamtausgabe. Johann Wolfgang von Goethe

Faust I + II: Gesamtausgabe - Johann Wolfgang von Goethe


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Falten werfen!

      MEPHISTOPHELES. In Sammet und in Seide War er nun angetan Hatte Bänder auf dem Kleide, Hatt auch ein Kreuz daran Und war sogleich Minister, Und hatt einen großen Stern. Da wurden seine Geschwister Bei Hof auch große Herrn.

      Und Herrn und Fraun am Hofe, Die waren sehr geplagt, Die Königin und die Zofe Gestochen und genagt, Und durften sie nicht knicken, Und weg sie jucken nicht. Wir knicken und ersticken Doch gleich, wenn einer sticht.

      CHORUS (jauchzend). Wir knicken und ersticken Doch gleich, wenn einer sticht.

      FROSCH. Bravo! Bravo! Das war schön!

      SIEBEL. So soll es jedem Floh ergehn!

      BRANDER. Spitzt die Finger und packt sie fein!

      ALTMAYER. Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein!

      MEPHISTOPHELES. Ich tränke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren, Wenn eure Weine nur ein bißchen besser wären.

      SIEBEL. Wir mögen das nicht wieder hören!

      MEPHISTOPHELES. Ich fürchte nur, der Wirt beschweret sich; Sonst gäb ich diesen werten Gästen Aus unserm Keller was zum besten.

      SIEBEL. Nur immer her! ich nehm’s auf mich.

      FROSCH. Schafft Ihr ein gutes Glas, so wollen wir Euch loben. Nur gebt nicht gar zu kleine Proben Denn wenn ich judizieren soll, Verlang ich auch das Maul recht voll.

      ALTMAYER (leise). Sie sind vom Rheine, wie ich spüre.

      MEPHISTOPHELES. Schafft einen Bohrer an!

      BRANDER. Was soll mit dem geschehn? Ihr habt doch nicht die Fässer vor der Türe?

      ALTMAYER. Dahinten hat der Wirt ein Körbchen Werkzeug stehn.

      MEPHISTOPHELES (nimmt den Bohrer. Zu Frosch). Nun sagt, was wünschet Ihr zu schmecken?

      FROSCH. Wie meint Ihr das? Habt Ihr so mancherlei?

      MEPHISTOPHELES. Ich stell es einem jeden frei.

      ALTMAYER (zu Frosch). Aha! du fängst schon an, die Lippen abzulecken.

      FROSCH. Gut! wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben. Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.

      MEPHISTOPHELES (indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den Tischrand bohrt). Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!

      ALTMAYER. Ach, das sind Taschenspielersachen.

      MEPHISTOPHELES (zu Brander). Und Ihr?

      BRANDER. Ich will Champagner Wein Und recht moussierend soll er sein! (Mephistopheles bohrt; einer hat indessen die Wachspfropfen gemacht und verstopft.) Man kann nicht stets das Fremde meiden Das Gute liegt uns oft so fern. Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, Doch ihre Weine trinkt er gern.

      SIEBEL (indem sich Mephistopheles seinem Platze nähert). Ich muß gestehn, den sauern mag ich nicht, Gebt mir ein Glas vom echten süßen!

      MEPHISTOPHELES (bohrt). Euch soll sogleich Tokayer fließen.

      ALTMAYER. Nein, Herren, seht mir ins Gesicht! Ich seh es ein, ihr habt uns nur zum besten.

      MEPHISTOPHELES. Ei! Ei! Mit solchen edlen Gästen Wär es ein bißchen viel gewagt. Geschwind! Nur grad heraus gesagt! Mit welchem Weine kann ich dienen?

      ALTMAYER. Mit jedem! Nur nicht lang gefragt. (Nachdem die Löcher alle gebohrt und verstopft sind.)

      MEPHISTOPHELES (mit seltsamen Gebärden). Trauben trägt der Weinstock! Hörner der Ziegenbock; Der Wein ist saftig, Holz die Reben, Der hölzerne Tisch kann Wein auch geben. Ein tiefer Blick in die Natur! Hier ist ein Wunder, glaubet nur! Nun zieht die Pfropfen und genießt!

      ALLE (indem sie die Pfropfen ziehen und jedem der verlangte Wein ins Glas läuft). O schöner Brunnen, der uns fließt!

      MEPHISTOPHELES. Nur hütet euch, daß ihr mir nichts vergießt! (Sie trinken wiederholt.)

      ALLE (singen). Uns ist ganz kannibalisch wohl, Als wie fünfhundert Säuen!

      MEPHISTOPHELES. Das Volk ist frei, seht an, wie wohl’s ihm geht!

      FAUST. Ich hätte Lust, nun abzufahren.

      MEPHISTOPHELES. Gib nur erst acht, die Bestialität Wird sich gar herrlich offenbaren.

      SIEBEL (trinkt unvorsichtig, der Wein fließt auf die Erde und wird zur Flamme). Helft! Feuer! helft! Die Hölle brennt!

      MEPHISTOPHELES (die Flamme besprechend). Sei ruhig, freundlich Element! (Zu den Gesellen.) Für diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.

      SIEBEL. Was soll das sein? Wart! Ihr bezahlt es teuer! Es scheinet, daß Ihr uns nicht kennt.

      FROSCH. Laß Er uns das zum zweiten Male bleiben!

      ALTMAYER. Ich dächt, wir hießen ihn ganz sachte seitwärts gehn.

      SIEBEL. Was, Herr? Er will sich unterstehn, Und hier sein Hokuspokus treiben?

      MEPHISTOPHELES. Still, altes Weinfaß!

      SIEBEL. Besenstiel! Du willst uns gar noch grob begegnen?

      BRANDER. Wart nur, es sollen Schläge regnen!

      ALTMAYER (zieht einen Pfropf aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen): Ich brenne! ich brenne!

      SIEBEL. Zauberei! Stoßt zu! der Kerl ist vogelfrei! (Sie ziehen die Messer und gehn auf Mephistopheles los.)

      MEPHISTOPHELES (mit ernsthafter Gebärde). Falsch Gebild und Wort Verändern Sinn und Ort! Seid hier und dort! (Sie stehn erstaunt und sehn einander an.)

      ALTMAYER. Wo bin ich? Welches schöne Land!

      FROSCH. Weinberge! Seh ich recht?

      SIEBEL. Und Trauben gleich zur Hand!

      BRANDER. Hier unter diesem grünen Laube, Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube! (Er faßt Siebeln bei der Nase. Die andern tun es wechselseitig und heben die Messer.)

      MEPHISTOPHELES (wie oben). Irrtum, laß los der Augen Band! Und merkt euch, wie der Teufel spaße! (Er verschwindet mit Faust, die Gesellen fahren auseinander.

      SIEBEL. Was gibt’s?

      ALTMAYER. Wie?

      FROSCH. War das deine Nase?

      BRANDER (zu Siebel). Und deine hab ich in der Hand!

      ALTMAYER. Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder! Schafft einen Stuhl, ich sinke nieder!

      FROSCH. Nein, sagt mir nur, was ist geschehn?

      FROSCH. Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spüre, Er soll mir nicht lebendig gehn!

      ALTMAYER. Ich hab ihn selbst hinaus zur Kellertüre— Auf einem Fasse reiten sehn— Es liegt mir bleischwer in den Füßen. (Sich nach dem Tische wendend.) Mein! Sollte wohl der Wein noch fließen?

      SIEBEL. Betrug war alles, Lug und Schein.

      FROSCH. Mir deuchte doch, als tränk ich Wein.

      BRANDER. Aber wie war es mit den Trauben?

      ALTMAYER. Nun sag mir eins, man soll kein Wunder glauben!

      Hexenküche

      Auf einem niedrigen Herd steht ein großer Kessel über dem Feuer. In dem Dampfe, der davon in die Höhe steigt, zeigen sich verschiedene Gestalten. Eine Meerkatze sitzt bei dem Kessel und schäumt ihn und sorgt, daß er nicht überläuft. Der Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und wärmt sich. Wände und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrat geschmückt.

      Faust. Mephistopheles.

      FAUST. Mir widersteht das tolle Zauberwesen! Versprichst du mir, ich soll genesen In diesem Wust von Raserei? Verlang ich Rat von einem alten Weibe? Und schafft die Sudelköcherei Wohl dreißig Jahre mir vom Leibe?


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