Faust I + II: Gesamtausgabe. Johann Wolfgang von Goethe

Faust I + II: Gesamtausgabe - Johann Wolfgang von Goethe


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Nicht irgendeinen Balsam ausgefunden?

      MEPHISTOPHELES. Mein Freund, nun sprichst du wieder klug! Dich zu verjüngen, gibt’s auch ein natürlich Mittel; Allein es steht in einem andern Buch, Und ist ein wunderlich Kapitel.

      FAUST. Ich will es wissen.

      MEPHISTOPHELES. Gut! Ein Mittel, ohne Geld Und Arzt und Zauberei zu haben. Begib dich gleich hinaus aufs Feld, Fang an zu hacken und zu graben Erhalte dich und deinen Sinn In einem ganz beschränkten Kreise, Ernähre dich mit ungemischter Speise, Leb mit dem Vieh als Vieh, und acht es nicht für Raub, Den Acker, den du erntest, selbst zu düngen; Das ist das beste Mittel, glaub, Auf achtzig Jahr dich zu verjüngen!

      FAUST. Das bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht bequemen, Den Spaten in die Hand zu nehmen. Das enge Leben steht mir gar nicht an.

      MEPHISTOPHELES. So muß denn doch die Hexe dran.

      FAUST. Warum denn just das alte Weib! Kannst du den Trank nicht selber brauen?

      MEPHISTOPHELES. Das wär ein schöner Zeitvertreib! Ich wollt indes wohl tausend Brücken bauen. Nicht Kunst und Wissenschaft allein, Geduld will bei dem Werke sein. Ein stiller Geist ist jahrelang geschäftig, Die Zeit nur macht die feine Gärung kräftig. Und alles, was dazu gehört, Es sind gar wunderbare Sachen! Der Teufel hat sie’s zwar gelehrt; Allein der Teufel kann’s nicht machen. (Die Tiere erblickend.) Sieh, welch ein zierliches Geschlecht! Das ist die Magd! das ist der Knecht! (Zu den Tieren.) Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause?

      DIE TIERE. Beim Schmause, Aus dem Haus Zum Schornstein hinaus!

      MEPHISTOPHELES. Wie lange pflegt sie wohl zu schwärmen?

      DIE TIERE. So lange wir uns die Pfoten wärmen.

      MEPHISTOPHELES. (zu Faust). Wie findest du die zarten Tiere?

      FAUST. So abgeschmackt, als ich nur jemand sah!

      MEPHISTOPHELES. Nein, ein Discours wie dieser da Ist grade der, den ich am liebsten führe! (zu den Tieren.) So sagt mir doch, verfluchte Puppen, Was quirlt ihr in dem Brei herum?

      DIE TIERE. Wir kochen breite Bettelsuppen.

      MEPHISTOPHELES. Da habt ihr ein groß Publikum.

      DER KATER (macht sich herbei und schmeichelt dem Mephistopheles). O würfle nur gleich, Und mache mich reich, Und laß mich gewinnen! Gar schlecht ist’s bestellt, Und wär ich bei Geld, So wär ich bei Sinnen.

      MEPHISTOPHELES. Wie glücklich würde sich der Affe schätzen, Könnt er nur auch ins Lotto setzen! (Indessen haben die jungen Meerkätzchen mit einer großen Kugel gespielt und rollen sie hervor.)

      DER KATER. Das ist die Welt; Sie steigt und fällt Und rollt beständig; Sie klingt wie Glas; Wie bald bricht das! Ist hohl inwendig. Hier glänzt sie sehr, Und hier noch mehr. “Ich bin lebendig!” Mein lieber Sohn, Halt dich davon! Du mußt sterben! Sie ist von Ton, Es gibt Scherben.

      MEPHISTOPHELES. Was soll das Sieb?

      DER KATER (holt es herunter). Wärst du ein Dieb, Wollt ich dich gleich erkennen. (Er lauft zur Kätzin und läßt sie durchsehen.) Sieh durch das Sieb! Erkennst du den Dieb, Und darfst ihn nicht nennen?

      MEPHISTOPHELES (sich dem Feuer nähernd). Und dieser Topf?

      KATER UND KÄTZIN. Der alberne Tropf! Er kennt nicht den Topf, Er kennt nicht den Kessel!

      MEPHISTOPHELES. Unhöfliches Tier!

      DER KATER. Den Wedel nimm hier, Und setz dich in Sessel! (Er nötigt den Mephistopheles zu sitzen.)

      FAUST (welcher diese Zeit über vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald genähert, bald sich von ihm entfernt hat). Was seh ich? Welch ein himmlisch Bild Zeigt sich in diesem Zauberspiegel! O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel, Und führe mich in ihr Gefild! Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe, Wenn ich es wage, nah zu gehn, Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn!— Das schönste Bild von einem Weibe! Ist’s möglich, ist das Weib so schön? Muß ich an diesem hingestreckten Leibe Den Inbegriff von allen Himmeln sehn? So etwas findet sich auf Erden?

      MEPHISTOPHELES. Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt, Und selbst am Ende Bravo sagt, Da muß es was Gescheites werden. Für diesmal sieh dich immer satt; Ich weiß dir so ein Schätzchen auszuspüren, Und selig, wer das gute Schicksal hat, Als Bräutigam sie heim zu führen! (Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen.)

      Hier sitz ich wie der König auf dem Throne, Den Zepter halt ich hier, es fehlt nur noch die Krone.

      DIE TIERE (welche bisher allerlei wunderliche Bewegungen durcheinander gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit großem Geschrei). O sei doch so gut, Mit Schweiß und mit Blut Die Krone zu leimen! (Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwei Stücke, mit welchen sie herumspringen.)

      Nun ist es geschehn! Wir reden und sehn, Wir hören und reimen.

      FAUST (gegen den Spiegel). Weh mir! ich werde schier verrückt.

      MEPHISTOPHELES (auf die Tiere deutend). Nun fängt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken.

      DIE TIERE. Und wenn es uns glückt, Und wenn es sich schickt, So sind es Gedanken!

      FAUST (wie oben). Mein Busen fängt mir an zu brennen! Entfernen wir uns nur geschwind!

      MEPHISTOPHELES (in obiger Stellung). Nun, wenigstens muß man bekennen, Daß es aufrichtige Poeten sind. (Der Kessel, welchen die Katzin bisher außer acht gelassen, fängt an überzulaufen, es entsteht eine große Flamme, welche zum Schornstein hinaus schlägt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit entsetzlichem Geschrei herunter gefahren.)

      DIE HEXE. Au! Au! Au! Au! Verdammtes Tier! verfluchte Sau! Versäumst den Kessel, versengst die Frau! Verfluchtes Tier! (Faust und Mephistopheles erblickend.) Was ist das hier? Wer seid ihr hier? Was wollt ihr da? Wer schlich sich ein? Die Feuerpein Euch ins Gebein! (Sie fahrt mit dem Schaumlöffel in den Kessel und spritzt Flammen nach Faust, Mephistopheles und den Tieren. Die Tiere winseln.)

      MEPHISTOPHELES (welcher den Wedel, den er in der Hand hält, umkehrt und unter die Gläser und Töpfe schlägt). Entzwei! entzwei! Da liegt der Brei! Da liegt das Glas! Es ist nur Spaß, Der Takt, du Aas, Zu deiner Melodei. (Indem die Hexe voll Grimm und Entsetzen zurücktritt.) Erkennst du mich? Gerippe! Scheusal du! Erkennst du deinen Herrn und Meister? Was hält mich ab, so schlag ich zu, Zerschmettre dich und deine Katzengeister! Hast du vorm roten Wams nicht mehr Respekt? Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen? Hab ich dies Angesicht versteckt? Soll ich mich etwa selber nennen?

      DIE HEXE. O Herr, verzeiht den rohen Gruß! Seh ich doch keinen Pferdefuß. Wo sind denn Eure beiden Raben?

      MEPHISTOPHELES. Für diesmal kommst du so davon; Denn freilich ist es eine Weile schon, Daß wir uns nicht gesehen haben. Auch die Kultur, die alle Welt beleckt, Hat auf den Teufel sich erstreckt; Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen; Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen? Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann, Der würde mir bei Leuten schaden; Darum bedien ich mich, wie mancher junge Mann, Seit vielen Jahren falscher Waden.

      DIE HEXE (tanzend). Sinn und Verstand verlier ich schier, Seh ich den Junker Satan wieder hier!

      MEPHISTOPHELES. Den Namen, Weib, verbitt ich mir!

      DIE HEXE. Warum? Was hat er Euch getan?

      MEPHISTOPHELES. Er ist schon lang ins Fabelbuch geschrieben; Allein die Menschen sind nichts besser dran, Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben. Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut; Ich bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere. Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut; Sieh her, das ist das Wappen, das ich führe! (Er macht eine unanständige Gebärde.)

      DIE HEXE (lacht unmäßig). Ha! Ha! Das ist in Eurer Art! Ihr seid ein Schelm, wie Ihr nur immer wart!

      MEPHISTOPHELES (zu Faust). Mein Freund, das lerne wohl verstehn! Dies ist die Art, mit Hexen umzugehn.

      DIE HEXE. Nun


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