Mörderischer Handel. Ute Dombrowski
war. Die Qualifikationen besaß er. Vielleicht sollte er es versuchen?
„Glaubst du, die nehmen einen wie mich?“
Bianca stand auf und holte sich eine Tasse Kaffee, mit der sie sich ans Fenster stellte.
„Doch“, sagte sie, „doch, du wärst ein guter Dienststellenleiter. Außerdem bist du einer von hier. Es wäre schon besser, wenn man uns keinen Fremden vor die Nase setzt, dem man nichts rechtmachen kann. Geh hoch und rede mit Reinhold.“
„Morgen, ich muss noch einmal drüber schlafen. Schließlich kann ich dann nicht mehr mit dir im Team arbeiten. Das ist gerade das Beste an meinem Job.“
„Ach du meine Güte, ich bin ja nicht aus der Welt. Ich komme dann jeden Tag zehnmal in dein Büro und berichte von den großen und kleinen Katastrophen. Aber danke für die netten Worte. Ich arbeite auch sehr gerne mit dir zusammen. Du bist mir im letzten Jahr ein echter Freund geworden.“
„Den Dank kann ich nur zurückgeben. Ich hatte schon Angst, dass du wieder ins Archiv gehst. Dabei waren wir doch sehr erfolgreich.“
Es klopfte und der Staatsanwalt Dr. Rosenschuh stand wie immer ohne Aufforderung direkt im Büro.
„Schon wieder eine Kaffeerunde? Haben Sie nichts zu tun?“
„Wir planen gerade den Tag, also nur mit der Ruhe. Gott sei Dank haben sich die Verbrecher aus Eltville zurückgezogen.“
„Oh, der schlaue Herr Kommissar kann hellsehen. Wollten Sie nicht den Unfall mit der Leiche im Rhein aufklären?“
„Das hat sich erledigt, es war wohl wirklich ein Unfall. Der Mann war betrunken und ist auf den Steinen am Ufer herumgeklettert. Er ist abgerutscht und wurde mitgerissen, denn die Strömung ist dort sehr heftig.“
„Und warum habe ich den Bericht noch nicht auf meinem Schreibtisch?“
„Weil er eben erst ausgedruckt wurde. Ich war schon unterwegs und wollte nur noch etwas Merkwürdiges mit Hermann besprechen.“
„Was denn Merkwürdiges? Ein Unfall ist doch super. Das geht uns nichts mehr an.“
„Er hatte blaue Flecken an den Handgelenken. Vielleicht ist das ein Hinweis auf …“
„Auf ein Verbrechen? Ach was! So ein Säufer hat schon mal blaue Flecken, egal wo. Konstruieren Sie keinen Mord, geben Sie mir den Bericht und fertig!“
Bianca war an den Schreibtisch getreten und schob die grüne Mappe zu Dr. Rosenschuh. Sie schwieg, denn jedes Wort wäre zu viel gewesen. Der Staatsanwalt hasste sie von ganzem Herzen und es war ihm ein Dorn im Auge, dass sie nicht wieder im Archiv verschwunden war. Er hätte Reinhold mehr Druck machen sollen, aber der Dienststellenleiter hatte Bianca gern wieder aufgenommen.
„Kümmern Sie sich um Sachen, die wichtig sind!“, blaffte der Staatsanwalt.
In diesem Moment klingelte sein Handy. Er nahm den Ordner, drehte sich um und im Hinausgehen ging er ans Telefon.
„Du sollst mich hier nicht anrufen“, sagte er überraschend leise und zog die Tür hinter sich ins Schloss.
„Hast du schon mal bemerkt, dass der Rosenschuh sich verändert hat?“, fragte Bianca nachdenklich.
„Meinst du damit, dass er nett und freundlich geworden ist?“
Die Kommissare lachten los und sie ahnten, dass Dr. Rosenschuh noch vor ihrer Bürotür stand.
„Das wird nie passieren, keine Angst. Aber“, flüsterte sie nun, „ich sehe ihn öfter mit dem Handy in der Hand und wenn es mal klingelt, dann verschwindet er schnell. Hat er etwas zu verbergen?“
„Vielleicht geht er fremd. Ist der eigentlich verheiratet?“
„Er ist geschieden, das hat mir Jürgen mal erzählt. Der Job war ihm wichtiger als seine Familie. Er hat wohl auch eine Tochter. Aber ich muss zugeben, dass mir sein Leben herzlich egal ist. Wer will schon so einen Mann?“
„Gut“, erwiderte Ferdinand, „dann kommt er nicht als Kandidat für dich infrage. Hast du dich mal mit einem Mann getroffen?“
Seitdem Bianca hierher zurückgekehrt war, hatte sie sich geöffnet und mit Ferdinand über ihre Trauer und ihre Ängste geredet, obwohl es sie viel Kraft und Mut gekostet hatte. Ferdinand hatte zugehört, sie ernstgenommen und nicht gewertet. Und was ganz wichtig gewesen war: Er hatte ihr keine Ratschläge gegeben, wie sie ihre Trauer und somit ihr Leben in den Griff bekommen konnte. Bianca hatte sich gefangen, ging regelmäßig zum Friedhof, redete nach wie vor mit Michael, aber nun hatte sie auch einen echten Freund, dem sie sich anvertrauen konnte. Sie war unendlich dankbar und nahm ihm diese Frage jetzt auch nicht übel.
„Ich weiß nicht, ob ich das schon kann. Wenn ich mich wieder einem Mann zuwende, dann muss es so richtig knallen, wenn du verstehst, was ich meine. Schmetterlinge im Bauch und rot werden. Aber ein Mann, der in meinem Leben einen Platz haben will, muss auch die Vergangenheit akzeptieren. Ich werde Michael immer lieben, nur weil er nicht mehr lebt, ist das nicht weniger geworden.“
„Das verstehe ich. Denkst du, Michael würde wollen, dass du für immer allein bleibst?“
„Nein, ich denke, er würde mir Mut machen, eine neue Beziehung einzugehen, aber im Moment reicht es mir völlig, einen so guten Freund wie dich und eine Freundin wie Riva zu haben. Ich bin froh, dass es euch gibt.“
„Wenn einer kommt, der dich umhaut, dann lass es zu. Das ist alles, was ich verlange. Ist das zu viel?“
Bianca lächelte und schüttelte den Kopf.
„Weißt du was?“, rief Ferdinand. „Du hast recht, ich gehe jetzt mal hoch zu Reinhold und rede mit ihm über meine Idee.“
2
Am nächsten Morgen stand Hermann Pfriehl, der Gerichtsmediziner, im Büro bei Bianca, als Ferdinand mit belegten Brötchen ankam. Er stellte die Tüte neben die Kaffeemaschine und sah die Kollegen aufmerksam an.
„Herrmann, guten Morgen, besuchst du uns? Das ist aber nett. Kaffee?“
„Gerne“, sagte der Mann freundlich, „aber eigentlich bin ich dienstlich hier. Bianca hat mich wegen des Toten im Rhein angerufen.“
Ferdinand grinste.
„Du böses Mädchen, hast du nicht unseren strengen Staatsanwalt gehört? Keine Ermittlungen bitte. Da wird er ausrasten, wenn die blauen Flecken doch von einem Verbrechen stammen.“
„Tja, meine lieben Kriminalisten, das müsst ihr dann in Kauf nehmen. Der Mann ist zwar im Rhein ertrunken, aber irgendjemand hat ihn festgehalten. Wir haben im Nachgang weitere blaue Flecken in der Nackengegend entdeckt. Es ist, als hätte ihn jemand beim Ertrinken unterstützt.“
„Und der Alkohol im Blut?“, fragte jetzt Bianca.
„Vielleicht hat man ihm den eingeflößt. Darum die blauen Handgelenke. Ihn danach mit dem Kopf unter Wasser zu halten, ist eine leichte Übung.“
„Ja … Wenn ich da an Alexander denke …“
Sie schluckte. Die Bilder des schlimmsten Tages in ihrem Leben waren wieder hochgekommen, als ihr die Parallelen zwischen der Vorgehensweise des damaligen Mörders und den Verletzungen des Opfers heute bewusst geworden waren. Sie atmete tief durch.
„Der hat den alten Mann damals auch einfach so lange unter Wasser gedrückt, bis er tot war. Vorher hatte der Tote fast zwei Flaschen Schnaps getrunken.“
Hermann zuckte mit den Schultern.
„Wie das abgelaufen ist, müsst ihr herausfinden, ich kann nur sagen, dass die Umstände für einen Mord sprechen. Und jetzt kann ich einen Kaffee gebrauchen.“
Bianca schenkte ein, sie frühstückten, dann verließ Hermann das Büro. Ferdinand sah seine Kollegin an.
„Wer sagt es ihm?“