Unfassbar traurig. Ute Dombrowski

Unfassbar traurig - Ute Dombrowski


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Er hatte getötet und viel Leid über die Hinterbliebenen gebracht.

      „Warum können die Leute nicht einfach mal vernünftig über ihre Sorgen reden?“

      Sie meinte, sie hätte dieses Satz nur gedacht, aber anscheinend hatte sie ihn laut ausgesprochen, denn jetzt wandte die Frau, die am anderen Ende der Bank saß, ihr mit einem Lächeln das Gesicht zu. Sie hatte lange blonde Haare und schien in Biancas Alter zu sein. Ihre blauen Augen blickten die Kommissarin wach und freundlich an.

      „Die Menschen haben verlernt, über ihre Sorgen und Probleme zu reden“, sagte sie mit einer samtweichen Stimme, durch deren Klang sich Bianca sofort angezogen fühlte.

      „Entschuldigung, ich war der Meinung, dass ich das nur gedacht habe.“

      „Das geht mir auch manchmal so. Ich führe oft Selbstgespräche. Das ist normal, wenn man viel allein ist.“

      „Sind Sie viel allein?“, fragte Bianca. „Haben Sie schon einmal den wichtigsten Menschen in Ihrem Leben verloren?“

      „Ja“, sagte die Frau leise, „ich habe das verloren, was mir am meisten bedeutet hat. Es ist schon sehr lange her. Eine Ewigkeit.“

      „Hört der Schmerz irgendwann auf?“

      Die Frau schien zu überlegen. Dann schüttelte sie den Kopf.

      „Niemals. Er hört niemals auf. Man muss lernen, ihn zu ertragen, sonst geht man kaputt.“

      „Wie haben Sie das geschafft?“

      „Mit viel Geduld habe ich immer wieder versucht, mein Leben neu zu gestalten. Ich bin schon oft an meine Grenzen gestoßen und hätte so manches anders gemacht, aber ich denke, ich habe einen guten Weg gefunden. Wen vermissen Sie denn?“

      „Meinen Mann. Und unseren besten Freund. Sie sind vor drei Jahren ums Leben gekommen. Ich war schon ein Jahr lang nicht mehr auf dem Friedhof, weil ich einfach nicht dorthin gehen konnte. Denken Sie, er wird mir verzeihen?“

      „Ich denke schon. Gehen Sie zu ihm und erklären Sie ihm, warum Sie nicht kommen konnten. Seien Sie froh, dass Sie wenigstens ein Grab zum Trauern haben. Ich muss jetzt gehen. Danke für das Gespräch. Es wird nie aufhören, aber es wird leiser. Glauben Sie mir.“

      Sie nickte und ging davon. Bianca saß noch eine Weile dort, dann lenkte sie ihre Schritte nach Hause. Es hatte sie nicht umgehauen, am Rhein zu laufen. Sie musste nicht weinen. Im Gegenteil, es hatte sich nach den Worten der fremden Frau gut angefühlt, dort unten zu sitzen und zu reden. Michael wäre stolz auf sie.

      Das Bild auf dem Nachtschrank lächelte sie zufrieden an. Bianca nahm es in die Hand und küsste es. Sie atmete ruhig.

      „Gute Nacht, Schatz, morgen gehe ich auf den Friedhof, ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich so lange nicht da war. Ich werde dir Blumen kaufen und mal schauen, wie dein Ruheplatz aussieht. Wünsch mir eine traumlose Nacht!“

      Sie stellte das Bild zurück und rollte sich auf die Seite. Ich muss auch Benedikts Grab pflegen, dachte sie, er ist ja ganz allein. Man hatte die beiden Männer zwar auf dem gleichen Friedhof, aber nicht nebeneinander beerdigt. Bianca hatte sich darüber geärgert, denn sie dachte immer, dass den beiden die Nähe gutgetan hätte.

      „Danke, du unbekannte, friedvolle Frau, dass ich mit dir reden durfte.“

      Sie würde sich freuen, ihr mal wieder zu begegnen.

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