GRABESDUNKEL STEHT DER WALD. Eberhard Weidner

GRABESDUNKEL STEHT DER WALD - Eberhard Weidner


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nicht, wie sie es anstellen sollte, Markus umzubringen – und dieses Mal wirklich und endgültig –, ohne nach seinem Verschwinden und Wiederauftauchen Verdacht zu erregen, doch irgendetwas würde ihr schon einfallen. Dabei wäre ein Unfall nach allem, was passiert war, vermutlich am besten und effektivsten. Aber nicht sofort, sondern erst in ein paar Wochen, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen war. Und bis dahin konnte Cora nur hoffen, dass Markus seine Erinnerungen nicht zurückbekam.

      Doch im Augenblick hatte Cora noch keine Zeit, sich mit der Ausarbeitung eines neuen Plans zu beschäftigen, da die Aufnahmen der verborgenen Überwachungskamera im Eingangsbereich ihre volle Aufmerksamkeit erforderte.

      Nachdem Sascha eine Weile an Ort und Stelle ausgeharrt und gelauscht hatte, nickte er nun zufrieden und lächelte dabei.

      Cora überlegte, ob sie dieses Bild ausdrucken sollte, um es Sascha für den Fall des Falles als Beweis zu präsentieren, dass sie tatsächlich im Besitz von Videoaufnahmen von ihm am Tatabend war. Doch sie entschied, dass sie darauf momentan noch verzichten konnte. Wozu schlafende Hunde wecken? Außerdem wollte sie vorerst keine Beweise fabrizieren, die in die falschen Hände gelangen und sie beide in Teufels Küche bringen konnten.

      Stattdessen beobachtete sie aufmerksam, was weiter geschah. Obwohl sie wusste, wie es ausging, war sie dennoch gespannt und aufgeregt. Es war wie bei diesem Film über die Titanic, denn da hatte sie auch von vornherein gewusst, wie es endete, und die Handlung gleichwohl gebannt verfolgt.

      Sascha hob seine riesigen Hände, bei deren Anblick ein wohliger Schauer über ihren ganzen Körper lief, weil sie wusste, wie zärtlich er mit diesen Händen sein konnte, die aussahen, als könnte er damit einen anderen Mann ohne allzu große Mühe entzweibrechen.

      Doch trotz all seiner Kraft war es ihm letztendlich nicht gelungen, Markus wie geplant zu ermorden. Und Cora wollte endlich wissen, warum nicht.

      Sascha ergriff die Kapuze und schob sie sich über den Kopf, sodass sein Gesicht im Schatten lag und nicht mehr zu erkennen war. Cora war froh, dass er das nicht schon vor dem Haus getan hatte. Doch jetzt war es ihr egal, da sein Gesicht bereits auf der Aufnahme verewigt war.

      Dann setzte sich Sascha abrupt in Bewegung und verließ den Bereich, den das Objektiv der Kamera erfasste.

      Cora überlegte kurz, ob sie sich das Ende der Aufnahme ansehen sollte, wenn Sascha das Haus wieder verließ, beschloss aber, sich alles in chronologischer Reihenfolge anzuschauen. Erst wollte sie sehen, was die andere Kamera aufgezeichnet hatte. Möglicherweise erfuhr sie auf diese Weise auch eher, was schiefgelaufen war.

      Also stoppte sie das Video, merkte sich die angezeigte Uhrzeit und entfernte dann die Speicherkarte, um sie durch die zweite zu ersetzen.

      Die zweite Überwachungskamera hatte sie in Markus’ Arbeitszimmer in einem Bücherregal deponiert. Sie hatte dort auf einem der Fachbücher im Schatten gelegen, sodass sie im Grunde nur dann entdeckt worden wäre, wenn jemand zufällig das betreffende Buch herausgenommen oder gezielt danach gesucht hätte. Doch beides war an jenem Abend nicht unbedingt zu befürchten gewesen und auch nicht eingetreten.

      Die Aufnahme startete eine halbe Stunde nach der im Eingangsbereich und zeigte durch das Weitwinkel-Objektiv einen großen Ausschnitt des Arbeitszimmers. Markus’ wuchtiger Schreibtisch aus dunklem Holz war von der Seite zu sehen und bildete den Mittelpunkt. Das Licht brannte zwar, wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, doch Markus war nicht zu sehen. Allerdings war es dafür auch noch zu früh, denn Coras Anruf sollte erst in einer halben Stunde erfolgen.

      Cora bewegte mit der Maus den Schieberegler und spulte nach vorn, bis die digitalen Ziffern exakt die Uhrzeit anzeigten, die sie sich von der anderen Aufnahme gemerkt hatte.

      Nun war Markus zu sehen, der hinter seinem Schreibtisch saß, sein Handy ans Ohr hielt und mit jemandem telefonierte.

      Cora presste verärgert die Lippen aufeinander. Sie hatte damit gerechnet, dass Markus auf ihren Anruf wartete. Doch stattdessen telefonierte er und schien völlig vergessen zu haben, dass sie für diese Uhrzeit ihren zweiten Anruf angekündigt hatte. Mit wem spricht er da bloß? Cora spürte einen unerwarteten Stich der Eifersucht, doch dann entspannte sie sich wieder. Sie kannte ihren Mann nämlich gut genug, um zu sehen, dass er in diesem Moment wütend war und lautstark ins Telefon sprach. Schade, dass sie nicht hören konnte, was er sagte. Doch es sah so aus, als hielte er seinem Gesprächspartner eine gehörige Standpauke.

      Ihr Blick wanderte zur Zeitanzeige, die nun zweiundzwanzig Uhr drei anzeigte. Laut Plan sollte Sascha längst vor der Tür stehen, die prinzipiell geschlossen war, wenn Markus telefonierte, und auf einen geeigneten Moment warten, um ihn zu überraschen. Durch das Schlüsselloch konnte er sowohl den Schreibtisch als auch den Mann dahinter sehen.

      Cora spürte, dass ihre Hände feucht waren. Das Wissen, dass Sascha in diesem Moment bereits vor der Tür war und darauf lauerte, sie endlich aufreißen und hereinstürmen zu können, um den ahnungslosen Mann hinter dem Schreibtisch zu ermorden, ließ ihr Herz schneller schlagen. Und obwohl sie schon wusste, wie die Sache ausgegangen war, war sie gleichwohl gespannt, was als Nächstes passieren würde.

      Markus telefonierte noch immer, hörte jetzt aber aufmerksam zu. Dabei schüttelte er mehrmals den Kopf, als wäre er mit dem, was er hörte, alles andere als einverstanden.

      Er stand auf und umrundete den Schreibtisch, als wollte er das Arbeitszimmer verlassen. Doch das tat er nicht, denn sonst wäre er unweigerlich auf Sascha gestoßen. Stattdessen begann er, auf der freien Fläche vor dem Schreibtisch hin und her zu marschieren, wie er es während des Telefonierens manchmal tat. Er hatte nur Platz gebraucht, weil er allem Anschein nach zu erregt und wütend war, um weiterhin auf seinem Chefsessel hinter dem Schreibtisch zu verharren. Noch ein Zeichen, wie aufgewühlt und aufgebracht er war.

      Plötzlich blieb er mit dem Rücken zur Tür stehen, gestikulierte mit der freien linken Hand, um seine Worte zu unterstreichen, und sprach in sein Smartphone.

      Cora konnte die Tür zum Flur nicht sehen, da sie außerhalb des Bereichs lag, den die Kamera erfasste, spürte es jedoch trotzdem, als sie aufgerissen wurde. Im nächsten Moment tauchte auch schon die große, schwarz gekleidete Gestalt mit der übergestülpten Kapuze im Bild auf und stürzte sich auf Markus, der noch immer mit dem Rücken zur Tür stand und nicht wusste, wie ihm geschah und was mit der Brachialgewalt eines mittelschweren Hurrikans plötzlich über ihn herfiel.

      »Jetzt doch noch nicht, du Idiot!«, entfuhr es Cora, denn noch immer bestand die Telefonverbindung zu Markus’ unbekanntem Gesprächspartner, der alles mithören konnte, was geschah.

      Sascha packte Markus von hinten, bevor dieser überhaupt in der Lage war, in irgendeiner Form auf den eindringenden Hünen zu reagieren, und legte seine behandschuhten Hände um dessen Hals.

      Markus ließ das Handy fallen, hob die Arme und zerrte reflexartig an den Pranken, die ihm Stahlklammern gleich die Luft abschnürten. Doch es ähnelte dem Versuch, mit einer Barriere aus Papier einen Sattelschlepper aufzuhalten, und war daher von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Markus war zwar lediglich zehn Zentimeter kleiner als Sascha und alles andere als ein Schwächling, da er sich auf dem Crosstrainer fit hielt und Judo betrieb. Doch gegen den muskelbepackten Hünen, der wie aus dem Nichts hinter ihm aufgetaucht war, hatte er aufgrund seiner ungünstigen Position dennoch keine Chance.

      Da Sascha den anderen Mann komplett überrumpelt und von hinten angegriffen hatte, kam Markus gar nicht dazu, seine Judogriffe anzuwenden. Außerdem führte das abrupte Abschneiden der Luftzufuhr vermutlich dazu, dass er in Panik verfiel und keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen konnte.

      Cora sah, dass Markus’ Füße gar nicht mehr den Boden berührten, sondern in der Luft hingen, während er damit zappelte wie ein außer Kontrolle geratener, durchgeknallter Hampelmann. Falls die Bewegungen allerdings nicht unkontrolliert, sondern gezielt erfolgten, um seinem heimtückischen Angreifer einen Tritt vors Schienbein oder in den Schritt zu verpassen, so gelang ihm das nicht, da dieser hinter ihm stand, dank seiner langen Arme ausreichend Abstand hielt und somit nahezu unerreichbar war.

      Cora hatte es Sascha unzählige Male eingebläut, sich auf keinen Fall auf einen Zweikampf


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