Vampyr. David Goliath

Vampyr - David Goliath


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Bein. Stromschläge durchzuckten ihn. Ihre spitzen Nägel bohrten sich ganz leicht durch die Hose in seine Haut. Er musste aufpassen, dass sich seine Männlichkeit nicht meldete, um »Hallo« zu sagen. Die Frau hatte ihn in der Hand.

      »Ein Unfall«, begann Gideon zaghaft. »Das vermutlich gestohlene Fahrzeug Ihres Chefs ist gegen einen Werbepfosten gekracht.«

      Adelheid äußerte sich mitfühlend mit einem Seufzer. »Ist dem Dieb etwas zugestoßen?«

      »Dem Dieb?«

      Sie bejahte. »Der, der das Auto geklaut hat.«

      »Ah!« Die Finger der Frau strichen kaum merklich über Gideons Bein. Jeder Kontakt fühlte sich an wie eine Drahtbürste, die über die Wirbelsäule vom Steiß zum Nacken jagt. »Eine Diebin«, verbesserte er redselig. Immer wieder erhielt er flüssigen Nachschub durch den Strohhalm.

      »Ist sie tot?«

      »Ja«, antwortete er, wonach Adelheid ihm den Strohhalm wieder in den Mund schob. Bestimmt, aber gefühlvoll. Er merkte wie der Alkohol sein Bewusstsein veränderte. Der Schmerz in den Handinnenflächen ließ nach. Die Zunge lockerte sich. War er zuvor noch stramm, torkelte sein Oberkörper nun hin und her. Ab und an stieß er an ihre Schulter oder ihr Knie. Jedes Mal sprang der Funke über.

      »Konnten Sie mit ihr sprechen?«

      »Nein.«

      »Und Sie ermitteln jetzt? Also war es Mord?« Sie klang begeistert ob der abenteuerlichen Enthüllungen.

      Das große Glas, das vermutlich die fünffache Menge des üblich ausgeschenkten Inhaltes aufwies, war fast ausgetrunken. Da Gideon sonst keinen Alkohol konsumierte, schlug die Zufuhr nahezu ungebremst durch seine Blut-Hirn-Schranke. Die rasche, mehr oder weniger erzwungene, Gabe beschleunigte seinen Verfall. Die letzte Mahlzeit, abgesehen von den Schokotalern, war auch schon eine Weile her. Wie ein Wasserfall ratterte er seine Theorie des Unfallhergangs lallend herunter. Um es sich von der Seele zu reden. Um der Frau zu imponieren. Um die Übergabe an die Schupo zu rechtfertigen.

      Adelheid schien enttäuscht zu sein. »Doch kein Mord, mh?«

      »Wird jemand vermisst?«, nuschelte Gideon. Seine Artikulation wurde zusehends undeutlicher. Mit dem letzten Zug leerte er das Getränk. Zufrieden stellte Adelheid das Glas ab.

      »Dafür müsste ich die Stechblätter des Personals durchforsten. Meines Wissens gibt es keine Vermissten.«

      Gideon schleuderte den Arm von oben nach unten. Seine Hand wippte nach. »Vergessen Sie es, schöne Adelheid. Vermisst gilt man erst ab drei Tagen.« Er kicherte. »Wie ich schon festgestellt habe: ein Unfall. Fertig!«

      »Ein Unfall«, bestätigte Adelheid. Sie lehnte sich dicht an sein Ohr. »Grausam«, säuselte sie, »aber nur ein unglücklicher Zufall.« Die geheimnisvolle Frau begutachtete seine Hände. Die Salbe war eingezogen.

      »Es hat geholfen. Die Schmerzen sind weg«, kommentierte Gideon mit stolpernder Sprache. Die Betäubung könnte aber auch vom Destillat kommen – oder von den Hormonen, die wegen der Dame ausgeschüttet wurden. Er studierte ihr Antlitz, wobei er seine Sinne nutzte, wenn auch eingeschränkt.

      Ihr schwarzer Bubikopf duftete nach frischem Olivenöl. Ihre Haut war weich wie Samt und Seide. Ihre tiefschwarzen, geweiteten Pupillen ließen nicht erkennen, welche natürliche Farbe ihre Augen hatten. Um den Hals trug sie eine schwarze Perlenkette, dazu die passenden Perlenohrringe – in schwarz. Und um das Handgelenk lag ein Armreif, besetzt mit Perlen – schwarz. Er wollte damit spielen, wollte die Perlen drehen, gegeneinander klicken lassen. Doch er bremste sich. Eine falsche Berührung könnte ihm teuer zu stehen kommen.

      »Sie vertragen nicht viel, Herr Kommissar, oder?«, suchte Adelheid den Blickkontakt.

      »Gideon, bitte«, bat er charmant, wie er fand.

      »Gi-de-on«, repetierte sie, jede Silbe lasziv betonend.

      Gideon reagierte auf jeden einzelnen Hauch mit einem Beben. Trotz der fesselnden Darbietung überkam ihn Müdigkeit. Er hielt die Hand vor den Mund, um ein Gähnen zu kaschieren, was sie natürlich aufschnappte.

      »Ich wünsche Ihnen noch eine angenehme Nacht, Gideon.«

      Gideon blinzelte mit glasigen Pupillen und konnte keinen Punkt fixieren. Sein Kopf wackelte hin und her. Debil klappte sein Unterkiefer nach unten.

      »Sie brauchen etwas frische Luft, würde ich sagen.« Sie erhob sich wie Phoenix aus der Asche. Ihre ausgestreckte Hand lud Gideon zu einem kleinen Nachtspaziergang ein.

      Schwerfällig nahm er die Einladung an, auch wenn er ihre Hand erst beim dritten Versuch ergreifen konnte.

      Vor der Tür musste er sich gegen die Hauswand stützen. Alles kreiste, kreischte und drehte sich. Wenigstens war ihm nicht schlecht. Noch nicht.

      »Kommen Sie gut nach Hause.« Adelheid gab ihm einen ausgiebigen, feuchten Kuss auf die Wange, die nicht nur wegen der niedrigen Außentemperatur errötete. Dann verschwand sie im Nachtklub Zum Mond.

      Von seinem Wanken belustigt, passierten Gideon Nachtschwärmer auf der Suche nach der nächsten Vergnügungsdestination. Er rutschte an der Hauswand hinab und setzte sich auf seinen Hintern. Neben ihm stand der Portier. Gideon hörte, wie dieser etwas sagte, konnte es allerdings nicht verstehen. Der Kopfkreisel nahm an Geschwindigkeit auf. Kurzerhand steckte er sich den Finger in den Mund. Wenn er nicht so betrunken gewesen wäre, hätte ihn der Schuhputzfimmel gepackt. Aber unter diesen Umständen stieg er über Umwege ins Polizeifahrzeug und verließ den Nachtklub samt Portier, der mit besudelten Schuhen fluchend zurückgelassen wurde.

      Im Schleichtempo und mit Schlängellinien erreichte er sein Revier am Stadtrand. Er verzichtete auf die markierten Parkbuchten und stellte das Fahrzeug genau vor der Eingangstür ab. Den Schlüssel warf er auf den Tresen. Schumann schaute auf.

      »Voss, du meine Güte! Bist du besoffen?«

      Voss hielt sich am Tresen fest. »Kannst du einparken?«, lallte er, nach draußen nickend.

      Schnell nahm Schumann den Autoschlüssel entgegen. »Ist was kaputt?«

      »Nein!«, echauffierte sich Voss grinsend. »Unfall!«

      »Was?«, schimpfte der Schutzpolizist mit den Hosenträgern.

      »Unfall! Es war ein Unfall!«, rief Voss, mit seiner Konstitution ringend.

      Schumann hüpfte vom Stuhl und trabte zur Tür, wo er zum zwischengeparkten Dienstfahrzeug schaute, was offensichtlich nicht beschädigt war. Erleichtert packte er Voss am Arm und schleifte ihn die Treppe hinunter in den Keller.

      »Du bist im Dienst, Voss!« Immer wieder drehte sich Schumann nach hinten, um andere Kollegen frühzeitig zu bemerken. Erst im Keller lockerte er den Griff. »Was du brauchst, ist eine kalte Dusche.«

      Voss schüttelte sich. »Spinnst du?« Kaum noch Herr seiner Muskeln versuchte er sich zu wehren, doch der grobschlächtige Schumann, der mindestens drei Konfektionsgrößen mehr benötigte, zerrte ihn in den Gemeinschaftswaschraum, riss Jacke und Holster vom Kommissar, drehte den Hahn auf und stellte Voss in Klamotten unter den eisigen Wasserstrahl.

      »Für meine Uniformjacke«, rächte sich Schumann. Die behäbigen Fluchtversuche vereitelte er mit körperlicher Präsenz. Irgendwann ergab sich Voss und plumpste zu Boden. Das neuerlich Erbrochene wurde weggespült. Erst als er jämmerlich zitterte und das Echo seiner aufeinander klappernden Zahnreihen durch den gefliesten Waschraum klackerte, drehte Schumann den Hahn wieder zu.

      »Wie geht es dir?«

      Voss knurrte halblaut. Sein böser Blick durchbohrte den Kollegen der Schupo. Die Pomade war ausgewaschen. Seine Haare hingen tropfend nach unten, zu allen Seiten.

      »Hast du trockene Wechselkleidung?«

      Voss zeigte auf seinen durchweichten Anzug. »Ich habe davon keine zweite Garnitur hier.«

      »Dann solltest du dir eine zulegen«, feixte Schumann. Er deutete auf das Kleiderlager


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