Trojanische Hühner. Ado Graessmann

Trojanische Hühner - Ado Graessmann


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morgens kurz zur Toilette gingen, dann ragten ihre Schlafanzughosen vorne weit nach oben und wenn sie zurück kamen, waren die Erhebungen wieder verschwunden. Sie hatte sich immer schlafend gestellt, auf dem Bauch liegend, mit einem geschlossen und einem offenen Auge und so ihre Brüder beobachtet, doch was sie da sah, konnte sie nicht so richtig einordnen. In der Schule wurde viel gemunkelt, aber keiner wusste so wirklich richtig bescheid.

      Dies änderte sich in ihrer Hochzeitsnacht. Cave sah zum ersten Mal in seinem Leben eine nackte Frau, sehen war vielleicht zu viel gesagt, es war stockdunkel, sie befanden sich im Schlafzimmer seiner Tante, sie hatte ihnen das Zimmer für die eine Nacht zur Verfügung gestellt und dafür bei ihrer Schwägerin geschlafen, beide waren schon seit Jahren verwitwet, ihre Männer waren mit dem, was die Mullas behaupteten, nicht immer ganz einverstanden und hatten sich hierzu auch in der Öffentlichkeit geäußert. Vor einigen Jahren wurden sie am frühen Morgen von den Sittenwächtern abgeholt und verschwanden auf nie mehr Wiedersehen. Alle Nachforschungen verliefen im Sand, keiner wollte etwas wissen, gehört oder gesehen haben und nach Jahren wurden sie zu Witwen erklärt.

      Die Weisheit alter Zeiten war längst vorüber, einst lebte hier ein Mann, sein Name war Zarathustra, er war weder Prophet noch war er Gott. Propheten, die verkünden Gottes Wort und lassen keine Fragen und keinen Zweifel zu, er tat dies nicht, er war auch nicht Vermittler zwischen Gott und den Menschen, wie dies die Geistlichen für sich in Anspruch nehmen. Sie versprechen nach Belieben das Paradies, oder drohen mit der Hölle, so machen sie sich selbst unentbehrlich für das jenseitige Wohlergehen des Einzelnen.

      Die Zarathustrier, die müssen Gott auch nicht dreimal täglich anbeten, auch Bestechungen führen nicht ins Paradies. Jeder trägt selbst die Verantwortung für sich, nur durch gutes Denken, durch gutes Reden und durch gutes Handeln kommt man dort hin. Nur wer Gutes tut, kann Gutes erwarten, wer Böses tut, dem kann auch nur zwangsläufig Böses widerfahren. Wenn das Heil nur durch das eigene Handeln bestimmt wird, wofür braucht man dann noch Priester?

      Dies ist anders bei den heutigen geistlichen Herren, sie erheben den Anspruch auf alleiniges Wissen, versprechen nach Belieben das Paradies, oder drohen mit der ewigen Verdammung, so machen sie sich unentbehrlich, Zweifel werden nicht geduldet. Ungläubige zu töten sichert das Paradies.

      Auch Persepolis wurde nicht von Sklaven gebaut, alle Menschen waren gleich, auch Frauen, wenn aber alle gleich sind, warum sollten dann Kriege geführt werden?

      Aber wo sind nur die alten Weisheiten geblieben?

      Sie konnten ihre Umrisse nur vage erkennen, aber betasten konnten sie sich, und da erkannte Nasrim, was die Veränderung in den Hosen ihrer Brüder bewirkt hatte, sie konnte es anfassen und war überrascht von der Größe und der Härte des pulsierten Etwas, es erweckte ihre Neugier und ein plötzliches, unbekanntes Verlangen danach.

      Sie hatten sich langsam gegenseitig im Stehen die Kleider ausgezogen. Cave löste als erstes ihr Kopftuch, dann den Knoten von Nasrims Haar, es fiel über ihre Schultern den Rücken hinab, er konnte es hören, wie ein sanftes Rauschen, ein feiner Duft von Jasmin stieg in seine Nase und er fühlte den seidenen Glanz ihrer Haare. Nasrim hatte die Knöpfe seines Hemdes geöffnet und es langsam über seinen Kopf gezogen. Ihr schwarzer Umhang war leicht zu lösen gewesen, er fiel herunter und bedeckte den kalten Boden des Schlafzimmers, beide stellten sich darauf und plötzlich hatten sie nichts mehr an. Zum ersten Mal in seinem Leben berührten seine Hände ihre Brüste, er empfand es fast wie einen elektrischen Schock, der sich vom Kopf über seinen ganzen Körper ausbreitete, es war sonderbar schön und zugleich noch fremd, sie waren hart und trotzdem wieder weich. Seine Hände glitten ihren glatten Bauch hinab, auch Nasrim ging auf Erkundungstour, es war wie eine Reise in eine unbekannte Welt, keiner von beiden wehrte sich dagegen.

      Als sie unter der Bettdecke lagen, hatten sie schnell die wesentlichen Unterschiede und deren Bedeutung erkannt, ihnen erschien alles anders als sie es aus den heimlichen Erzählungen von den Freunden aus der Schule kannten.

      Ihre Berührung steigerte Caves Erregung, die er nicht mehr verbergen konnte, ihre Hand berührte ihn und noch bevor er in sie eindringen konnte, kam es bei ihm zur Explosion. Er war bestürzt und zugleich beschämt, darüber, dass seine Männlichkeit ihn so schnell verlassen hatte, auch Nasrim schien davon überrascht zu sein und begann ihn zu trösten.

      Erst einige Stunden später fanden sie doch zusammen und Cave fühlte wie an Nasrims Beinen etwas herab lief, sie hatte sich weder beklagt noch Bedauern ausgesprochen. Am nächsten Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster traten, sah er die roten Flecken auf dem Bettlagen.

      Zwei Wochen nach der Hochzeit zogen sie nach oben, zum Ende des Tals. Es war noch Niemandsland und für einen geringen Betrag wurde es auf Caves Namen überschrieben. Zum Start hatte er von seinen drei Brüdern jeweils hundert braune Hühner geschenkt bekommen und von seinem Onkel zwei Ziegen.

      Einen alten Lastwagen hatte er auch seit einer Woche, als er die Straße zu seinem Bruder hinunter lief, sah er in einem schmalen Feldweg am Rande des Waldes den Laster stehen, ohne aber weiter darauf zu achten. Er setzte seinen Weg fort, die Straße war eigentlich keine richtige Straße, es war nur ein Schotterweg, ohne Asphaltierung. Als er am späten Nachmittag zurück kam, stand der Laster immer noch an der gleichen Stelle, da er sich auf seinem Grundstück befand, ging er hin um das Objekt näher zu betrachten. Es war ein Pritschenwagen mit einer offenen Ladefläche, beladen mit verschiedenen leeren Kisten, die mit Seilen befestigt waren, und der Schlüssel steckte noch im Zündschloss. Er ging um das Auto herum und sah, dass es keine Nummernschilder hatte, wo kam es nur her, wer hatte es hier abgestellt, sicherlich sollte es ein nachträgliches Hochzeitgeschenk für ihn sein. Der Tank war noch zu einem Drittel gefüllt und als Cave den Zündschlüssel leicht nach rechts drehte, sprang der Motor sofort an.

      Beim Rückwärtsfahren hatte er zunächst etwas Schwierigkeiten, obwohl er selbst vorher noch nie gefahren war, wusste er genau, was er zu tun hatte, es zahlte sich eben aus, dass er immer aufmerksam das Geschehen beobachtet hatte, wenn er auf dem Nebensitz saß, beim Eier Transport in die Stadt.

      Die Hütte in die sie eingezogen waren, stand seit Jahren leer, irgend jemand hatte sie vor längerer Zeit illegal gebaut und wieder verlassen, sie war im Kaufpreis eingeschlossen. Elektrizität gab es nicht, dafür war das Grundstück zu weit von der Ortschaft entfernt, aber hinter dem Haus, in einem kleinen Holzschuppen, stand ein alter Generator der für Licht sorgte. Treibstoff hierfür war genügend vorhanden, zwei große Fässer, die ebenfalls hinter der Hütte standen, waren fast noch randvoll gefüllt.

      Das Haus hatte drei Zimmer und eine Küche, der Boden bestand aus gestampften Lehm, den sie zunächst mit einigen Kuhfellen bedeckten, die Wände aus dicken Holzstämmen, zwischen den einzelnen Holzbalken befand sich Moos, das hielt im Winter etwas die Kälte und im Sommer die Wärme ab. Feuer konnte nur in der Küche und im Wohnzimmer gemacht werden. Einen Monat nach der Hochzeit war Nasrims Mutter mit nach oben zu ihnen gezogen, seitdem bewohnt sie das kleinste Zimmer im Haus. Sie war immer schwarz bekleidet, wodurch ihr blasses Gesicht noch mehr zum Vorschein kam. Sie kränkelte oft, beklagte sich über dieses und jenes, hatte immer Schmerzen, mal hier mal dort, schon seit vielen Jahren. Einmal war sie beim Doktor in der Stadt, Nasrim hatte sie dorthin gebracht, auf dem Hühnerlaster, der Fahrer hatte sie ohne Bezahlung mitgenommen, in den meisten Dörfern gab es keinen Arzt und wenn einer gerufen wurde, dann dauerte es fast immer einige Tage bis er kam, wenn überhaupt, meist erübrigte sich sein Besuch, die Patienten waren meist wieder gesund oder waren oft schon verstorben, bevor der Arzt eintraf. Die Verwandten nehmen es gelassen hin, es war eben ihr Schicksal, man wird geboren um wieder zu sterben, so will es eben Allah.

      Der Doktor in der Stadt konnte ihr auch nicht richtig helfen, sie bekam von ihm einige Medikamente verschrieben, eingenommen hatte sie nie etwas davon. Mit der Zeit hörte kein Mensch mehr auf ihr Gejammer. Ihr Mann war schon vor vielen Jahren verstorben, woran weiß keiner mehr so genau, wahrscheinlich war sie die Gesündeste von allen und hatte das ewige Leben, sie mochte es eben wenn sie jammern konnte, so wusste jeder, dass sie noch am Leben war und verhinderte damit, dass die anderen sich krank fühlten und ebenfalls jammerten, ein Kranker in der Familie war schon mehr als genug, das war wahrscheinlich ihre Strategie. Sie kümmerte sich um das Essen und darüber konnte man sich nicht beklagen. Sie war aber eine Frau


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